Die Kamera selbst (und ihre Position) hat in Blog und Buch bisher erstaunlich wenig Beachtung gefunden – dabei ist sie eine der wichtigsten Zutaten zu Videokonferenzen und Online-Meetings. Ein gutes Videobild erzeugt m. E. mehr Nähe, wirkt präsenter und ist für die anderen Teilnehmer angenehmer anzuschauen – ein guter Grund, sich dem Thema noch einmal dediziert zu widmen:
- Ein m. E. großes Problem der in Notebooks integrierten Webcams ist neben der häufig erstaunlich niedrigen Qualität deren Position: Verbaut am oberen Bildschirmrand befinden sie sich fast zwangsläufig nur 20 – 30 cm oberhalb der Schreibtischoberfläche. Ein Mensch normaler Größe schaut also zwangsläufig von oben herab in die Kamera – vor allem, wenn man gerade gar nicht wirklich in die Kamera, sondern vielmehr auf den Bildschirm schaut und sich die Bilder der anderen Teilnehmer womöglich auch noch am unteren Bildschirmrand befinden1. Diese Blickrichtung hat meiner Wahrnehmung nach mindestens drei Nachteile:
- Schaut man sehr deutlich von oben herab, tut man womöglich in der Wahrnehmung der anderen Teilnehmer genau das: von oben herabschauen!
- Senkt man den Blick, schließen sich fast zwangsläufig die Augenlider ein wenig. Schlimmstenfalls wirkt man dadurch müde und abwesend, der eigenen Präsenz dienlich ist dieses Bild vermutlich in keinem Fall.
- Eventuelle (natürlich nur den Pandemie-Bedingungen geschuldete!) Pfunde machen sich bei dieser Blickrichtung zudem meist in Form eines Doppelkinns bemerkbar.
- Idealerweise befindet sich die Kamera also auf Kopfhöhe oder darüber – wobei sie nicht weit vom Bildschirm entfernt sein sollte, sonst schaut man den anderen Teilnehmern noch weniger als ohnehin schon zwingend (vgl. hier) in die Augen. Im Falle eines Notebooks mit eingebauter Kamera empfiehlt sich ein entsprechend hoher Notebook-Ständer2, im Falle einer externen Kamera oberhalb eines externen Monitors würde ich ein Kamerastativ empfehlen – ein eigenes Stativ für die Kamera ist einfach flexibler positionierbar als eine am Bildschirm festgeklemmte Kamera.
- Extrem ungünstig erscheint es mir, das Notebook mit der eingebauten Kamera seitlich neben einem hauptsächlich genutzten externen Monitor zu positionieren: Dieses Setup führt dazu, dass man praktisch die gesamte Videokonferenz über seitlich an allen anderen vorbei blickt – und so meiner Erfahrung nach fast durchgehend abwesend wirkt. Verwendet man einen externen Monitor als Hauptmonitor, sollte man also eine externe Kamera nutzen – idealerweise auf einem eigenen Stativ (s. o.) hinter dem für die Videobilder der anderen Teilnehmer genutzten Bildschirm. Mindestens sollte man die Videobilder der anderen Teilnehmer nicht auf dem externen Monitor, sondern auf dem Notebook, dessen Kamera man nutzt, anzeigen lassen.
- In jedem Fall sollte man versuchen, die Kamera und auch die Videokonferenzsoftware auf dem Bildschirm möglichst so zu positionieren, dass der Abstand von Videobild und Kamera minimal ist. Auf diese Weise wirkt es zumindest ein wenig so, als schaue man den Gegenübern in die Augen – und eventuell kann man sogar tatsächlich die anderen Teilnehmer im peripheren Sichtfeld zumindest ein bisschen wahrnehmen, während man in die Kamera schaut. Führt man hauptsächlich Zweiergespräche (sozusagen „Videotelefonate“) oder nimmt man vorrangig an eher kleinen Videokonferenzen teil, sollte man erwägen, einen besonders kleinen Monitor direkt unter der Kamera für die Videobilder der anderen Teilnehmer zu dedizieren: Je kleiner der Monitor, desto weniger weicht der Blick vom „in die Augen schauen“ ab3.
- Dass die Qualität der Kamera für die Qualität des Videobildes entscheidend ist, erscheint auf den ersten Blick trivial. Umso verwunderlicher ist es, dass offenbar auch in vielen vergleichsweise hochpreisigen Business-Notebooks nur eher mittelmäßige Kameras verbaut sind – fragen Sie ruhig einmal die anderen Teilnehmer an einer Videokonferenz nach Ihrer Bildqualität! In vielen Fällen empfiehlt es sich, zusätzlich eine qualitativ hochwertige externe Webcam zu beschaffen. Qualität ist dabei übrigens nicht nur eine Frage der Auflösung und Güte des eigentlichen Sensors, sondern auch der Geschwindigkeit und Genauigkeit des Autofokus und des automatischen Weißabgleichs4. Gerade die letzten beiden Punkte sind leider etwas, was man nur schwer aus den Datenblättern herauslesen kann – das muss man also entweder ausprobieren5 oder sich auf die Empfehlungen Dritter verlassen.
- Die beste Kamera hilft nicht, ist die Beleuchtungssituation sehr ungünstig. Diffuses (idealerweise Tages‑)Licht von vorn macht es der Kamera am einfachsten, ein gutes Bild zu erzeugen. Ganz klassisch den Schreibtisch vor das Fenster zu stellen ist also unter Beleuchtungsaspekten vermutlich ideal – und hilft übrigens auch dabei, die Augen regelmäßig zwischendurch durch einen Blick in die Ferne (das sog. „Draußen“ 😉 ) zu entlasten. Update 05.05.2021: Heikos Kommentar ist natürlich absolut richtig: Aus Gründen der Ergonomie sollte eine solche Positionierung des Bildschirms gegenüber dem Fenster bzw. den Lichtquellen nur temporär sein. Ist diese Positionierung des Schreibtischs nicht möglich oder bin ich auf Kunstlicht angewiesen, empfiehlt es sich, Leuchten (idealerweise mit Tageslichtlampen) beidseitig vor sich zu positionieren – oder ggf. gleich auf professionelle Beleuchtungsmittel für den Video-Bereich zurückzugreifen. Vermeiden sollte man m. E. ausschließlich seitliches Licht, bei dem meist die eine Seite des Gesichts unter- und die andere überbelichtet wird – zum Beispiel, falls sich das Fenster nicht vor, sondern neben dem Schreibtisch befindet. Ist es draußen sehr hell, kommt man in solchen Fällen kaum darum herum, die Gardinen zu schließen und ggf. künstliches Licht zu ergänzen.
Ist man eher in einer Vortrags- als in einer Meeting-Situation, würde ich übrigens ein völlig anderes Setup empfehlen (vgl. hier) – allein schon, weil man während eines Vortrags m. E. möglichst stehen sollte.
Footnotes:
- ↑ Falls das der Fall ist, sollte man also versuchen, es in der jeweiligen Software zu ändern – sofern sich das konfigurieren lässt.
- ↑ Oder provisorisch ein Bücherstapel o. Ä.
- ↑ Dieser Tipp stammt von einem Leser dieses Blogs – vielen Dank dafür!
- ↑ Der idealerweise auch manuell steuerbar sein sollte.
- ↑ Vor allem, falls man größere Mengen Kameras beschaffen möchte!
Leider entspricht das Licht von vorne nicht den Empfehlungen für Bildschirmarbeitsplätzen. Da mag zwar für die Entlastung der Augen gut sein. Der stärkere Kontrast, zwischen dem Bildschirm und einem hellen Hintergrund, belastet das Auge wiederum sehr.
https://www.vbg.de/apl/arbhilf/unterw/22_bil.htm
In der Tat, das ist ein relevantes Thema. Es wäre also vermutlich sinnvoll, die Beleuchtung von vorne auf die Zeit der eigentlichen Videokonferenz zu beschränken – oder von zwei Seiten seitlich zu beleuchten, ich weiß aber nicht, ob das im Ergebnis wirklich angenehmer für die Augen ist.
Noch eine Ergänzung zum Licht: Wenn man mit LED-Beleuchtung arbeitet, sollte man darauf achten, dass es Video-Lampen sind, keine „einfachen“ Foto-Lampen. Hintergrund: Einfache Foto-Lampen neigen dazu, im Video ein unangenehmes Flackern zu verursachen. In Video-Lampen ist die Elektronik etwas aufwendiger gestaltet, damit sie eben genau nicht flackern.