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Der „Ampel-Fetisch“ im ProjektMANAGEMENT

Tim Themann

Ein mir gut bekann­ter Sechs­jäh­ri­ger hat ein Fai­ble für Ampeln – jede der gera­de in Ham­burg nicht unbe­dingt sel­te­nen „Licht­si­gnal­an­la­gen“ muss ein­zeln inspi­ziert und kom­men­tiert wer­den; kleins­te Beson­der­hei­ten erfah­ren eine umfang­rei­che Wür­di­gung. Dar­über sin­nie­rend, woher wohl die­se Fas­zi­na­ti­on kom­men mag, fiel mir auf: Er ist nicht der Ein­zi­ge – der „Ampel-Fetisch“ ist erstaun­lich ver­brei­tet. Ich sehe andau­ernd Ampeln – in prak­tisch jedem (Projekt‑)​Statusmeeting! Gera­de in Umfel­dern, in denen der zwei­te Wort­teil von „Pro­jekt­MA­NAGE­MENT“ bes­ser in Ver­sa­li­en gesetzt wer­den sollte​1, bevöl­kert die „Sta­tus-Ampel“ meist unzäh­li­ge Foli­en der obli­ga­to­ri­schen, oft­mals durch die METHODE​2 fest vor­ge­ge­be­nen Pro­jekt­sta­tus-Prä­sen­ta­tio­nen. Dabei ist die Ampel m. E. denk­bar unge­eig­net, den Sta­tus eines Arbeits­pa­kets oder (Teil‑)​Projekts darzustellen.

Rot-Gelb-Grün – das neue Schwarz-Weiß?

Der Ver­such, Infor­ma­tio­nen durch Reduk­ti­on des Detail­lie­rungs­gra­des „für das Manage­ment auf­zu­be­rei­ten“, ist an sich löb­lich. Sie so sehr zu redu­zie­ren, dass sie kei­ne qua­li­fi­zier­te Ent­schei­dungs­grund­la­ge mehr ist, ist jedoch kei­nes­falls sinn­voll und führt zu unin­for­mier­ten Ent­schei­dun­gen, die aller­höchs­tens zufäl­lig (oder auf­grund mani­pu­la­ti­ver Reduk­ti­on) „rich­tig“ sind. Gera­de die Ampel-Meta­pher redu­ziert die Infor­ma­ti­on m. E. in zwei­er­lei Hin­sicht gera­de­zu „bru­tal“:

Die Ampel-Meta­pher geeig­net zu „erwei­tern“, erscheint mir nicht ein­fach – eine m. E. nicht im Über­maß redu­zier­te Dar­stel­lung müss­te also anders als eine ein­fa­che Ampel allen drei Dimen­sio­nen (rela­tiv oder abso­lut) mög­lichst sogar quan­ti­ta­tiv Rech­nung tragen:

Kri­ti­siert man den gerin­gen Infor­ma­ti­ons­ge­halt von Prä­sen­ta­ti­ons-Foli­en, wird häu­fig ent­geg­net, dass die feh­len­den Details ja „auf der Ton­spur“ über­mit­telt wür­den. Das mag zwar sein – gilt aber nur für das eigent­li­che Mee­ting: In vie­len Orga­ni­sa­tio­nen ist es üblich, die Foli­en im Anschluss an die Bespre­chung an alle ein­ge­la­de­nen Teil­neh­mer zu ver­schi­cken – also auch an die­je­ni­gen, die dem Mee­ting mehr oder min­der ange­kün­digt fern­ge­blie­ben sind. Oft genug sind das die eigent­lich ent­schei­den­den Men­schen – die „Ent­schei­der“ –, die sich nun ohne die „Ton­spur“ auf­grund von roten, gel­ben und grü­nen Ampeln eine Mei­nung bil­den und womög­lich auf die­ser Grund­la­ge Ent­schei­dun­gen fäl­len. Vie­le Ent­schei­der begrü­ßen die­se Art der Infor­ma­ti­on sogar, kön­nen sie doch auf­grund der bis zur ver­meint­li­chen Ein­deu­tig­keit redu­zier­ten Infor­ma­ti­on ver­meint­lich ein­deu­tig ent­schei­den. Und so ist erstaun­lich häu­fig zu beob­ach­ten, wie sich sonst oft gar zum „Micro­ma­nage­ment“ nei­gen­de Füh­rungs­kräf­te mit bis zur Unkennt­lich­keit redu­zier­ten Infor­ma­tio­nen abspei­sen las­sen. Ein­fa­che Wahr­hei­ten sind in unse­rer zuneh­mend über­kom­ple­xen Welt immer gern genom­men – und viel ein­fa­cher und „ein­deu­ti­ger“ als eine Ampel geht es kaum.

Ampeln müs­sen ein­deu­tig sein – alles ande­re wäre im Stra­ßen­ver­kehr fatal. Mul­ti­di­men­sio­na­le Grö­ßen, die nicht nur drei mög­li­che Wer­te anneh­men kön­nen, auf das mit einer Ampel Dar­stell­ba­re zu redu­zie­ren, hat jedoch das Poten­ti­al, zu Infor­ma­ti­ons­lü­cken und fata­len Ent­schei­dun­gen zu führen.

Ich möch­te an die­ser Stel­le natür­lich kei­nes­falls für mit Infor­ma­ti­on über­la­de­ne Foli­en plä­die­ren (und von dem Kon­zept des Slide­docs bin ich auch nicht gera­de begeis­tert) – aber alles, was auf der Folie ist, soll­te in sich voll­stän­dig und nicht sinn­ver­zer­rend redu­ziert sein. Ist das nicht mög­lich, darf die Folie auf kei­nen Fall ohne „Ton­spur“ ver­schickt wer­den; sind vie­le wich­ti­ge Adres­sa­ten gar nicht anwe­send, soll­te eher ein schrift­li­cher Bericht ver­schickt als ein schlecht besuch­tes Mee­ting abge­hal­ten werden.

Neben­bei bemerkt: Besag­ter Sechs­jäh­ri­ger hat übri­gens neben sei­nem aus­ge­präg­ten Fai­ble für Ampeln auch auch eine Pas­si­on für Bahn­über­gän­ge, ins­be­son­de­re für ihre Schran­ken und Andre­as­kreu­ze. Im Gegen­satz zur Ampel ist mir das Andre­as­kreuz als visu­el­le Meta­pher noch in kei­ner Prä­sen­ta­ti­on begeg­net. Wür­den sich Mana­ger mit der der­sel­ben Ver­ve den meta­pho­ri­schen Schran­ken in ihrer Orga­ni­sa­ti­on wid­men, wie den Sta­tus-Ampeln ihrer Pro­jek­te – es gäbe womög­lich eine grü­ne Welle!

Fuß­no­ten:

  1.  Ana­log zu Tom DeMar­cos (<https://​sys​temsguild​.eu/​t​om-demarco>) Ansatz, dog­ma­tisch ein­ge­setz­te Metho­di­ken als „METHODIKEN“ (im Eng­li­schen: „metho­do­lo­gy“ bzw. „Metho­do­lo­gy“) zu schreiben.
  2.  Vgl. vor­ste­hen­de Fußnote.
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