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Guter Vortrag – trotz der Slides (Teil 1)

Tim Themann

Ich hof­fe, ein jeder hat es bereits erlebt: Gute und anre­gen­de Vor­trä­ge sind mög­lich – und das trotz Power­Point-Slides und trotz (meist eher „tro­cke­ner)“ IT-The­ma­tik. Power­Point1 ist nicht grund­sätz­lich böse. Die Kri­tik an vie­len Prä­sen­ta­tio­nen ist jedoch sicher­lich berech­tigt – und eben des­we­gen lohnt es sich, die Kri­tik an der Nut­zung von Prä­sen­ta­ti­ons­pro­gram­men genau­er zu betrach­ten, die Argu­men­te auf ihre Stich­hal­tig­keit zu unter­su­chen und im Fal­le berech­tig­ter Kritik​2 dar­über nach­zu­den­ken, wie es bes­ser geht. Eben dies möch­te ich im Fol­gen­den versuchen.

Ich möch­te dabei kei­nes­falls behaup­ten, dass die vor­ge­stell­ten Metho­den die bes­ten oder gar ein­zi­gen sind, mit denen ein guter Vor­trag und eine gute beglei­ten­de Prä­sen­ta­ti­on erstellt wer­den kön­nen –nach mei­ner Erfah­rung sind es aber (für mich) funk­tio­nie­ren­de Metho­de, mit denen es mir gelingt, die meis­ten der berech­tig­ter­wei­se kri­ti­sier­ten Pro­ble­me vie­ler Prä­sen­ta­tio­nen zu vermeiden.

Sequenzialität

Ein mit Power­Point unter­stütz­ter Vor­trag wirkt oft auf die star­re Sequenz der Foli­en begrenzt; die Starr­heit der Sequen­zia­li­tät wird dem Visua­li­sie­rungs­werk­zeug zuge­schrie­ben und Teil der Kri­tik am Werk­zeug. Auf ers­ten Blick erscheint dies ein­leuch­tend: Die Abfol­ge der Foli­en ist meist​3 vor­ab durch den Refe­ren­ten fest­ge­legt, eine spon­ta­ne Ände­rung im Lau­fe des Refe­rats erscheint auf­wän­dig. Zudem gibt die Sequenz der Foli­en gera­de dem ner­vö­se­ren Prä­sen­ta­tor Halt und Orientierung​4.

Bei genaue­rer Betrach­tung erscheint die Kri­tik an der Sequen­za­li­tät an sich jedoch unsin­nig: Ein Vor­trag ist vor­ran­gig eine ver­ba­le sprach­li­che Mit­tei­lung; die mit­tels gespro­che­ner Spra­che ver­mit­tel­ten Inhal­te sind wesent­lich und die beglei­ten­de Visua­li­sie­rung ist bes­ten­falls ergän­zend-beglei­ten­d​5. Spra­che ist sequen­ti­ell, die Abfol­ge der Wör­ter und Sät­ze sinn­stif­tend. („Die sequen­ti­ell Wör­ter, ist Spra­che Abfol­ge der sinn­stif­tend Sät­ze und.“ ergibt ein­fach kei­nen Sinn.). Die Sequenz ist ent­schei­dend – dies gilt für den Text eines Vor­trags wie für die Abfol­ge der Foli­en. Stimmt bei­des, ist die Sequenz sinn­stif­tend. Stimmt bei­des nicht oder stimmt es nicht über­ein, ist die Kri­tik an der einen und/​oder ande­ren Sequenz​6 ver­ständ­lich und angemessen.

Die Kri­tik an der Sequen­zia­li­tät hat ihre Ver­brei­tung übri­gens vor allem durch Edward Tuf­tes (<http://​www​.edwardtuf​te​.com/tufte/>) berühm­ten (von mir durch­aus sehr geschätz­ten) Auf­satz „The Cogni­ti­ve Style of Power Point“​7 gefun­den. Dies ist bezeich­nend: Tuf­te beschäf­tigt sich pri­mär mit visu­el­ler Kom­mu­ni­ka­ti­on, weni­ger mit Spra­che – er ist Desi­gner. Ein klei­ner Teil der Form (das Visu­el­le) deter­mi­niert hier den Inhalt der Kri­tik – und das in einem Kon­text, in dem ande­rer­seits kri­ti­siert wird, dass die Form (der Prä­sen­ta­ti­on) den Inhalt determiniert.

Davon aus­zu­ge­hen, dass die star­re Abfol­ge des Vor­trags per se schlecht sei – und dies womög­lich mit mäßig abge­si­cher­ten The­sen über die „Hyper­text Brains“​8 der „digi­tal nati­ves“ (Marc Prenz­ky) zu bele­gen – ist ein­fach Unsinn: Spra­che ist sequen­ti­ell, Vor­trä­ge sind sequentiell.

Völ­lig anders ver­hält es sich natur­ge­mäß, sobald kein vor­ge­fer­tig­ter Vor­trag gehal­ten, son­dern spon­tan und in Inter­ak­ti­on mit dem Publi­kum agiert wird: In die­sem Fall ist eine vor­ge­fer­tig­te Prä­sen­ta­ti­on kaum sinn­voll anwend­bar; Werk­zeu­ge wie Flip­chart oder White­board (vgl. „Die Computermaler“) oder sicher­lich auch die eine oder ande­re Soft­ware-Lösun­g​9 erschei­nen in die­sem Fall deut­lich geeig­ne­ter. Aus den in die­sem Fall offen­sicht­li­chen Vor­tei­len des Flip­charts aber eine grund­sätz­li­che Aus­sa­ge abzu­lei­ten (vgl. z. B. <http://​www​.anti​-power​point​-par​ty​.com/de>), ist grob ver­ein­fa­chend und wird den nun ein­mal unter­schied­li­chen Vor­trags­si­tua­tio­nen und den sich dar­aus erge­ben­den unter­schied­li­chen Anfor­de­run­gen nicht gerecht. Ein Vor­trag ist nun ein­mal sequen­ti­ell – und die Güte der Sequenz ist ent­schei­dend für die Qua­li­tät des Vortrags.

Struktur: Gute Sequenzialität

Ein dia­lek­tisch und didak­tisch gut struk­tu­rier­ter Vor­trag ist mei­nes Erach­tens vor allem durch eine sinn­vol­le und kla­re Struk­tur gekenn­zeich­net – und die­se lässt sich durch eine pas­sen­de Sequenz geeig­ne­ter Visua­li­sie­run­gen unter­stüt­zen. Pro­ble­ma­tisch ist häu­fig, dass die Sequenz der Foli­en vor dem Vor­trag exis­tiert – sei es, weil die Foli­en vor­ge­fer­tigt von einem Drit­ten gelie­fert wur­den oder weil Power­Point als Werk­zeug zur Erstel­lung eines Vor­trags, nicht aber als Werk­zeug zur Erstel­lung der den Vor­trag beglei­ten­den Visua­li­sie­rung ver­wen­det wur­de. Ers­te­ren Fall soll­te man (so denn in der jewei­li­gen Situa­ti­on mög­lich) ver­mei­den; letz­te­rer ist ein wirk­lich fata­ler Feh­ler: In die­sem Fall beginnt das Werk­zeug mit sei­nen Gren­zen und Mög­lich­kei­ten, Ihr Den­ken ein­zu­schrän­ken und zu beein­flus­sen. Die Form beginnt, den Inhalt zu deter­mi­nie­ren – dafür sind Ihre Gedan­ken zu wert­voll! Zudem: Aus der Kom­ple­xi­tät des jewei­li­gen The­mas eine sinn­vol­le Sequenz zu machen, ist meist alles ande­re als tri­vi­al und das The­ma zumeist auch noch gar nicht in Gän­ze durch­drun­gen. Es gilt also, …

  1. … zunächst ein­mal zu sam­meln und eine „geis­ti­ge Land­kar­te“ des The­mas zu erar­bei­ten. Sich hier­bei ein­zu­en­gen – sei es durch (früh­zei­ti­ge) Sequen­zia­li­tät oder z. B. auch durch eine (eben­so früh­zei­ti­ge) hier­ar­chi­sche Struk­tur (z. B. durch das oft doch erstaun­lich enge Kor­sett einer Mind­Map­ping-Soft­ware) – führt zu ähn­li­chen Pro­ble­men wie der (ver­früh­te) Ein­satz von Power­Point. Ich emp­feh­le Papier und Blei­stift oder ein White­board – ins­be­son­de­re letz­te­res ist gedul­dig und ver­ein­facht die (gemein­sa­me) „all­mäh­li­che Ver­fer­ti­gung der Gedan­ken beim Reden“ (Hein­rich v. Kleist) in der Inter­ak­ti­on mit aus­ge­wähl­ten „Spar­rings­part­nern“. Der Anre­gung Garr Rey­nolds‘ (<http://​www​.garrrey​nolds​.com/>), an die­ser Stel­le bereits auf Haft­no­ti­zen zu schrei­ben und ins­be­son­de­re auch zu zeich­nen, möch­te ich mich nicht anschlie­ßen: Die Gefahr, die Gedan­ken bereits früh­zei­tig mit­tels „ana­lo­ger Slides“ in Form der Haft­no­ti­zen qua­si „in Recht­ecke zu sper­ren“, erscheint mir zu groß. Ent­steht zu die­sem Zeit­punkt zufäl­lig eine viel­leicht spä­ter auf­greif­ba­re Visua­li­sie­rungs­idee oder fällt mir eine gute visu­el­le Meta­pher zu einem Aspekt ein, spricht nichts dage­gen, die­se zu „spei­chern“ – ich soll­te jedoch auf kei­nen Fall anfan­gen, in (ecki­gen) Slides zu den­ken. Visua­li­sie­run­gen in die­sem Sta­di­um haben eher den Cha­rak­ter von „Dood­les“ (Sun­ni Brown, <http://​sun​ni​brown​.com/>) und sind alles ande­re als eckig – nicht nur der Kopf ist „rund, damit das Den­ken die Rich­tung wech­seln kann“ (Fran­cis Pica­bia). In die­sem Schritt geht es also um eine freie Samm­lung aller Aspek­te des The­mas und ihrer (sequen­ti­ell meist nicht dar­stell­ba­ren) Inter­de­pen­den­zen.
  2. … die Din­ge in eine Rei­hen­fol­ge zu brin­gen, eine Glie­de­rung zu ent­wer­fen. Ich habe die Erfah­rung gemacht, dass nicht jede Glie­de­rung, die ich als Exper­te für das jewei­li­ge The­ma voll­kom­men ein­leuch­tend fin­de, für mein Publi­kum eben­so ein­leuch­tend ist. In aller Regel hat man als Refe­rent einen deut­lich tie­fe­ren Ein­blick in das The­ma als das Publi­kum, einem erschei­nen Zusam­men­hän­ge voll­kom­men klar, die sich das künf­ti­ge Publi­kum erst – idea­ler­wei­se durch den gera­de ent­ste­hen­den Vor­trag – erschlie­ßen muss.
    Kurz: Gera­de als Spe­zia­list für das The­ma ist man unter Umstän­den am schlech­tes­ten dazu in der Lage, wirk­lich zu beur­tei­len, wel­che Erklär- oder Erzähl­se­quen­zen ein­leuch­tend und wirk­sam sind. Auch hier emp­fiehlt sich also der eine oder ande­re „geis­ti­ge Spar­rings­part­ner“. Redet man mit unter­schied­li­chen Gesprächs­part­nern, wird man unter­schied­li­che Gedan­ken „ver­fer­ti­gen“, wer­den womög­lich unter­schied­li­che Sequen­zen ent­ste­hen. Auf den ers­ten Blick erscheint dies hin­der­lich – in Wirk­lich­keit lie­fert es jedoch tie­fe­re Ein­bli­cke in die Struk­tur des The­mas, zeigt uner­kann­te Inter­de­pen­den­zen und neue mög­li­che Her­an­ge­hens­wei­sen. Den­noch muss man sich zugu­ter­letzt für eine Struk­tur ent­schei­den, eine Glie­de­rung fest­le­gen. Wie kom­plex die Zusam­men­hän­ge auch sein mögen – man kann nur in einer Sequenz sprechen​10. Es emp­fiehlt sich jedoch, ver­wor­fe­ne, aber sinn­vol­le Struk­tu­ren zu „spei­chern“ – even­tu­ell las­sen sie sich spä­ter im Vor­trag an geeig­ne­ter Stel­le qua­si als Repri­se ein­brin­gen und bie­ten so dem Publi­kum einen wei­te­ren, alter­na­ti­ven Zugang zum Thema.
  3. … den Vor­trag zu erstel­len – was nicht hei­ßen muss, ein wirk­li­ches Manu­skript zu erstel­len. In den meis­ten Fäl­len reicht es, für die ein­zel­nen Punk­te der Glie­de­rung zu notie­ren, was unter die­sem Punkt in wel­cher Rei­hen­fol­ge zu erwäh­nen ist. Die meis­ten Men­schen spre­chen „frei“ bes­ser – ich notie­re mir ledig­lich die ers­ten Sät­ze eines Vor­trags (um sicher einen Ein­stieg zu fin­den) und sehr spe­zi­el­le rhe­to­ri­sche Figu­ren wört­lich. Der Inhalt des Vor­trags soll­te weit­ge­hend fer­tig sein, bevor man beginnt …
  4. … die beglei­ten­de Visua­li­sie­rung zu pla­nen. Dies ist der Moment, in dem Power­Point „gefahr­los“ gestar­tet wer­den kann – auch, wenn ich häu­fig ers­te Ent­wür­fe mit der Hand zeich­ne. Es emp­fiehlt sich nach mei­ner Erfah­rung, zual­ler­erst eine Glie­de­rungs­fo­lie und anschlie­ßend „Ein­lei­tungs­fo­li­en“ für die jewei­li­gen Glie­de­rungs­punk­te zu erstel­len. Oft ist es sinn­voll, die Glei­de­rung im Ver­lau­fe des Vor­trags zu Beginn der ein­zel­nen „Kapi­tel“ zu wie­der­ho­len, um Ori­en­tie­rung (zurück) zu geben. In die­sem Fall soll­te man die­sen Punkt aller­dings auch im tat­säch­li­chen Vor­trag dazu nut­zen, kurz zusam­men­zu­fas­sen, zu reka­pi­tu­lie­ren und über­zu­lei­ten – „ver­wais­te“ Glie­de­rungs­fo­li­en, über die der Refe­rent schnell „hin­weg­klickt“, hel­fen nicht und wir­ken unbeholfen.

Das fast lee­re „Ske­lett“ der Prä­sen­ta­ti­on kann nun gefüllt wer­den – ich „fül­le“ die Prä­sen­ta­ti­on zuerst mit lee­ren Foli­en und danach die Spre­cher­no­ti­zen die­ser Foli­en mit den zuvor erar­bei­te­ten eigent­li­chen Inhal­ten. Erst danach den­ke ich über die pas­sen­de Visua­li­sie­rung nach. Die­se kann je nach Inhalt und Ver­mitt­lungs­ziel unter­schied­li­che For­men annehmen:

Foot­no­tes:

  1.  Im Fol­gen­den wird „Power­Point“ als Deonym für alle ver­gleich­ba­ren Prä­sen­ta­ti­ons­pro­gram­me betrachtet.
  2.  Eine von Mathi­as Mer­tens (<http://​www​.mathi​as​-mer​tens​.de/>) zusam­men­ge­stell­te umfas­sen­de und kri­tisch bewer­te­te Samm­lung der Kri­tik an Power­Point fin­det sich unter <https://​www​.uni​-gies​sen​.de/​f​b​z​/​z​m​i​/​d​a​s​-​z​m​i​/​p​u​b​l​i​k​a​t​i​o​n​e​n​/​d​o​s​s​i​e​r​s​/​p​o​w​e​r​p​o​intdebatte>.
  3.  Tech­nisch ist dies übri­gens nicht zwangs­läu­fig: Prak­tisch jedes moder­ne Prä­sen­ta­ti­ons­pro­gramm unter­stützt Hyperlinks.
  4.  Aus ähn­li­chen Grün­den ent­ste­hen Slideu­ments, denen sich der 2. Teil die­ser Serie widmet.
  5.  Vie­le (gera­de gute) Vor­trä­ge sind auch mit geschlos­se­nen Augen ver­ständ­lich – pro­bie­ren Sie es aus!
  6.  Es muss nicht zwangs­läu­fig (nur) die visu­el­le Sequenz sein, die (allein) pro­ble­ma­tisch ist.
  7.  Tuf­te, Edward R.: The Cogni­ti­ve Style of Power­Point. Pit­ching Out Cor­rupts Within. 2. Aufl. 2006. Che­shire, Con­nec­ti­cut: Gra­phics Press 2006.
  8.  <http://www.marcprensky.com/writing/Prensky%20-%20Digital%20Natives,%20Digital%20Immigrants%20-%20Part2.pdf>.
  9.  Papier ist unend­lich fle­xi­bel ein­setz­bar und sein Ein­satz ohne vor­her­ge­hen­de Schu­lung mög­lich – mir ist noch kei­ne ver­gleich­bar fle­xi­ble und ein­fa­che Soft­ware­lö­sung begeg­net. Ich sehe Vor­tei­le von Soft­ware gegen­über Papier vor allem im Fal­le von Web­Cast-arti­gen Anwendungen.
  10.  Selbst, falls man tat­säch­lich Pren­skys „Hyper­text Mind“ hat.
  11.  Zum Bei­spiel unter <http://​www​.mor​gue​fi​le​.com/>.
  12.  Rey­nolds, Garr: Pre­sen­ta­ti­on Zen: Simp­le Ide­as on Pre­sen­ta­ti­on Design and Deli­very (Voices That Mat­ter). 2. über­arb. Aufl. 2011. Ams­ter­dam: Addi­son-Wes­ley Longman.
  13.  Die sog. Sapir-Whorf-Hypo­the­se.
  14.  Spit­zer M.: Macht Punkt! Töd­li­che Geschos­se, Prä­sen­ta­ti­ons-Soft­ware und kogni­ti­ver Stil (Edi­to­ri­al). Ner­ven­heil­kun­de 2004; 23: 123 – 6 – eine lei­der nur sehr begrenzt sach­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit der Thematik.
  15.  Ein schö­nes Bei­spiel für sehr „dezen­ten“ und voll­kom­men legi­ti­men Ein­satz von Auf­zäh­lungs­zei­chen fin­det sich z. B. in einem Vor­trag von Garr Rey­nolds unter <http://​www​.you​tube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​v​FDm1-DVdyc>
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