„Präsentieren“ ist ja eines der Haupt-Themen dieses Blogs – umso erstaunlicher ist es, dass ich trotz vieler Artikel zum Thema „Online-Meetings“ noch keinen Artikel zum Thema „Online präsentieren“ geschrieben habe. Das hole ich hiermit nach.
Meiner persönlichen Erfahrung nach gibt es drei Hauptaspekte, denen man online (noch mehr) Aufmerksamkeit widmen sollte:
Nicht nur gegen die Wand reden
Steht man das erste Mal auf einer Bühne, die so groß und so ausgeleuchtet ist, dass man das Publikum kaum noch sieht, ist man meist erschrocken und muss sich erst mühsam an diese neue Situation gewöhnen. Online passiert das häufig auch auf kleiner Bühne: Gar nicht so selten erlebt man, dass das Online-Publikum mehr oder minder geschlossen Kamera und Mikrofon abschaltet und man gleichsam gegen eine Wand aus leeren, meist schwarzen und mit den Initialen der Zuschauer gefüllten Bildern redet – und man weiß gar nicht mehr, wer wirklich zuhört oder wer vielleicht gerade etwas völlig anderes tut, womöglich zum Kaffee kochen in der Küche ist.
Gegen dieses Problem – und nebenbei auch gegen die sehr verbreitete Zoom-Fatigue1 – hilft vor allem Interaktion mit dem Publikum. Zwischendurch Fragen zu stellen, Handzeichen geben zu lassen oder zum „Chat Storming“ (vgl. hier) aufzurufen, weckt die Zuschauer auf und macht sie zum integralen Bestandteil des Vortrags. Idealerweise verwendet man Interaktionsformate, die ein Anschalten der Kamera gleichsam erzwingen (physisch die Hand heben, Karten in die Kamera halten o. Ä., vgl. hier) – so wird die vorher schwarze Wand auf einmal zu einem sichtbaren Publikum!
Nutzt man eine Webcast2-Software, gibt es womöglich gar keine Kamerabilder der Teilnehmer, der „Rückkanal“ aus dem Publikum ist eventuell auf den Chat begrenzt. Ähnliches gilt für viele Streaming-Dienste. Selbst der Chat bietet jedoch umfangreiche Möglichkeiten der Interaktion (vgl. „Online-Moderation ohne viele Tools“).
Ist die direkte Interaktion innerhalb der verwendeten Software-Lösung (Webcast-Software bzw. Streaming) gar nicht möglich, kann man übrigens externe Werkzeuge wie Mentimeter3 nutzen, um dennoch interaktive Elemente in den Vortrag zu integrieren. Ist der Vortrag vorab aufgezeichnet, ist Interaktion naturgemäß gar nicht möglich – diesen Fall halte ich aber auch für ein völlig anderes Szenario, in dem es das Publikum weniger durch den Referenten als durch klassische filmische Mittel zu fesseln gilt.
Sofern es mit der jeweiligen Teilnehmerzahl möglich ist, würde ich der i. d. R. besseren Interaktionsmöglichkeiten wegen tatsächlich eine Videokonferenz-Software gegenüber einer Webcast- oder Streaming-Lösung präferieren – und wenn irgend möglich live vortragen.
Präsent sein
Ob virtuell oder offline: Die wahrgenommene Präsenz des Referenten gehört zu den entscheidenden Elementen einer wirksamen Präsentation – nur ist sie online deutlich schwieriger zu erzielen: Es bleibt lediglich das Kamerabild, womöglich durch die gezeigten Folien zu Briefmarkengröße verkleinert und an den Bildschirmrand gedrängt (s. u.). Dennoch kann man einiges tun, um auch virtuell präsent(er) zu wirken:
- In die Kamera schauen: Die Versuchung ist groß, auf die Videobilder der Teilnehmer oder die eigenen Folien bzw. Sprechernotizen (vgl. hier und hier) zu blicken. Deutlich mehr gefühlte Verbindung zwischen Publikum und Referenten erzielt man durch den direkten Blick in die Kamera – und ggf. durch einen möglichst geringen Abstand zwischen Kamera und Bildschirm, falls man doch auf den Bildschirm schauen muss.
- Stehend vortragen: Im Sitzen vorzutragen, ist in etwa so spannend wie eine besonders langweilige Pressekonferenz (Pressekonferenzen finden ja tatsächlich i. d. R. im Sitzen statt). Deutlich dynamischer wirkt es m. E., im Stehen zu sprechen – idealerweise in eine externe Kamera, die auf einem geeigneten Stativ montiert ist.
- Die Einstellungsgröße4 sinnvoll wählen: Referiert man im Stehen, ist vermutlich die Amerikanische Einstellungsgröße (oder vielleicht sogar fast schon eine Halbtotale ähnlich wie in vielen amerikanischen Nachrichtensendungen beim Präsentieren von Daten) sinnvoll. In beiden Fällen sind Arme und Hände sichtbar – Handgesten und die Körpersprache können so als wirksames Stilmittel eingesetzt werden. Zeigt man Folien über die Bildschirmfreigabe, empfiehlt sich allerdings eher die Halbnahe oder gar Nahe (eher sitzend), zeigt man nur zeitweise Folien, empfiehlt es sich, den Abstand zur Kamera und damit die Einstellungsgröße dynamisch anzupassen (Halbtotale ohne Folien, Halbnahe mit Folien).
Nur wirklich relevante Folien zeigen
Das große Problem vieler textlastiger PowerPoint-Präsentationen ist: Man kann nicht gleichzeitig lesen und zuhören (vgl. hier). Von diesem grundlegenden Problem vieler Präsentationen abgesehen, kann es einfach nicht sinnvoll sein, sich von wenig relevanten Folien den Platz für die eigene Präsenz am Bildschirm (s. o.) stehlen zu lassen – oder gar mit von Stichpunkten gespickten Folien die eigenen Vortragsinhalte quasi zu „spoilern“. Folien sollten also gerade online wirklich nur dann zum Einsatz kommen, wenn Sie in einer Weise inhaltlich relevant sind, die durch das gesprochene Wort nicht zu ersetzen ist – wenn sie illustrieren, nicht nur dekorieren (vgl. hier) oder einfach „weil man das so macht“ erstellt wurden. Lassen Sie sich nicht von unwichtigen Folien den Platz am Bildschirm stehlen! Zeigt man gerade keine Folie, sollte man also die Bildschirmfreigabe beenden, den eigenen Abstand zur Kamera anpassen (s. o.) und so den Platz auf den Bildschirmen des Publikums zurückerobern. Alternativ dazu kann man mit einigen Videokonferenz-Lösungen die Folien als virtuellen Hintergrund nutzen5 oder ein Bildschirmdesign ähnlich dem einer Nachrichtensendung verwenden6.
Ich würde Folien für Online-Präsentationen übrigens eher im Format 4:3 als im Format 16:9 (vgl. hier) erstellen – die meisten Bildschirme des Publikums dürften zwar inzwischen vergleichsweise breit sein, aber viele Videokonferenz-Lösungen nutzen einen Teil des Bildschirms meist am rechten Rand für Bedienelemente, die Teilnehmerliste oder den Chat – und spätestens im Falle des „Nachrichtensprecher“-Designs sind die Folien sowieso nur klein zu sehen. Zudem sollten Sie bedenken, dass ihr Publikum unter Umständen mit sehr kleinen Bilddiagonalen zuschaut – beispielsweise vom Tablet oder Mobiltelefon. Der Rat, wirklich große Schriftgrade zu verwenden (vgl. hier), gilt also für Online-Präsentationen nicht nur ebenfalls, sondern erscheint mir gar ungleich wichtiger.
Fast alles, was für „normale“ „Offline-Präsentationen“ gilt, gilt naturgemäß auch online – wie wir gesehen haben, manches Mal sogar noch mehr. In jedem Fall empfehle ich Ihnen also auch, einen Blick auf die Themenseite Präsentieren hier im Blog zu werfen.
Fußnoten:
- ↑ Vgl. bspw. <https://t2informatik.de/wissen-kompakt/zoom-fatigue/> (01.01.2021).
- ↑ Ich neige eigentlich dazu, „Webcast“ im camel case zu schreiben („WebCast“), der Duden sieht das allerdings anders; vgl. <https://www.duden.de/rechtschreibung/Webcast> (01.01.2021).
- ↑ <https://www.mentimeter.com> (01.01.2021). Vgl. bspw. <https://www.youtube.com/watch?v=INg7YGaPuoY> (01.01.2021).
- ↑ Vgl. bspw. <https://www.mebis.bayern.de/infoportal/welten/film/handwerkszeug-des-films/> (01.01.2021).
- ↑ Vgl. bspw. dieses Video von Garr Reynolds.
- ↑ Weitgehend unabhängig von der verwendeten Videokonferenz-Lösung bspw. mit der Open Broadcaster Software (OBS).