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Kamishibai in der IT

Tim Themann

Ich neh­me die Men­schen im IT-Infra­struk­tur-Bereich oft­mals als in ihrer Arbeit hin- und her­ge­ris­sen wenn nicht gar zerris­sen wahr: Die meist feh­len­de kla­re Tren­nung von Betrieb und Pro­jekt ist im Tages­ge­schäft ein kaum auf­lös­ba­rer Dau­er-Kon­flikt und die Dring­lich­keit des Betriebs gewinnt meist gegen die Wich­tig­keit des Pro­jekts – der Haupt­grund, war­um mir Kan­ban als über­grei­fen­de Metho­de zur Steue­rung die­ser Arbei­ten als emp­feh­lens­wert erscheint: Kan­ban ermög­licht nicht nur das Mischen von reak­ti­ven Sup­port-Tätig­kei­ten und Pro­jekt­ar­beit, son­dern macht zudem den inhä­ren­ten Kon­flikt sicht- und damit hand­hab­bar (vgl. hier, hier und hier).

Bei genaue­rer Betrach­tung ist die obi­ge Dar­stel­lung aller­dings zu kurz gegrif­fen, sind der Kon­flikt und die zur Ver­fü­gung ste­hen­de Zeit kom­ple­xer: Die Men­schen in der IT sind prak­tisch eigent­lich nicht zwei‑, son­dern viel­mehr dreigeteilt. Was ich dem Admi­nis­tra­tor oben lapi­dar als „Betrieb“ auf den Arm geschrie­ben habe, besteht in Wirk­lich­keit aus zwei eben­falls um die knap­pe Zeit kon­kur­rie­ren­den Tei­len: (reak­ti­vem) Sup­port und (pro­ak­ti­ver) War­tung – und auch hier gewinnt meist wie­der [gefühl­te] Dring­lich­keit (Sup­port) gegen­über Wich­tig­keit (War­tung). Im Ergeb­nis befin­den sich vie­le IT-Abtei­lun­gen in einem dop­pel­ten Teu­fels­kreis, der in Bezug auf die Qua­li­tät der IT-Ser­vices den Cha­rak­ter einer Abwärts­spi­ra­le anneh­men kann:

Spä­tes­tens seit Fred Brooks wis­sen wir: Es gibt nicht die „Sil­ver Bul­let“ – die sin­gu­lä­re Lösung all unse­rer (Produktivitäts‑)​Probleme. Und so löst auch Kan­ban nur bedingt die­sen zwei­ten Kon­flikt, ist nur begrenzt geeig­net, sich wie­der­ho­len­de (Wartungs‑)​Arbeit zu mana­gen. Schaut man sich aber im Kon­text des TPS – von dort kom­men ja letzt­lich vie­le der Ideen von Kanban​1 – um, so fin­det sich dort ein in Metho­dik und zugrun­de lie­gen­der Hal­tung wun­der­bar „kom­pa­ti­bler“ Ansatz, der Kan­ban um sich wie­der­ho­len­de Wartungstätigkeiten​2 ergän­zen kann: Kami­shi­bai (紙芝居)3

Auf einem Kami­shi­bai-Board fin­den sich zwar eben­so wie auf einem Kan­ban-Board Kar­ten, die Arbeit reprä­sen­tie­ren, es gibt aber eini­ge sehr ent­schei­den­de Unter­schie­de in der Handhabung:

Nahe­lie­gend erscheint, den kri­ti­schen Blick auf das Kami­shi­bai-Board zum fes­ten Bestand­teil vor­han­de­ner Jour Fixes („Kaden­zen“)​6 zu machen. Zumin­dest aber soll­te ein von kon­ti­nu­ier­li­cher Ver­bes­se­rung gepräg­ter Blick auf das Board zu Beginn oder Ende des jewei­li­gen „Tak­tes“​7 erfol­gen – ein blo­ßes Zurück­set­zen aller Kar­ten auf „rot“ bzw. „unbe­ar­bei­tet“ wür­de der Idee von Kan­ban und ins­be­son­de­re Kai­zen bzw. inspect and adopt sicher­lich nicht gerecht.

Fuß­no­ten:

  1.  Ja, ich ver­mei­de gera­de das Buz­zword „Lean“.
  2.  Sicher­lich kann man auch auf Kan­ban-Boards sich wie­der­ho­len­de Tätig­kei­ten model­lie­ren (und vie­le Soft­ware­pro­duk­te unter­stüt­zen das sogar). Mir erscheint das aller­dings meist dem Ansatz und der Visua­li­sie­rung eher müh­sam „über­ge­stülpt“ – es passt gut für die ein­zel­ne Aus­füh­rung der Tätig­keit (die fügt sich in den Fluss ein), nicht aber für das „da capo“ – Wie­der­ho­lung ist ein­fach etwas ande­res als Fluss. Soft­ware model­liert das meist als „es wird auto­ma­tisch eine ‚fri­sche‘ Ticket-Kopie erzeugt, sobald das Ticket fer­tig ist“ oder als „das Ticket wan­dert auto­ma­tisch zurück, sobald es fer­tig ist“. Bei­des bil­det zwar den Fluss der Arbeit ab, ver­schafft aber kei­nen kon­so­li­dier­ten Über­blick über alle War­tungs­auf­ga­ben und deren Sta­tus und unter­stützt kein spe­zi­fisch auf War­tung aus­ge­rich­te­tes Kai­zen.
  3.  Zu Kami­shi­bai im Kon­text des TPS vgl. bspw. <https://​blog​.gem​baa​ca​de​my​.com/​2​0​0​6​/​1​1​/​2​1​/​w​h​a​t​_​i​s​_​a​_​k​amishibai/> (27.01.2020), archi­viert am 27.01.2020 unter <https://web.archive.org/web/20200127195215/https://blog.gembaacademy.com/2006/11/21/what_is_a_kamishibai/>. Eine Imple­men­tie­rung in der IT mit­tels eines spe­zi­ell dafür ange­fer­tig­ten Boards fin­det sich im sehr sehens­wer­ten „LEANability“-Videoblog-Beitrag „Lean Busi­ness Agi­li­ty E018: Kami­shi­bai“ unter <https://​www​.leana​bi​li​ty​.com/​d​e​/​v​i​d​e​o​-​b​l​o​g​/​2​0​1​7​/​0​9​/​l​e​a​n​-​b​u​s​i​n​e​s​s​-​a​g​i​l​i​t​y​-​e​0​1​8​-​k​amishibai/> (27.01.2020). Ursprüng­lich bezeich­net „Kami­shi­bai“ übri­gens eine japa­ni­sche Form des Papier­thea­ters – eine bild­ge­stütz­te Erzähl­tech­nik, bei der im Lau­fe der Erzäh­lung ver­schie­de­ne Bild­kar­ten in einen die Büh­ne bil­den­den Holz­rah­men gescho­ben werden.
  4.  Alter­na­tiv dazu könn­te man mit­tels meh­re­rer hin­ter­ein­an­der ein­ge­steck­ter Kar­ten, von denen immer die­je­ni­ge in der gera­de aktu­el­len Far­be sicht­bar ist, kom­ple­xe­re Sta­tus ermög­li­chen – bspw. ana­log zu den Far­ben von „Par­king Lot Charts.“ „Grün-Rot-Male­rei“ erscheint mir i. S. von Schwarz-Weiß-Male­rei häu­fig als zu stark ver­ein­fa­chend (vgl. hier und hier).
  5.  Damit wird das Kami­shi­bai tat­säch­lich zu einem voll­um­fäng­li­chen Kaizen-Werkzeug.
  6.  Um nicht von „dai­ly stan­dups“ zu sprechen.
  7.  Also poten­ti­ell täglich!
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