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Guter Vortrag – trotz der Slides (Teil 3)

Tim Themann

Handouts – der Epitext der Präsentation?

Neben dem eigent­li­chen Vor­trag und der dazu­ge­hö­ri­gen Prä­sen­ta­ti­on exis­tiert häu­fig qua­si epi­tex­tu­ell noch das sog. Hand­out – heut­zu­ta­ge in aller Regel wenig „hand­lich“, son­dern digi­tal als im Ori­gi­nal oder als unver­än­der­li­che PDF wei­ter­ge­ge­be­ne Datei. Die Ent­wick­lung zum Digi­ta­len hat hier vor allem einen Vor­teil: Sie spart Papier.

Die Unsit­te, die Slides dem Publi­kum bereits zu Beginn des Vor­trags aus­ge­druckt zur Ver­fü­gung zu stel­len, ist vor allem eines: eine mas­si­ve Ver­stär­kung des „gleich­zei­tig lesen und zuhören“-Problems. Wirk­lich hilf­reich waren die­se Hand­outs mei­nes Erach­tens nie: Men­schen, die in Vor­trä­gen tat­säch­lich mit­schrei­ben, tun dies auf eine indi­vi­du­ell ver­schie­de­ne, sehr spe­zi­fi­sche Weise​1. Die­sen Men­schen ist mit vor­ab gedruck­ten Foli­en mit spär­lich reser­vier­tem Platz für Noti­zen kaum gehol­fen. Die gro­ße Mehr­heit der Men­schen, die nicht mit­schrei­ben, wird durch Hand­outs eben­falls kei­nes­falls dazu ani­miert – im Gegen­teil: Was gäbe es aus ihrer Sicht denn noch mit­zu­schrei­ben, wenn bereits alles aus­ge­druckt ist?! Außer der Papier‑, Dru­cker- und Toner-Indus­trie pro­fi­tiert also in den meis­ten Fäl­len prak­tisch nie­mand von einem gedruck­ten Handout.

Inter­es­san­ter­wei­se sieht es für die digi­tal nach der Ver­an­stal­tung ver­sand­ten Prä­sen­ta­tio­nen kaum bes­ser aus: Habe ich nicht doch (hof­fent­lich ver­se­hent­lich) Slideu­ments erstellt, sind die Foli­en bereits eini­ge Tage spä­ter ohne die „Ton­spur“ in der Regel kaum ver­ständ­lich oder schlimms­ten­falls gar miss­ver­ständ­lich. Die Slides digi­tal zu ver­sen­den ist also in der Regel nur sinn­voll, wenn man aus gutem Grund möch­te, dass die Slides beim Publi­kum in repro­du­zier­ba­rer Form vor­lie­gen – z. B., weil man das Publi­kum als poten­ti­el­len Mul­ti­pli­ka­tor betrach­tet, der die Vor­trags­in­hal­te wei­ter­trägt und die Foli­en dafür ganz oder teil­wei­se „recy­cled“. In Wirk­lich­keit aber wer­den die meis­ten Prä­sen­ta­tio­nen vor allem des­we­gen wei­ter­ge­ge­ben, weil es schlicht­weg als selbst­ver­ständ­lich gilt – und expli­zit danach gefragt wird.

In der Wahr­neh­mung der Men­schen sind die Slides eben nicht para­tex­tu­ell, son­dern neh­men tat­säch­lich inzwi­schen den Stel­len­wert eines „Power­Point-Zen­tral­tex­tes“​2 ein – anders ist letzt­lich auch der Erfolg von Diens­ten wie SlideSha­re (<http://​www​.slidesha​re​.net/>) kaum zu erklä­ren. Manch­mal wer­de ich doch kul­tur­pes­si­mis­tisch: Die Wei­ter­ga­be von in leicht ver­dau­li­che Foli­en-Häpp­chen gequan­tel­ten tex­tu­el­len oder visu­el­len Infor­ma­ti­ons-Bro­cken wird hier gleich­ge­setzt mit einem ech­ten Wis­sens­trans­fer. Frü­her beschlich mich gera­de beim Besuch geis­tes­wis­sen­schaft­li­cher Biblio­the­ken oft­mals der Ein­druck, Stu­die­ren bestün­de mehr aus Kopie­ren denn aus Lesen; ein Inhalt schien erst in kopiert als wirk­lich rezep­tiert betrach­tet. Die Kopier­wut der Acht­zi­ger und Neun­zi­ger hat in den am Ende doch nur Prä­sen­ta­ti­ons­da­tei­en ver­tei­len­den „Lern­platt­for­men“ ihren wür­di­gen Nach­fol­ger gefunden.

Was also tun, um die Vor­trags­in­hal­te auch für die­je­ni­gen Zuhö­rer zu kon­ser­vie­ren, die sich nicht selbst­ver­ant­wort­lich durch eine eige­ne Mit­schrift dar­um küm­mern? Nahe­lie­gend erschei­nen mir zwei Möglichkeiten:

Das „Ver­to­nen“ der Prä­sen­ta­ti­on wird von den meis­ten Soft­ware­pro­duk­ten inzwi­schen direkt unter­stützt und die mul­ti­me­dia­le Aus­stat­tung moder­ner Arbeits­plät­ze redu­ziert die tech­ni­schen Hür­den erheb­lich. Der Vor­gang des „Ver­to­nens“ kann sogar Bestand­teil der eigent­li­chen Text­fin­dung (elo­cu­tio) und der Ein­übung (memo­ria) wer­den.

Ähn­lich vor­teil­haft lässt sich die Video-Auf­zeich­nung nut­zen – prak­tisch jeder, der sich selbst schon ein­mal beim Vor­trag beob­ach­tet hat, wird es bestä­ti­gen kön­nen: Die kri­ti­sche Selbst­be­trach­tung ermög­licht unge­ahn­te Ver­bes­se­run­gen min­des­tens des Vor­trags­stils. Der scho­nungs­lo­se Blick auf das Selbst mit Hil­fe der „Augen“ der Kame­ra ermög­licht zumin­dest einen klei­nen Ein­druck davon, was hin­ter dem blin­den Fleck des Joh­a­ri-Fens­ters lau­ern mag – meist viel weni­ger Schlim­mes, als die eige­ne Kame­ra-Angst zuvor ver­mu­ten ließ. Hat man sich erst ein­mal zur Video-Auf­zeich­nung über­wun­den (und mit dem Ergeb­nis wohl­wol­lend-selbst­wert­schät­zend abge­fun­den), steht einer Ver­öf­fent­li­chung auf ein­schlä­gi­gen Video-Platt­for­men zumin­dest tech­nisch nichts im Wege. Dies ist die sicher­lich effek­tivs­te Metho­de, die Inhal­te des Vor­trags nicht nur für das Publi­kum zu kon­ser­vie­ren, son­dern sogar sinn­voll einem brei­te­ren Publi­kum zugäng­lich zu machen.

Der vier­te Teil die­ser Rei­he wid­met sich dem Visu­el­len – dem eigent­li­chen Folien-Design.

Foot­no­tes:

  1.  Vgl. z. B. <http://​the​dood​le​re​vo​lu​ti​on​.com>, aber auch ganz klas­sisch z. B. Cor­nell Notes.
  2.  Vgl. Joa­chim Kna­pe, Power­point in rhe­to­rik­t­hero­re­ti­scher Sicht, 2007 In: Schnett­ler, Bernt; Knob­lauch, Hubert (Hrsg.), Power­point-Prä­sen­ta­tio­nen. Neue For­men der gesell­schaft­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­on von Wis­sen. UVK Ver­lags­ge­sell­schaft. Kon­stanz: 2007. S. 53 – 66.
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