Über Graphic Recording, Visual Facilitation und zweimal Sketchnotes

Auch wenn ich mit mei­nem Plä­doy­er für eine mög­lichst trenn­schar­fe und exak­te Ter­mi­no­lo­gie nicht immer auf unein­ge­schränk­te Gegen­lie­be sto­ße: Kla­re, ein­deu­ti­ge Nomen­kla­tur ist m. E. eben­so wich­tig für die sprach­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on wie erkenn­ba­res Zeich­nen in der visu­el­len Kom­mu­ni­ka­ti­on. „Äpfel und Bir­nen“ soll­ten als zwei ver­schie­de­ne Din­ge erkenn­bar sein – egal, ob in der gespro­che­nen, geschrie­be­nen oder visu­el­len Spra­che. Dem­entspre­chend stört es mich, dass inzwi­schen oft­mals alles Visu­el­le (übri­gens auch schon lan­ge Dage­we­se­nes) mit dem erst 2013 eingeführten​1 Begriff „Sketch­no­tes“ bezeich­net wird (vgl. hier) – und dass u. a. dadurch kaum noch eine kla­re Abgren­zung zu Metho­den wie dem Gra­phic bzw. Visu­al Recor­ding oder Faci­li­ta­ti­on erkenn­bar ist. Dabei unter­schei­den sich die­se Metho­den maß­geb­lich, m. E. vor allem in Ziel, Rezi­pi­en­ten („Emp­fän­ger“), Zeit­punkt der Rezep­ti­on und nicht zuletzt Hal­tung des Visua­li­sie­ren­den. Hier ein­mal ein ers­ter Ver­such einer Zusam­men­fas­sung – ohne Anspruch auf Voll­stän­dig­keit und durch­aus als Ein­la­dung zur Dis­kus­si­on zu ver­ste­hen (PDF):
Graphic Recording, Visual Facilitation und Sketchnotes

  • (*) Im Fall von Sketch­no­tes im enge­ren Sin­ne – also visu­el­len Mitschriften2 – hal­te ich es für sinn­voll, zwi­schen „Social“ Sketch­no­tes, die von vor­ne­her­ein (auch) für Drit­te erstellt wur­den und „Pri­va­te“ Sketch­no­tes, die aus­schließ­lich dem per­sön­li­chen Notie­ren die­nen, zu unter­schei­den (vgl. hier). Fer­ti­ge Sketch­no­tes wer­den aber in jedem Fall – allein schon des For­mats wegen – ex post rezi­piert, andern­falls wür­de ich von Gra­phic Recor­ding oder Visu­al Recor­ding sprechen.
  • Das For­mat selbst erscheint mir aller­dings kei­nes­falls der Unter­schied zwi­schen Sketch­no­tes und Visu­al bzw. Gra­phic Recor­ding zu sein, son­dern ledig­lich not­wen­di­ge Bedin­gung für Letz­te­res: Gra­phic Recor­ding benö­tigt zwangs­läu­fig eine gro­ße Zei­chen­flä­che – ich kann ein­fach mit einem Blatt Papier auf dem Klemm­brett, einer Sei­te in einem Notiz­buch oder einem Tablet nicht das kom­plet­te Publi­kum errei­chen. Zeich­net man auf dem Tablet und pro­ji­ziert man dabei den Zei­chen­pro­zess für alle sicht­bar, wür­de ich aller­dings wie­der von Gra­phic Recor­ding sprechen.
  • Prin­zi­pi­ell ist es durch­aus denk­bar, Gra­phic Recor­ding bewusst qua­si „im Rücken des Publi­kums“ durch­zu­füh­ren und erst das Ergeb­nis ex post zu zei­gen. Die Abgren­zung zu Sketch­no­tes wird in die­sem Fall durch den dann iden­ti­schen Rezep­ti­ons-Zeit­punkt erstaun­lich schwie­rig. Ich wür­de dazu nei­gen, hier auf­grund des Rezi­pi­en­ten zu unter­schei­den: Gra­phic Recor­ding rich­tet sich i. d. R. pri­mär an das Publi­kum und nur optio­nal und meist sekun­där an die „brei­te Mas­se“ über Social Media – wohin­ge­gen nicht-„private“, „social“ Sketch­no­tes genau dort ihre Betrach­ter finden.
  • Sowohl Gra­phic Recor­ding als auch Sketch­no­tes fas­sen die Inhal­te (visu­ell und meist nicht­li­ne­ar) doku­men­tie­rend zusam­men, es wäre also m. E. nur erwar­tungs­kon­form, dies aus der mög­lichst neu­tra­len Hal­tung qua­si eines Chro­nis­ten zu tun. Sketch­no­te ich hin­ge­gen nur für mich selbst, bleibt die Fra­ge der eige­nen Hal­tung und Posi­ti­on natür­lich mir selbst überlassen.
  • Anders stellt es sich mir im Fal­le der Gra­phic bzw. Visu­al Faci­li­ta­ti­on dar: (Hof­fent­lich expli­zier­ter) Auf­trag ist es, den (Gruppen‑)​Prozess aktiv zu begleiten​3. Die Hal­tung des Durch­füh­ren­den ist also irgend­wo im Spek­trum zwi­schen „Impuls­ge­ber“ und „Mode­ra­tor“ zu ver­or­ten und neben dem eigent­li­chen „Mit-Zeich­nen“ wer­den oft spe­zi­fi­sche Krea­ti­vi­täts- oder Struk­tu­rie­rungs-Metho­den eingesetzt.
  • Die Abgren­zung zwi­schen „Recor­ding“ und „Faci­li­ta­ti­on“ kann prak­tisch durch­aus als flie­ßend erschei­nen – ich hal­te die­se bei­den Metho­den aller­dings für trenn­scharf dif­fe­ren­zier­bar. Visua­li­siert man „live“ vor dem Publi­kum („Recor­ding“) und ist die­ses nicht aus­schließ­lich pas­siv-zuhö­rend, fin­det zwar natur­ge­mäß eine mehr oder min­der star­ke und sicher­lich auch oft erwünsch­te Wech­sel­wir­kung statt, es fehlt aber etwas Ent­schei­den­des: „Faci­li­ta­ti­on“ im enge­ren Sin­ne bedarf m. E. eines expli­zi­ten Auf­trags und einer (erst aus die­sem Auf­trag resul­tie­ren­den) ent­spre­chen­den Hal­tung. Eine „Mode­ra­ti­on ohne Auf­trag“ ist zwar denk­bar, oft hilf­reich und manch­mal sogar nötig, man­gels Auf­trag wür­de ich aber tat­säch­lich nicht von „Faci­li­ta­ti­on“ oder gar „Mode­ra­ti­on“ spre­chen – und muss man ohne Auf­trag agie­ren, ist es viel­leicht sowie­so sinn­voll, das Kind nicht beim Namen zu nennen.

Ich bin wie erwähnt kei­nes­falls der Auf­fas­sung, die­ses The­ma abschlie­ßend erör­tert zu haben – ich ver­ste­he die­sen Text eher als Dis­kus­si­ons­bei­trag und bin für Ergän­zun­gen, aber auch begrün­de­ten Wider­spruch dankbar!

Fuß­no­ten:

  1.  Vgl. Goog­le Trends.
  2.  Vgl. Roh­de, Mike: Das Sketch­no­te-Hand­buch. Der illus­trier­te Leit­fa­den zum Erstel­len visu­el­ler Noti­zen. Hei­del­berg: mitp 2014, aber auch den deutsch­spra­chi­gen Wiki­pe­dia-Arti­kel oder z. B. <http://​sketch​no​tes​.de> (05.04.2018).
  3.  Vgl. Hauß­mann, Mar­tin: UZMO – Den­ken mit dem Stift: Visu­ell prä­sen­tie­ren, doku­men­tie­ren und erkun­den. Mün­chen: Red­li­ne 2014. S. 30 – 31.

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