Whiteboard und Flipchart sind so alt, dass ihre jeweilige Erfindungsgeschichte1 erstaunlich unklar ist. Als innovativ gelten diese Visualisierungswerkzeuge schon längst nicht mehr – auch, wenn es im Rahmen der einen oder anderen „Wiederentdeckung“ gern so dargestellt wird. Dennoch gibt es auch hier Innovation (und ich meine nicht die digitale) – selbst nach all den Jahren ist Verbesserung möglich. Zweien dieser Innovationen widmet sich dieser Artikel2.
Zeichnen, zeichnen, zeichnen – ohne, dass die Tinte ausgeht
Schreibt oder zeichnet man am Whiteboard, wird der Stift dabei meist in einem für längeren Einsatz eigentlich vollkommen ungeeigneten Winkel gehalten: Er wird typischerweise in einer mehr oder minder stark nach oben zeigenden Position benutzt, die Spitze des Stiftes ist praktisch immer der höchste Punkt. Das Gravitationsfeld unseres Planeten arbeitet so gegen den Tintenfluss; die Tinte fließt nicht nach, die Farbe deckt im Laufe des Schreib- oder Zeichenvorgangs zunehmend weniger. Dieser Effekt ist nach meiner Erfahrung am Whiteboard viel stärker als am Flipchart – ein Whiteboard nimmt im Gegensatz zum Flipchart-Papier die Farbe nicht quasi „saugend“ auf und die Partikel-basierte Tinte eines Whiteboard-Stiftes ist vermutlich auch deutlich weniger geneigt, sich durch die Filzspitze zu bewegen als die Farb-basierte Tinte eines Flipchart-Stifts. Diesem Effekt wirkt der „Maxiflo“ von Pentel3 entgegen: Das Innere des Stiftes enthält nicht einen mit Tinte getränkten Filz-Tampon, sondern die Tinte befindet sich in einer Art Tank, der über eine Pump-Mechanik verfügt. Diese wird aktiviert, indem die Kappe des Stiftes auf das Ende gesteckt und mehrfach gedrückt wird – die Filz-Spitze ist wieder mit Tinte getränkt und es kann weiter mit voller Deckkraft geschrieben bzw. gezeichnet werden.
Da ich viel auf „fremden“, oftmals schlecht gepflegten Whiteboards visualisiere, fällt mir noch eine andere Eigenschaft des „Maxiflo“ auf: Die Tinte ist extrem gut abwischbar – gerade ein schlecht gepflegtes Whiteboard ist da, wo zuvor Tinte war, nach dem Wischen meist sauberer als zuvor.
Die Tatsache, dass der „Maxiflo“ nicht nachfüllbar ist, halte ich vor dem Hintergrund der offensichtlichen Vorteile für verkraftbar – meines Erachtens ist das Nachfüllen von Stiften sowieso nur dann sinnvoll, wenn auch die Filz-Spitze austauschbar ist – auch diese nutzt schnell ab, wird weich und führt gerade bei Stiften mit Keilspitze zu einem unscharfen Schriftbild.
Theoretisch ist der „Maxiflo“ übrigens auch mit Keilspitze verfügbar – gerade für Flipchart-Stifte alles andere als selbstverständlich. Praktisch findet man ihn selbst in spezialisierten Online-Shops fast nur mit Rundspitze. Das ist wirklich schade, ist doch die Keilspitze eine fast schon zwingende Vorausetzung für sauberer Schrift – vor allem am dem Stift wenig Widerstand entgegensetzenden Whiteboard (vgl. „Guter Vorsatz: Moderationsschrift lernen und üben“).
Wirklich spontan am Whiteboard – mit sauberen Fingern
Größere Visualisierungs-„Sitzungen“ enden oft am Waschbecken in dem verzweifelten Versuch, irgendwie die Hände wieder sauber zu bekommen4. Lassen sich die Kappen sehr großer Marker noch mit dem Daumen seitlich vom Stift „brechen“, müssen die Kappen normaler Marker abgezogen werden – im Eifer des Gefechts fast schon ein Garant für Stiftspuren auf den Händen. Dieses (sicherlich auch durch Vorsicht und eine hinreichend gute Feinmotorik vermeidbare) Problem umgehen Stifte mit einer Druckmechanik ähnlich der von Kugelschreibern.
Sowohl Pentel als auch Edding5 bieten entsprechende Modelle an:
- Edding bzw. Legamaster mit dem „retract“ als Whiteboard- und Permanent-Marker mit Rundspitze
- Pentel mit dem
„Retractable“ Permanent-Marker– leider nicht als Whiteboard-Marker, dafür aber auch mit Keilspitze (!)
Update 21.03.2017: Dieser Marker ist auf der Website von Pentel im Moment nicht mehr auffindbar, zudem finden sich dort Marker mit Druckmechanik leider nur noch mit Rundspitze.
Gerade am Flipchart6 erscheint diese Innovation wirklich sinnvoll; saubere Hände lassen den Abschieds-Händedruck nach einem produktiven Meeting einfach viel würdevoller erscheinen.
Es mag vor dem Hintergrund der langen Geschichte von Whiteboard und Flipchart erstaunen: Echte und sinnvolle Innovation ist (immer noch) möglich7.
Quellen der verwendeten Bilder: Pentel Bürobedarf-Handelsges. mbH und Edding Aktiengesellschaft/Legamaster.
Footnotes:
- ↑ Zur Geschichte des Whiteboards vgl. den leider gar keine relevanten Quellen zitierenden Artikel unter <http://www.whiteyboard.com/history-of-whiteboards.html> (06.11.2013, archiviert am 06.12.2013 unter <http://www.webcitation.org/6KvvYDuIf>). Eine schöne kritische Zusammenfassung der verschiedenen nur mäßig belegten Aussagen zur Geschichte des Flipcharts findet sich unter <http://joyfulpublicspeaking.blogspot.de/2012/05/who-invented-flip-chart.html> (06.11.2013, archiviert am 06.11.2013 unter <http://www.webcitation.org/6KvvimBiX>). Der Versuch einer sauber belegten Geschichte der (farbigen) Tafelkreide und eine kritische Auseinandersetzung mit der (unklaren) Geschichte der Schultafel finden sich unter „Die Erfindung der Tafelkreide“.
- ↑ Es existiert noch vieles andere mir bekannte und sicherlich auch mir (noch) nicht bekannte Innovative in diesem Bereich – ich bin für jeden Hinweis dankbar.
- ↑ Nein, ich stehe in keiner Beziehung zu irgendeinem der erwähnten Hersteller. Ich kommentiere lediglich deren Produkte. Verrisse sind wenig konstruktiv und machen wenig Spaß – ich kommentiere also vor allem Produkte, die ich gut finde.
- ↑ Ich führe zu diesem Zweck oft einen Bimsstein mit mir.
- ↑ Und sicherlich auch noch andere Hersteller – ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit und bin für Hinweise und Erfahrungsberichte dankbar.
- ↑ Die Tinte von Flipchart-Markern ist i. d. R. im Gegensatz zur Tinte von Whiteboard-Markern nicht oder nur schwer wasserlöslich und recht hartnäckig auf der Haut.
- ↑ Und endet erstaunlicherweise in diesem Fall nicht in „Verschlimmbessernden“ wie z. B. im Artikel „Flipchart-Ergonomie“ beschrieben.