Abseitiges, so versprach ich in meinem Jubiläums-Artikel, werde in diesem Blog künftig zugunsten von Konkret-Praktischem in den Hintergrund treten – ganz vermeiden kann ich es aber offenkundig nicht. Und so fühle ich mich geradezu gezwungen, meinen recht praxisnahen Artikel zum „ ‚Ampel-Fetisch‘ im ProjektMANAGEMENT“ noch um ein paar etwas weniger praxisrelevante Anmerkungen zu ergänzen:
„5.473 […] Ein mögliches [Herv. i. O.] Zeichen muss auch bezeichnen können. […]“1
Unsere Prägung manifestiert sich in der Ampel, aber auch auf andere Weise: So skeptisch ich gegenüber allen Annahmen zu einer universellen Farbsemiotik oder gar ‑psychologie bin – die Symbole „Rot“ und „Grün“ haben tatsächlich eine recht einheitliche semantische Zuschreibung: Rot ist die Farbe von Feuer und Blut – warnt und stoppt. Grün hingegen ist die Farbe des Chlorophylls – des Lebens und Wachstums.
Das Aufeinandertreffen dieser nahezu universellen Assoziationen mit unserer kulturell-religiös geprägten Präferenz für Dualismen ist es, was die Ampel zu einer so attraktiven Metapher macht.
Und doch ist es das Gelb, das unsere eigentliche Aufmerksamkeit verdient – der Übergang, das Unklare, das Chaos. Wunderbar illustriert dies m. E. die Bildsprache eines mehr als 500 Jahre alten Bildes – Hieronymus Boschs „Heuwagen“:
Gemalt im Übergang vom Mittelalter mit seinem fest gefassten Weltbild zur Renaissance und dem Zeitalter der Aufklärung – zur (Wieder‑)Belebung der kritischen Reflexion ob einer auf einmal als viel weniger einfach wahrgenommenen Welt –, nehmen die drei Teile des berühmten Triptychons die immense Bedeutung des metaphorischen Ampel-Gelbs quasi vorweg:
Jetzt wird auch deutlich, warum die Ampel-Metapher so wenig hilfreich ist: Die Ampel ist eigentlich immer gelb. Grün ist die Fiktion des Plans; Rot fast schon der Abbruch. Dennoch: So wenig das Gelb des Ampel-Status‘ uns über den wahren Zustand z. B. eines Projektes verrät, so gering sein Aussagewert ist – das Gezänk und das Durcheinander rund um den gelben Heuwagen ist es, dem wir uns eigentlich widmen müssen. Reduzierten wir jeden Status auf die drei Farben der Ampel, es gäbe bei genauerer Betrachtung ausschließlich gelbe Ampeln – und deren Bedeutung wäre lediglich, dass noch viel (Management‑)Arbeit vor uns liegt. Wir sollten uns alle einfach eine mahnende gelbe Ampel (oder besser noch Boschs Heuwagen) an die Wand hängen – und vor allem darauf verzichten, die Darstellung hochkomplexen Sachverhalte in drei Farben zu pressen.
Footnotes:
- ↑ Wittgenstein, Ludwig: Tractatus Logico-Philosophicus. 8. Aufl. London: Routledge & Kegan Paul Ltd. 1960, S. 126.
- ↑ Meines Erachtens u. a. manifest in unserer Begeisterung für monohierarchische Strukturen wie im Falle des Mindmappings, vgl. „Mindmaps – trotz Karte im eigenen Hirn verirrt?“.