Nach den echten Innovationen für das Whiteboard folgt nun doch noch1 ein Artikel zu einer meiner Erfahrung nach echten Verschlimmbesserung: Dem (in der Regel mehr oder minder „stylischen“ und vermutlich vom Innenarchitekten ausgesuchten) Milchglas-Whiteboard.
Meine erste Begegnung mit einem Whiteboard auf Basis einer Milchglas-Scheibe begann begeistert – auf den ersten Blick ist ein solches Whiteboard nicht nur schön anzusehen, sondern wirkt vor allem innovativ: eine praktisch unzerkratzbare Oberfläche, die fast beliebigen Reinigungsmitteln standhalten dürfte – und aufgrund ihrer vergleichsweise extremen Glätte nahezu perfekt trocken zu wischen ist. Alle diese Eigenschaften sind richtig – und doch gibt es entscheidende Haken, die Milchglas meines Erachtens zu einem ausgesprochen ungeeigneten Material für Whiteboards machen:
- Die Oberfläche ist zu glatt. Der Stift gleitet auf der Oberfläche so gut, dass der Farbauftrag deutlich reduziert ist – der Kontrast sinkt deutlich.
- Dazu kommt: Milchglas ist nicht richtig „white“, sondern vielmehr teilweise durchscheinend2. Der Kontrast sinkt noch weiter – Zeichnungen und Schrift sind abhängig von Farbe und Zustand der verwendeten Stifte kaum noch zu erkennen.
- Möchte man sein (kaum erkennbares!) Werk fotografisch dokumentieren, stößt man auf das nächste Hindernis: Die Glasoberfläche reflektiert3 in einem Ausmaß, das eine Dokumentation in Form eines Fotoprotokolls praktisch unmöglich macht – es sei denn, man empfindet ein unfreiwilliges Selbstportrait (und ein Foto des reflektierten halben Raumes) als Hintergrund eines jeden Fotos als reizvoll. Nach meiner Erfahrung helfen in diesem Fall nicht einmal übliche Bildbearbeitungs-Tricks (vgl. z. B. „Saubere Whiteboard-Fotos“).
Milchglas-Whiteboards sind somit meines Erachtens eine echte Verschlimmbesserung: Auf ersten Blick eine Verbesserung, in der Praxis kaum zu gebrauchen. Lassen Sie sich von Ihrem Innenarchitekten nichts einreden – Ihr Besprechungsraum braucht ein echtes4 Whiteboard!
Fußnoten:
- ↑ Manchmal machen mir Verrisse anders als in der Fußnote zum vorhergehenden Artikel behauptet eben doch Spaß – und dienen der Vermeidung von Fehlkäufen; vgl. z. B. auch den Artikel zur „Flipchart-Ergonomie“.
- ↑ Ich kann keinen technischen Grund erkennen, die Rückseite des Glases nicht komplett und nicht-transparent zu weißen – hier folgt offenbar das Design nicht der Funktion.
- ↑ Warum gibt es eigentlich keine Polfilter für Mobiltelefon-Kameras?
- ↑ Ein schöner Vergleich der Eigenschaften der möglichen Whiteboard-Materialien findet sich unter <https://www.legamaster.com/de/produkte/tafeln‑2/whiteboards-36> (10.11.2013).