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Inspiratives

Tim Themann

So sehr ich das Visu­el­le in der Kom­mu­ni­ka­ti­on lie­be, so sehr has­se ich den über­mä­ßi­gen und unge­ziel­ten Ein­satz von Clip­art. Ist eine gute Visua­li­sie­rung qua­si visu­el­le Prosa1, grenzt der Ein­satz von Clip­art oft­mals an visu­el­le Logor­rhoeVer­meint­lich pas­sen­de Clip­art wird oft nach­träg­lich über den inhalt­lich bereits fer­ti­gen Foli­en­satz „gestreut“ – ganz so, als müs­se jede Folie min­des­tens eine visu­el­le Dar­stel­lung ent­hal­ten. Im Ergeb­nis ver­sinkt häu­fig jed­we­de Klar­heit im Clip­art-Sumpf der schlech­ten Orna­men­tie­rung.

Ursa­che die­ser infla­tio­nä­ren Ver­wen­dung mehr oder min­der (un)passender Illus­tra­tio­nen ist mei­nes Erach­tens vor allem deren ein­fa­che Ver­füg­bar­keit: Prak­tisch jede übli­che Prä­sen­ta­ti­ons­soft­ware bringt einen schier uner­schöpf­li­chen (aber meist schlecht sor­tier­ten) Fun­dus an Clip­art mit, aus dem auf ein­fachs­te Wei­se mehr oder min­der gezielt aus­ge­wählt und in die Prä­sen­ta­ti­on ein­ge­fügt wer­den kann. Dies (im Inter­es­se der eigent­li­chen Inhal­te) nicht zu tun, gilt womög­lich gar als wenig bemüht, als unengagiert.

Völ­lig anders ist die Lage an Flip­chart und White­board: Der Fun­dus an Illus­tra­tio­nen beschränkt sich hier auf das, was die Krea­ti­vi­tät und das zeich­ne­ri­sche Talent des Visua­li­sie­ren­den her­gibt – und das ist oft ent­täu­schend wenig. Illus­trie­ren ist auf ein­mal har­te Arbeit: Es gilt, selbst auf eine Idee zu kom­men und die­se dann auch noch erkenn­bar und mög­lichst „hübsch“ mit den eige­nen Hän­den zu zeich­nen. „Öffent­lich“ zu zeich­nen kos­tet zudem vie­le Men­schen (ähn­lich wie beim öffent­li­chen Sin­gen) Über­win­dung. Infla­tio­nä­re Ver­wen­dung von Illus­tra­tio­nen ist so nahe­zu aus­ge­schlos­sen; es wird eher zu wenig als zu viel illus­triert. Neben Mut ist vor allem Inspi­ra­ti­on gefragt – zu fin­den zum Bei­spiel in Büchern​2 und neu­er­dings mit Rocket­pics auch in einer App für das Apple iPhone.

Rocket­pics (alle Abbil­dun­gen mit freund­li­cher Geneh­mi­gung © rocket​pics​.net) bie­tet der­zeit über 1.300 Visua­li­sie­run­gen in sie­ben unter­schied­li­chen Kate­go­rien. Die Bil­der sind ver­schlag­wor­tet und ein­fach durch­such­bar – eine sehr inspi­ra­ti­ve Bild­da­ten­bank für die Hosentasche!

Die Zeich­nun­gen in Rocket­pics sind in einer Wei­se gestal­tet, die mit den Mit­teln von Flip­chart und White­board pro­blem­los umsetz­bar ist. Die Kom­ple­xi­tät der Visua­li­sie­run­gen vari­iert aller­dings; nicht alles ist für einen unbe­gab­ten Zeich­ner auf Anhieb umsetz­bar (rechts) oder bedarf mei­nes Erach­tens einer wei­te­ren Ver­ein­fa­chung, um aus dem Steg­reif nutz­bar zu sein:

Obwohl die Aus­wahl mei­ner Bei­spie­le etwas ande­res suggeriert​3: Rocket­pics ist ver­gleichs­wei­se wenig IT-las­tig – gut erkenn­bar an den oben abge­bil­de­ten Kate­go­rien. Mei­nes Erach­tens ist dies den­noch genau rich­tig: Geht man offe­nen Auges durch die Welt (der IT), ist Inspi­ra­ti­on alles ande­re als Mangelware​4. Inspi­ra­ti­on ist nach mei­ner Erfah­rung vor allem für alles rechts und links von der IT gefragt, für alles, wofür noch kei­ne bran­chen­weit eta­blier­te visu­el­le Meta­pher exis­tiert – und eben die­se Inspi­ra­ti­on bie­tet Rocketpics.

Sehr schön gelun­gen fin­de ich die Ver­schlag­wor­tung: Dadurch, dass die Schlag­wor­te auch mit dem jewei­li­gen Bild dar­ge­stellt wer­den, wird qua­si ein Wort­feld auf­ge­spannt, das (unab­hän­gig vom eigent­li­chen Bild) schon sehr hilf­reich bei der wei­te­ren Suche – auch außer­halb der App – sein kann.

Ver­sucht man, eine neue Spra­che zu ler­nen, lernt man nach mei­ner Erfah­rung zuerst die Sub­stan­ti­ve: Um z. B. die Bezeich­nun­gen für Nah­rungs­mit­tel zu ler­nen, reicht es aus, auf­merk­sam Schil­der lesend durch einen Super­markt zu gehen. Ver­ben und Adjek­ti­ve („bra­ten“, „bit­ter“) wird man auf die­se Wei­se jedoch deut­lich lang­sa­mer ler­nen. Ähn­lich ist es mit visu­el­len Wor­ten: Ein Ding oder auch eine – gera­de in Bezug auf IT meist schon vor­han­de­ne und eta­blier­te – Meta­pher für weni­ger Ding­li­ches ein­fach nur „abzu­bil­den“​5, ist viel ein­fa­cher, als eine Hand­lung oder eine Eigen­schaft klar und ein­deu­tig erkenn­bar zu visua­li­sie­ren. Hier ist also beson­ders viel Inspi­ra­ti­on gefragt – die Rocket­pics (wenn auch in klei­ne­rem Umfang als im Fal­le von „visu­el­len Sub­stan­ti­ven“) durch­aus liefert:

Als Quel­le für (gezielt und nicht infla­tio­när! – s. o.) in Prä­sen­ta­tio­nen ver­wend­ba­re Clip­art wür­de ich per­sön­lich Rocket­pics übri­gens eher nicht nut­zen – der doch sehr an Flip­chart-Zeich­nun­gen erin­nern­de Stil erscheint mir in die­sem Kon­text wenig passend.

Rocket­pics bie­tet mei­nes Erach­tens eine gut nutz­ba­re und im Gegen­satz zu ein­schlä­gi­gen Büchern mit exakt 0 g sehr leich­te (!) Inspi­ra­ti­ons­quel­le für das Visua­li­sie­ren an Flip­chart und White­board. Vie­le der Visua­li­sie­run­gen sind auch von weni­ger begab­ten Zeich­nern nutz­bar, ande­re bie­ten min­des­tens Inspi­ra­ti­on und vor allem auch Anreiz zum Üben. Das wenig IT-las­ti­ge „Voka­bu­lar“ stört mich wenig; die Bild­spra­che der IT ist größ­ten­teils eta­bliert (vgl. z. B. das „Lexi­kon“ unter „Down­loads zum Buch“) – Inspi­ra­ti­on benö­ti­ge ich für alles Übrige!

Auf den ers­ten Blick irri­tie­rend wirkt der ver­hält­nis­mä­ßig hohe Preis von Rocket­pics, der sich deut­lich von den meis­ten ande­ren Ange­bo­ten im App­S­to­re abhebt. Denkt man einen Moment län­ger dar­über nach, fällt jedoch auf, dass ver­gleich­ba­re Bücher (z. B. der sehr emp­feh­lens­wer­te Bika­blo von Neu­land) kei­nes­falls preis­wer­ter sind. Mir ist wenig ein­sich­tig, war­um man für eine App, die deut­lich ein­fa­cher durch­such­bar als ein phy­si­sches Buch und damit sehr viel prak­ti­ka­bler ist, weni­ger zah­len sollte.

Foot­no­tes:

  1.  Gleich­sam als Abgren­zung gegen die Lyrik eines bil­den­den Künstlers.
  2.  Zum Bei­spiel der Bika­blo von Neu­land.
  3.  Das Visua­li­sie­ren von IT-Infra­struk­tu­ren ist nun ein­mal mein Thema.
  4.  Ein kur­zer Blick in Micro­soft Visio reicht – oder natür­lich ein (womög­lich län­ge­rer) Blick in die Computermaler.
  5.  Also eine Iko­ne im semio­ti­schen Sin­ne zu zeichnen.
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