Stephan List (<http://toolblog.de>) fragte mich vor einigen Wochen in unserem Podcast-Gespräch, was ich in welcher Situation bevorzugen würde: PowerPoint1, Flipchart oder Whiteboard. Zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass ich in diesem Blog dazu bisher noch nicht direkt Stellung bezogen habe – das möchte ich hiermit nachholen:
Grundsätzlich immer eine PowerPoint-Präsentation zu zeigen (oder zeigen zu müssen), erscheint mir in etwa so sinnvoll wie PowerPoint grundsätzlich zu hassen und für „böse“ zu halten (vgl. hier). Ebenso wenig sinnvoll dürfte es sein – womöglich nur der Ablehnung von PowerPoint wegen –, grundsätzlich und in jeder Situation das Flipchart zu präferieren2. Dass eine visuelle Unterstützung des Gesprochenen (oder auch des Geschriebenen) meist sinnvoll ist, steht für mich außer Frage (vgl. hier). Die sinnvolle und vor allem wirksamste Medienauswahl aber hängt m. E. von der Aufgabe (bzw. dem Ziel) und der Situation (bzw. dem Publikum) ab:
- Möchte ich vorbereitete Inhalte unverändert referieren, erscheint mir der Einsatz von PowerPoint3 (oder einer anderen Präsentationssoftware) sehr sinnvoll. Prinzipiell kann ich natürlich auch Flipchart-Blätter vorbereiten, der Transport in einer Posterrolle ist allerdings vergleichsweise aufwendig – und die gestalterischen Möglichkeiten eines Präsentationsprogramms sind für die meisten Menschen deutlich größer. Dem Argument, das „handgemachte“ Flipchart sei per se glaubwürdiger und damit wirksamer, kann ich nicht folgen – insbesondere nicht für vorbereitete, nicht erst während des Referats entwickelte Flipcharts: Mir ist keine Untersuchung bekannt, die einen solchen Effekt belegt.
- Entwickle ich die Visualisierung im Prozess, zeichne ich während des Vortrags (womöglich spontan und aus dem Stegreif), sind Flipchart oder Whiteboard geeignete Medien. Hierbei sollte man m. E. zwei Fälle unterscheiden:
- Das relativ schmale Flipchart ist für das gemeinsame Arbeiten mit mehreren Menschen aus Platzgründen eher unpraktisch. Gibt es nur einen einzelnen Referenten – visualisiert nur ein Mensch zurzeit –, ist ein Flipchart gut geeignet und bietet zudem den Vorteil der Persistenz und die Möglichkeit des Vor- und Zurückblätterns (vgl. hier). Übrigens haben die meisten Flipcharts Arme (vgl. hier), die zusätzliche Präsentationsflächen schaffen.
- Erarbeitet man die Inhalte gemeinsam in der Gruppe, erscheint mir das breitere Whiteboard geeigneter, quasi einladender: Alle können direkt vor dem Medium stehen und nichts ist endgültig, alles abwischbar (am besten so). Das Nicht-Endgültige des Whiteboards nimmt m. E. den Teilnehmern im Gruppenprozess oft Ängste: Es ist für viele Menschen einfacher, sich auch visuell in den Prozess einzubringen, wenn sie wissen, dass sie ggf. alles wieder wegwischen kann.
- Mischformen sind natürlich möglich – insbesondere ist es häufig sinnvoll, zusätzlich zur vorbereiteten Präsentation ein Flipchart bereitzuhalten, um auf Zwischenfragen, Verständnisprobleme oder anderes Unvorhergesehenes spontan auch visuell eingehen zu können. Mischt man Whiteboard und Flipchart, sollte man übrigens darauf achten, nicht auch die Stifte zu mischen – übrigens durchaus in beide Richtungen (vgl. hier).
- Ab einer bestimmten Gruppengröße allerdings verbietet sich der Einsatz von Flipchart und Whiteboard automatisch: Sobald die letzte Reihe im Publikum der Visualisierung nicht mehr sinnvoll verfolgen kann, sollte man unbedingt auf andere Medien ausweichen. Das Flipchart ist also eher für das Spektrum zwischen Besprechungs- und „Klassenraum“-Situationen geeignet – und genau diese Situationen sind es ja auch, die viel Interaktivität erlauben, in denen spontane Stegreif-Visualisierungen besonders hilfreich sind. Prinzipiell könnte man größere Gruppen vermittels eines Overhead-Projektors (Polylux) mit einem ähnlich nutzbaren Medium erreichen (vgl. hier) – in aller Regel findet man diese Geräte allerdings leider höchstens noch in abgelegenen Abstellkammern.
- Keine wirkliche Mischform ist der m. E. typische Einsatz eines Smartboards: Die Größe ähnelt meist eher der eines Whiteboards mit den damit verbundenen Einschränkungen – und spontane Visualisierungen auf dem Smartboard sind oft mit gegenüber Papier und Stift vergleichsweise hoher Komplexität verbunden (vgl. hier). Vielerorts ersetzt deswegen das teure Smartboard in der Praxis meist nur den Beamer und eine (vergleichsweise kleine) Leinwand.
Für die Dokumentation des Vortrags oder der Besprechung gilt übrigens unabhängig vom Medium: Die reinen Visualisierungen taugen kaum als Protokoll; es fehlt die „Tonspur“ – und damit der Hauptinhalt! Fotoprotokolle (vgl. hier) sollten also immer kommentiert werden (vgl. hier) – und eine Präsentation ist eine Präsentation und kein Handout (vgl. hier).
Flipchart, Whiteboard oder (PowerPoint‑)Präsentation – jede dieser Möglichkeiten zur Unterstützung des Vortrags hat ihre spezifischen Eigenschaften; keines dieser Werkzeuge ist das vermeintlich jeder Aufgabe gewachsene „Schweizer Messer“4. Klären Sie Inhalt, Ziel und Aufgabe, bedenken Sie Situation und Publikum – und überlegen Sie dann, welches Werkzeug die wohl wirksamste visuelle Unterstützung sein kann!
Fußnoten:
- ↑ Der Begriff „PowerPoint“ wird hier als Deonym für alle vergleichbaren Präsentationsprogramme verwendet.
- ↑ Auch das tun einige Menschen, vgl. bspw. <http://www.anti-powerpoint-party.com/de/das-anliegen/alternative-zu-powerpoint/> (24.04.2017).
- ↑ Screenshot: Nutzung mit Genehmigung von Microsoft.
- ↑ Auch Schweizer Messer sind übrigens für praktisch jede Aufgabe ein Provisorium.