Ich hoffe, ein jeder hat es bereits erlebt: Gute und anregende Vorträge sind möglich – und das trotz PowerPoint-Slides und trotz (meist eher „trockener)“ IT-Thematik. PowerPoint1 ist nicht grundsätzlich böse. Die Kritik an vielen Präsentationen ist jedoch sicherlich berechtigt – und eben deswegen lohnt es sich, die Kritik an der Nutzung von Präsentationsprogrammen genauer zu betrachten, die Argumente auf ihre Stichhaltigkeit zu untersuchen und im Falle berechtigter Kritik2 darüber nachzudenken, wie es besser geht. Eben dies möchte ich im Folgenden versuchen.
Ich möchte dabei keinesfalls behaupten, dass die vorgestellten Methoden die besten oder gar einzigen sind, mit denen ein guter Vortrag und eine gute begleitende Präsentation erstellt werden können –nach meiner Erfahrung sind es aber (für mich) funktionierende Methode, mit denen es mir gelingt, die meisten der berechtigterweise kritisierten Probleme vieler Präsentationen zu vermeiden.
Sequenzialität
Ein mit PowerPoint unterstützter Vortrag wirkt oft auf die starre Sequenz der Folien begrenzt; die Starrheit der Sequenzialität wird dem Visualisierungswerkzeug zugeschrieben und Teil der Kritik am Werkzeug. Auf ersten Blick erscheint dies einleuchtend: Die Abfolge der Folien ist meist3 vorab durch den Referenten festgelegt, eine spontane Änderung im Laufe des Referats erscheint aufwändig. Zudem gibt die Sequenz der Folien gerade dem nervöseren Präsentator Halt und Orientierung4.
Bei genauerer Betrachtung erscheint die Kritik an der Sequenzalität an sich jedoch unsinnig: Ein Vortrag ist vorrangig eine verbale sprachliche Mitteilung; die mittels gesprochener Sprache vermittelten Inhalte sind wesentlich und die begleitende Visualisierung ist bestenfalls ergänzend-begleitend5. Sprache ist sequentiell, die Abfolge der Wörter und Sätze sinnstiftend. („Die sequentiell Wörter, ist Sprache Abfolge der sinnstiftend Sätze und.“ ergibt einfach keinen Sinn.). Die Sequenz ist entscheidend – dies gilt für den Text eines Vortrags wie für die Abfolge der Folien. Stimmt beides, ist die Sequenz sinnstiftend. Stimmt beides nicht oder stimmt es nicht überein, ist die Kritik an der einen und/oder anderen Sequenz6 verständlich und angemessen.
Die Kritik an der Sequenzialität hat ihre Verbreitung übrigens vor allem durch Edward Tuftes (<http://www.edwardtufte.com/tufte/>) berühmten (von mir durchaus sehr geschätzten) Aufsatz „The Cognitive Style of Power Point“7 gefunden. Dies ist bezeichnend: Tufte beschäftigt sich primär mit visueller Kommunikation, weniger mit Sprache – er ist Designer. Ein kleiner Teil der Form (das Visuelle) determiniert hier den Inhalt der Kritik – und das in einem Kontext, in dem andererseits kritisiert wird, dass die Form (der Präsentation) den Inhalt determiniert.
Davon auszugehen, dass die starre Abfolge des Vortrags per se schlecht sei – und dies womöglich mit mäßig abgesicherten Thesen über die „Hypertext Brains“8 der „digital natives“ (Marc Prenzky) zu belegen – ist einfach Unsinn: Sprache ist sequentiell, Vorträge sind sequentiell.
Völlig anders verhält es sich naturgemäß, sobald kein vorgefertigter Vortrag gehalten, sondern spontan und in Interaktion mit dem Publikum agiert wird: In diesem Fall ist eine vorgefertigte Präsentation kaum sinnvoll anwendbar; Werkzeuge wie Flipchart oder Whiteboard (vgl. „Die Computermaler“) oder sicherlich auch die eine oder andere Software-Lösung9 erscheinen in diesem Fall deutlich geeigneter. Aus den in diesem Fall offensichtlichen Vorteilen des Flipcharts aber eine grundsätzliche Aussage abzuleiten (vgl. z. B. <http://www.anti-powerpoint-party.com/de>), ist grob vereinfachend und wird den nun einmal unterschiedlichen Vortragssituationen und den sich daraus ergebenden unterschiedlichen Anforderungen nicht gerecht. Ein Vortrag ist nun einmal sequentiell – und die Güte der Sequenz ist entscheidend für die Qualität des Vortrags.
Struktur: Gute Sequenzialität
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… zunächst einmal zu sammeln und eine „geistige Landkarte“ des Themas zu erarbeiten. Sich hierbei einzuengen – sei es durch (frühzeitige) Sequenzialität oder z. B. auch durch eine (ebenso frühzeitige) hierarchische Struktur (z. B. durch das oft doch erstaunlich enge Korsett einer MindMapping-Software) – führt zu ähnlichen Problemen wie der (verfrühte) Einsatz von PowerPoint. Ich empfehle Papier und Bleistift oder ein Whiteboard – insbesondere letzteres ist geduldig und vereinfacht die (gemeinsame) „allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ (Heinrich v. Kleist) in der Interaktion mit ausgewählten „Sparringspartnern“. Der Anregung Garr Reynolds‘ (<http://www.garrreynolds.com/>), an dieser Stelle bereits auf Haftnotizen zu schreiben und insbesondere auch zu zeichnen, möchte ich mich nicht anschließen: Die Gefahr, die Gedanken bereits frühzeitig mittels „analoger Slides“ in Form der Haftnotizen quasi „in Rechtecke zu sperren“, erscheint mir zu groß. Entsteht zu diesem Zeitpunkt zufällig eine vielleicht später aufgreifbare Visualisierungsidee oder fällt mir eine gute visuelle Metapher zu einem Aspekt ein, spricht nichts dagegen, diese zu „speichern“ – ich sollte jedoch auf keinen Fall anfangen, in (eckigen) Slides zu denken. Visualisierungen in diesem Stadium haben eher den Charakter von „Doodles“ (Sunni Brown, <http://sunnibrown.com/>) und sind alles andere als eckig – nicht nur der Kopf ist „rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“ (Francis Picabia). In diesem Schritt geht es also um eine freie Sammlung aller Aspekte des Themas und ihrer (sequentiell meist nicht darstellbaren) Interdependenzen.
- … die Dinge in eine Reihenfolge zu bringen, eine Gliederung zu entwerfen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass nicht jede Gliederung, die ich als Experte für das jeweilige Thema vollkommen einleuchtend finde, für mein Publikum ebenso einleuchtend ist. In aller Regel hat man als Referent einen deutlich tieferen Einblick in das Thema als das Publikum, einem erscheinen Zusammenhänge vollkommen klar, die sich das künftige Publikum erst – idealerweise durch den gerade entstehenden Vortrag – erschließen muss.
Kurz: Gerade als Spezialist für das Thema ist man unter Umständen am schlechtesten dazu in der Lage, wirklich zu beurteilen, welche Erklär- oder Erzählsequenzen einleuchtend und wirksam sind. Auch hier empfiehlt sich also der eine oder andere „geistige Sparringspartner“. Redet man mit unterschiedlichen Gesprächspartnern, wird man unterschiedliche Gedanken „verfertigen“, werden womöglich unterschiedliche Sequenzen entstehen. Auf den ersten Blick erscheint dies hinderlich – in Wirklichkeit liefert es jedoch tiefere Einblicke in die Struktur des Themas, zeigt unerkannte Interdependenzen und neue mögliche Herangehensweisen. Dennoch muss man sich zuguterletzt für eine Struktur entscheiden, eine Gliederung festlegen. Wie komplex die Zusammenhänge auch sein mögen – man kann nur in einer Sequenz sprechen10. Es empfiehlt sich jedoch, verworfene, aber sinnvolle Strukturen zu „speichern“ – eventuell lassen sie sich später im Vortrag an geeigneter Stelle quasi als Reprise einbringen und bieten so dem Publikum einen weiteren, alternativen Zugang zum Thema. - … den Vortrag zu erstellen – was nicht heißen muss, ein wirkliches Manuskript zu erstellen. In den meisten Fällen reicht es, für die einzelnen Punkte der Gliederung zu notieren, was unter diesem Punkt in welcher Reihenfolge zu erwähnen ist. Die meisten Menschen sprechen „frei“ besser – ich notiere mir lediglich die ersten Sätze eines Vortrags (um sicher einen Einstieg zu finden) und sehr spezielle rhetorische Figuren wörtlich. Der Inhalt des Vortrags sollte weitgehend fertig sein, bevor man beginnt …
- … die begleitende Visualisierung zu planen. Dies ist der Moment, in dem PowerPoint „gefahrlos“ gestartet werden kann – auch, wenn ich häufig erste Entwürfe mit der Hand zeichne. Es empfiehlt sich nach meiner Erfahrung, zuallererst eine Gliederungsfolie und anschließend „Einleitungsfolien“ für die jeweiligen Gliederungspunkte zu erstellen. Oft ist es sinnvoll, die Gleiderung im Verlaufe des Vortrags zu Beginn der einzelnen „Kapitel“ zu wiederholen, um Orientierung (zurück) zu geben. In diesem Fall sollte man diesen Punkt allerdings auch im tatsächlichen Vortrag dazu nutzen, kurz zusammenzufassen, zu rekapitulieren und überzuleiten – „verwaiste“ Gliederungsfolien, über die der Referent schnell „hinwegklickt“, helfen nicht und wirken unbeholfen.
Das fast leere „Skelett“ der Präsentation kann nun gefüllt werden – ich „fülle“ die Präsentation zuerst mit leeren Folien und danach die Sprechernotizen dieser Folien mit den zuvor erarbeiteten eigentlichen Inhalten. Erst danach denke ich über die passende Visualisierung nach. Diese kann je nach Inhalt und Vermittlungsziel unterschiedliche Formen annehmen:
- Großformatige Bilder transportieren Emotionen, die mit den Inhalten verknüpft werden und/oder untermalen kraftvolle rhetorische Figuren. Wichtig ist auch hier, die Form nicht den Inhalt determinieren zu lassen: Die Figur oder Emotion sollte zuerst klar sein, anschließend kann man sich auf die Suche nach Bildern11 machen. Der sinnvolle Einsatz von vollformatigen Bildern in Präsentationen ist sehr gut in Garr Reynolds‘ Buch „Presentation Zen“12 (<http://www.presentationzen.com/>) beschrieben.
- Diagramme und Tabellen stellen Fakten dar und belegen damit die Aussagen des Vortrags („ZDF“ – „Zahlen, Daten, Fakten“). Daten – gerade in Tabellenform, aber auch in Form komplexer Diagramme – sind nur sehr begrenzt geeignet, vom Publikum auf einer projizierten Folie erfasst zu werden; es empfiehlt sich, nur zusammenfassende Daten zu projizieren und die „Rohdaten“ (falls nötig) als Handout auszugeben. Zur Datenvisualisierung gerade auch für Präsentationen hat Edward Tufte (<http://www.edwardtufte.com/tufte/>) Bahnbrechendes geleistet. Zu der Frage, welche Fehler man bei der Diagrammerstellung vermeiden sollte, empfiehlt sich zudem der eine oder andere Ratschlag von Bella, dem Hund (<http://www.bella-beraet.de/>).
- Erläuternde Visualisierungen: Dass ich ein begeisterter Anhänger des skizzenhaften Visualisierens komplexer Sachverhalte bin, dürfte spätestens mit den „Computermalern“ deutlich geworden sein. Fast alles, was in den „Computermalern“ über das Visualisieren an Whiteboard und Flipchart steht, gilt auch für Visio und PowerPoint; zudem gilt es auch hier, zu vermeiden, dass das Werkzeug den Denkprozess beeinflusst: Skizzieren Sie zuerst auf Papier und setzen Sie das Ergebnis erst später z. B. in Visio oder PowerPoint um. Auf diese Weise vermeiden Sie, dass sich Ihre visuelle Sprache auf die „Wörter“ (Visio-„Shapes“, Office-„SmartArt“ o. ä.) des jeweiligen Werkzeugs reduziert. Sprache – und damit sicherlich auch der Umfang des (in diesem Fall visuellen) Wortschatzes – determiniert meiner Erfahrung nach stark das Denken13; seine Visualisierungen von vornherein auf die vorhandenen Shapes zu reduzieren, ist ein wenig so, als versuche man, ein Buch zu schreiben, indem man aus einem (sehr kleinen) Wörterbuch die Wörter zusammensucht.
- Aufzählungen –„bullet points“ (sic!): Aufzählungen mit „bullet points“ sind eines der meistkritisierten visuellen Elemente vieler Präsentationen, werden gar polemisierend als „tödliche Geschosse“14 (die Gewehrkugel heißt im Englischen „bullet“) geschmäht. Aufzählungen sind genau dann sinnvoll, wenn man tatsächlich etwas aufzählen möchte15 – nicht aber zum Erstellen von Slideuments.
Von der Unsinnigkeit von Slideuments und davon, wie man sie vermeidet, handelt ein großer Teil des zweiten Teils dieser Serie.
Footnotes:
- ↑ Im Folgenden wird „PowerPoint“ als Deonym für alle vergleichbaren Präsentationsprogramme betrachtet.
- ↑ Eine von Mathias Mertens (<http://www.mathias-mertens.de/>) zusammengestellte umfassende und kritisch bewertete Sammlung der Kritik an PowerPoint findet sich unter <https://www.uni-giessen.de/fbz/zmi/das-zmi/publikationen/dossiers/powerpointdebatte>.
- ↑ Technisch ist dies übrigens nicht zwangsläufig: Praktisch jedes moderne Präsentationsprogramm unterstützt Hyperlinks.
- ↑ Aus ähnlichen Gründen entstehen Slideuments, denen sich der 2. Teil dieser Serie widmet.
- ↑ Viele (gerade gute) Vorträge sind auch mit geschlossenen Augen verständlich – probieren Sie es aus!
- ↑ Es muss nicht zwangsläufig (nur) die visuelle Sequenz sein, die (allein) problematisch ist.
- ↑ Tufte, Edward R.: The Cognitive Style of PowerPoint. Pitching Out Corrupts Within. 2. Aufl. 2006. Cheshire, Connecticut: Graphics Press 2006.
- ↑ <http://www.marcprensky.com/writing/Prensky%20-%20Digital%20Natives,%20Digital%20Immigrants%20-%20Part2.pdf>.
- ↑ Papier ist unendlich flexibel einsetzbar und sein Einsatz ohne vorhergehende Schulung möglich – mir ist noch keine vergleichbar flexible und einfache Softwarelösung begegnet. Ich sehe Vorteile von Software gegenüber Papier vor allem im Falle von WebCast-artigen Anwendungen.
- ↑ Selbst, falls man tatsächlich Prenskys „Hypertext Mind“ hat.
- ↑ Zum Beispiel unter <http://www.morguefile.com/>.
- ↑ Reynolds, Garr: Presentation Zen: Simple Ideas on Presentation Design and Delivery (Voices That Matter). 2. überarb. Aufl. 2011. Amsterdam: Addison-Wesley Longman.
- ↑ Die sog. Sapir-Whorf-Hypothese.
- ↑ Spitzer M.: Macht Punkt! Tödliche Geschosse, Präsentations-Software und kognitiver Stil (Editorial). Nervenheilkunde 2004; 23: 123 – 6 – eine leider nur sehr begrenzt sachliche Auseinandersetzung mit der Thematik.
- ↑ Ein schönes Beispiel für sehr „dezenten“ und vollkommen legitimen Einsatz von Aufzählungszeichen findet sich z. B. in einem Vortrag von Garr Reynolds unter <http://www.youtube.com/watch?v=vFDm1-DVdyc>