Die Idee, mit Funktionalität schier überladenen Präsentationsprogramme1 durch ein sehr viel schlankeres Stück Software zu ersetzen, ist nicht neu. Gerade PowerPoint erfährt sehr viel Kritik – die jedoch fast immer darauf hinausläuft, Kritik am Werkzeug (der Software) zu üben, wo eigentlich Kritik an der Werkzeugnutzung und am entstandenen Werk (der Präsentation, dem Vortrag) gefragt wäre. Nichtsdestotrotz ist die Suche nach (womöglich allheilenden) „PowerPoint-Alternativen“ schon seit längerem in Mode (vgl. hier). Immer häufiger begegnen mir dabei Markdown-basierte „PowerPoint-Alternativen“2. Immerhin 40 % der zum Vorbereiten einer Präsentation aufgewendeten Zeit verbringen PowerPoint-Anwender mit dem Formatieren der Folien – diese Zeit durch Markdown weitgehend einsparen zu können, erscheint auf den ersten Blick sehr verlockend. Markdown ist zudem eine m. E. wunderbare Umsetzung der Ideen aus Allin Cotrells bekanntem Essay „Word Processors: Stupid and Inefficient“3: Der scharfen Trennung von Text-Produktion und der (typo‑)grafischen Textgestaltung4, von Inhalt und Layout5. Sich nun nicht im Dickicht der Layout-Optionen von PowerPoint zu verirren, währen man seine Präsentation inhaltlich vorbereitet, kann auf keinen Fall schlecht sein – warum also nicht Markdown?
Auf die Gefahr hin, jetzt heftige Kritik von allen Markdown-Fans zu ernten6: Markdown ist m. E. komplett ungeeignet, Präsentationen zu erstellen – aus einem ganz einfachen Grund: Präsentationen sind keine Texte. Präsentationen dienen der visuellen Untermalung und Ergänzung des gesprochen-sprachlichen Referats (vgl. hier). Textlastige Folien sind zwar sehr verbreitet, dabei aber eher hinderlich (vgl. hier) – es ist den meisten Menschen nun einmal unmöglich, gleichzeitig zu lesen und zuzuhören. Insbesondere ist die Präsentation weder ein Handout (vgl. hier) noch sollte sie dem Referenten als Teleprompter dienen. Sind die Präsentationsfolien aber hochgradig visuell, ist die grafische Gestaltung Kern der Aufgabenstellung – und eine Software, die ihren Schwerpunkt auf das Layout legt, das offenkundig richtige Werkzeug. Markdown für die Folien„gestaltung“ zu nutzen, führt fast zwangsläufig zu mit Text überladenen Folien voller „bullet points“, zu sog. Slideuments7 und damit zum „Death by PowerPoint“ – und das, ohne überhaupt PowerPoint genutzt zu haben! Die Versuchung, ein Dokument als Präsentation zu „recyceln“, ist zudem sehr groß8 – und spätestens, wenn dem Publikum der (Un‑)Konferenz der Einfachheit halber die in Folien gepresste README.md präsentiert wird9 , ist der „Death by PowerPoint“ vorprogrammiert.
Der Vorteil der Einfachheit und Schnelligkeit erscheint mir übrigens sowieso höchst fragwürdig: Wenn es wirklich darum geht, eine Präsentation möglichst einfach und schnell zu erstellen, kann sie eigentlich auch nicht so wichtig sein – und eine Präsentation, die dem Referenten nicht am Herzen liegt, wird meiner Erfahrung nach selten „gut“ i. S. von nachhaltiger Wirksamkeit.
Unbedingt ein besonders „nerdiges“ Werkzeug einsetzen zu wollen, erscheint mir nicht klüger, als „unbedingt etwas anderes als PowerPoint“ benutzen zu müssen – und wer gegen kommerzielle Software „allergisch“ ist, kann ja durchaus auch auf freie Office-Alternativen ausweichen.
Markdown sollte m. E. für das benutzt werden, wofür es gedacht ist: Für die (möglichst ablenkungsfreie) Produktion von Texten – im Falle des Präsentierens also z. B. für die Erstellung des Vortrags-Scripts10 oder vor allem des Handouts. Mit Markdown zu präsentieren erscheint mir in etwa so sinnvoll wie mit Photoshop Briefe zu schreiben.
Fußnoten:
- ↑ Lies: Das eine, extrem verbreitete, mit sehr viel Funktionalität ausgestattete Präsentationsprogramm.
- ↑ Kommerziell bspw. Deckset <http://www.decksetapp.com>, als freie Software z. B. Marp <https://yhatt.github.io/marp/> (Screenshot im Artikelbild) oder (browser-basiert) remark <http://remarkjs.com/>.
- ↑ Cotrell, Allin: „Word Processors: Stupid and Inefficient“ <http://ricardo.ecn.wfu.edu/~cottrell/wp.html> (16.03.2014). Eine deutsche Übersetzung dieses Essays findet sich unter <http://ricardo.ecn.wfu.edu/~cottrell/wp/german.html> (16.03.2014).
- ↑ Eine der Ideen Cotrells, die ich für alles andere als abwegig halte. Seine gesellschaftspolitischen Thesen erscheinen mir offen gestanden mehr als nur fragwürdig.
- ↑ Bei genauerer Betrachtung scheint mir übrigens Markdown hier sogar deutlich schärfer zu trennen als das von Cotrell vorgeschlagene TeX bzw. LaTeX.
- ↑ Ein gewisser Hang zur Dogmatik und/oder Maslows Hammer ist auch hier zu beobachten.
- ↑ Vgl. hier.
- ↑ Genau anders herum als im Falle von PowerPoint-Präsentationen: Die werden oft als Handout missbraucht; vgl. hier.
- ↑ An dieser Stelle sei auf Dirk Hauns <https://www.themobilepresenter.com> Buch „Präsentieren für Geeks“ verwiesen.
- ↑ Wobei ich persönlich hier die Referentenansicht von PowerPoint (vgl. hier und hier) präferieren würde.