Sprachliche Zeichen sind arbiträr; die Bezeichnung steht in keinem direkten Bezug zum Bezeichneten1. Unabhängig davon jedoch können Wörter und gerade Komposita etwas über die Quidditas – die „Washeit“ – des Dings aussagen, das bezeichnet wird. „Flipchart“ ist so ein Wort.
„Flipchart“2 ist ein Kompositum aus „to flip“ (engl.: „[um]drehen“3) und „chart“ (engl.: „Schaubild“, „Diagramm“, „Liste“ o. ä.“4)5. Was sagt uns das nun über die „Washeit“ des Flipcharts?
Der zweite Teil dieses deskriptiven Kompositums ist trivial: Auf einem Flipchart wird gezeichnet. Daran, dass man ein Flipchart umblättern kann (der erste Teil dieses Kompositums) erinnern sich viele Menschen allerdings erst spät und notgedrungen, wenn das Blatt voll ist oder das Gespräch eine Wendung nimmt, die das (Zurück‑)Blättern geradezu erzwingt – meist zu spät, um diese Eigenschaft des Flipcharts aktiv in den Visualisierungs-Prozess zu integrieren.
Das „Flip“ in „Flipchart“
Ein Flipchart-Blatt einfach vollzuschreiben oder vollzuzeichnen und dann zum nächsten (hoffentlich noch6) leeren Blatt zu blättern, nutzt das „Flip“ in „Flipchart“ nur pragmatisch-passiv. Dabei kann das „Flip“ so einfach bewusst und aktiv genutzt werden, um die Visualisierung zu strukturieren:
- Schreiben oder zeichnen Sie die Blätter nicht einfach voll, sondern betrachten Sie die Blätter als „Kapitel“ Ihrer Visualisierung; nutzen Sie ein Blatt pro (Unter‑)Thema.
- Verwenden Sie „Kapitel“-Überschriften7 auf jedem Blatt. Die Struktur auf diese Weise zu verdeutlichen, hilft nicht nur Ihrem „Publikum“, die jeweilige Visualisierung in einen Kontext einzuordnen, sondern auch Ihnen, die Struktur tatsächlich konsequent durchzuhalten. Darüber hinaus helfen Überschriften später ungemein dabei, einem Fotoprotokoll zu folgen.
- Blättern Sie zurück und wieder vor, um den Wendungen des Gesprächs zu folgen – intuitiv tut man das meist sowieso spontan; deutlich in klare „Kapitel“ mit Überschriften strukturiert aber kann das gezielte Blättern viel mehr Klarheit in wendungsreiche Diskussionen bringen als hektisches Suchen in einem unsortierten Flipchart-Stapel.
- Nutzen Sie zusätzlich die Arme des Flipcharts (vgl. hier) oder Malerkrepp (und die Wände des Raumes): Agenda-Blätter, Themenübersichten, Sammlungs-Blätter für Beschlossenes oder auch Offenes o. ä. sollten dauernd sichtbar aufgehängt werden. Blätter bewusst aus der festen Sequentialität des Flipchart-Blocks herauszunehmen, kann zusätzliche Struktur schaffen.
Wie auch immer Sie das „Flip“ in „Flipchart“ nutzen: Tun sie es bewusst und geplant. Blättern Sie nicht einfach nur um, wenn das Blatt voll ist, sondern integrieren Sie das „Flip“ in die Dramaturgie des Visualisierungs-Prozesses, um Ihre Ideen klar(er) strukturiert in Szene zu setzen. Das Flipchart heißt nicht ohne Grund Flipchart.
Fußnoten:
- ↑ Sieht man einmal von onomatopoetischen Zeichen wie „Wauwau“ und „Gackgack“ ab. Diese Zeichen werden im Rahmen des Spracherwerbs allerdings bemerkenswert schnell durch arbiträre Zeichen („Hund“ und „Ente“ bzw. „Gans“) ersetzt – offenbar sind Ikonen in unserer Sprachkultur unerwünscht.
- ↑ Oder übrigens auch (seltener) „Flip-Chart“.
- ↑ Vgl. <http://www.merriam-webster.com/dictionary/flip>.
- ↑ Vgl. <http://www.merriam-webster.com/dictionary/chart>.
- ↑ Vgl. <http://www.duden.de/rechtschreibung/Flipchart> und <https://de.m.wiktionary.org/wiki/Flipchart>.
- ↑ Es lohnt sich, den Block vorab zu kontrollieren – erstaunlich häufig sind hintere Blätter bereits vom Vor-Benutzer bemalt worden.
- ↑ Aber bitte keine Wolken.