Ein einen Text oder einen Vortrag illustrierendes Bild wirkt mit dem sprachlichen Inhalt zusammen; das Visuelle ergänzt das Textuelle zu einem Gesamtwerk, idealerweise ist das Ganze i. S. Aristoteles‘ mehr (lies: wirksamer) als die Summe seiner Teile. Voraussetzung dafür ist, dass das Bild zum Text nicht nur in einem lockeren inhaltlichen Zusammenhang steht, sondern ihn (auf andere, nicht-sprachliche Weise) erläutert oder inhaltlich ergänzt1″.
Alles andere ist Dekoration.
Nun lässt sich über Geschmack bekanntlich nicht streiten – worüber sich aber diskutieren lässt, ist die Wirksamkeit des Kommunikationsdesigns. Ausgehend vom Wirksamkeits-Kriterium ist klar: Alles, was Verständnis und Erinnern der Inhalte fördert, ist gut und sinnvoll – und alles, was ablenken könnte oder „nur Platz kostet“, ist eher störend als hilfreich. Vieles, womit beispielsweise (wie in dem eingangs erwähnten Tweet) Artikel auf Nachrichtenwebsites dekoriert sind, ist also nicht nur wirkungslos und nimmt (in Zeiten mobiler Endgeräte oft sehr knappen) Platz weg, sondern hat zumindest das Potential, abzulenken – und spätestens, wenn das Bild in der Bildunterschrift als „Sinnbild“ gekennzeichnet ist, ist klar: Das Bild erfüllt keinen inhaltlichen Zweck, sondern musste dem Text hinzugefügt werden – sei es, weil das Layout oder der Geschmack des Chefredakteurs dies vorgaben oder einfach nur, „weil man das so macht“. Und so klafft Bernward Wembers Ton- bzw. Text-Bild-Schere weit auf – selbst, falls es nicht zu einer „Überlastung“ des Rezipienten kommt: Wirksam ist eine solche Text-Bild-Kombination keinesfalls.
Vergleichbares lässt sich im Falle von (PowerPoint‑)Präsentationen beobachten: Als sei auf jeder Folie ein Bild quasi vorgeschrieben, wird oft sog. „Clipart“ mehr oder minder passend über die eigentlich schon fertiggestellte Präsentation gestreut (vgl. hier) – im besten Fall eine halbwegs passende Dekoration, aber nur selten eine hilfreiche Illustration. Die eigentlichen (Vortrags‑)Inhalte drohen unweigerlich im „Sumpf schlechter Ornamentierung“ gleichsam zu versinken.
Aufgrund der Annahme, das Visuelle sei per se gut, fragen sich viele Menschen nach Erstellen eines Textes oder einer Folie, wie denn der Inhalt noch visuell quasi „gewürzt“ werden könnte. Ich halte das für gefährlich: Nicht alles muss visuell ergänzt werden – und in den naheliegenden Fällen drängt sich die Visualisierungs-Idee meist förmlich auf. Gerade im Falle von Präsentationsfolien sollte man m. E. oftmals innehalten und sich fragen: Dekoriere oder illustriere ich gerade? Und falls ich dekoriere: Muss das sein oder könnte es stören?
Nun ist natürlich nicht jede Dekoration störend und die gefällige Gestaltung eines Dokuments kann sicherlich ähnlich einem schön angerichteten Essen den Appetit noch steigern oder den Textkonsum durch optische Gliederung (wie potentiell im Falle einer Initiale oder einer Vignette) vereinfachen. Dennoch – für das Dekorieren gilt sicherlich „weniger ist mehr“. Das Wichtigste ist m. E. aber, Illustration und Dekoration nicht zu verwechseln – denn vor allem dadurch entsteht nach meinem Eindruck schnell „zu viel des Guten“.
Footnotes:
- ↑ Wie beispielsweise die beiden Wörterbuchauszüge, die diesen Text quasi um eine etymologische „Anmerkung“ ergänzen.