Arbeitet man aus der Ferne zusammen, tut man das inzwischen meist in Form einer Videokonferenz – womöglich sogar ganztägig. Möchte man dabei gemeinsam an „einem“ Bildschirm arbeiten, ist es sehr naheliegend, anstelle einer „klassischen“ Fernwartungssoftware die Bildschirmfreigabe des ohnehin schon laufenden Online-Meetings zu nutzen – vor allem, wenn die jeweilige Lösung es ermöglicht, auch die Steuerung an andere Meeting-Teilnehmer zu übergeben. Wirklich geeignet oder gar ergonomisch ist dieser Weg jedoch m. E. nicht – und längeres Arbeiten auf diesem Weg mindestens für die Augen extrem anstrengend:
- Das ursprünglich den Bildschirm freigebende Gerät hat meist eine andere Bildschirmauflösung als die der die Bildschirmfreigabe betrachtenden Teilnehmer. Zudem nimmt die Videokonferenz-Software selbst meist einen Teil der Fläche des Bildschirms ein. Auf jeden Fall ist damit zu rechnen, dass das Bild des freigegebenen Bildschirms bei den anderen Teilnehmern skaliert – meist verkleinert – dargestellt wird. Bei dieser Skalierung entstehen zwangsläufig Qualitätsverluste und durch die Verkleinerung gehen Details beispielsweise von Glyphen verloren – das Bild erscheint unscharf, es zu betrachten ist anstrengender. Zudem wirken sich das Antialiasing und das Subpixel-Rendering („Cleartype“) moderner Betriebssysteme im Falle einer verkleinernden Skalierung zusätzlich negativ aus.
- Online-Meeting Software verwendet in aller Regel für „normale“ Bewegtbilder optimierte Videocodecs. Diese Codecs komprimieren i. d. R. angepasst an die verfügbare Bandbreite verlustbehaftet – für das Videobild der Teilnehmer meist kein Problem, für die sehr detailreiche Bildschirmübertragung aber (spätestens, falls es zu Kompressionsartefakten kommt) eher störend.
Die so entstehende Unschärfe ist nicht gerade augenfreundlich, die Augen versuchen womöglich kontinuierlich vergeblich, auf ein ja tatsächlich unscharfes Bild zu fokussieren – und das Gehirn versucht kontinuierlich, den Verlust an Details, den Informationsverlust durch Skalierung und verlustbehaftete Kompression, durch Interpretation zu kompensieren. Dadurch wird die ohnehin schon anstrengende Videokonferenz (vgl. hier) meiner Erfahrung nach noch deutlich anstrengender.
„Echte“ Fernwartungssoftware verhält sich in beiden o. g. Punkten meist anders als eine Videokonferenz-Software: Die Skalierung des Bildschirms ist zumeist konfigurierbar, um Unschärfen und zu starke Verkleinerung zu vermeiden, und die Bildübertragung erfolgt i. d. R. nicht oder nur teilweise verlustbehaftet und vor allem optimiert für Bildschirminhalte. Für längeres gemeinsames Arbeiten aus der Ferne sind solche Lösungen viel geeigneter als die Bildschirmfreigabe einer Videokonferenz-Software – nötigenfalls sollte also parallel zur Videokonferenz eine Fernwartungssitzung aufgebaut werden.
Die Bildschirmfreigabe der meisten Online-Meeting-Lösungen ist hingegen primär dafür gedacht, zu präsentieren (vgl. hier) oder kurz etwas zu zeigen – weniger für die längere gemeinsame Arbeit. Aber auch, wenn Sie nur kurz etwas zeigen, sollten Sie auf die gute Erkennbarkeit des Bildes achten: Vor allem (aber nicht nur), falls Sie über einen sehr großen Monitor verfügen, sollten Sie erwägen, für die Zeit der Bildschirmfreigabe die Auflösung deutlich zu reduzieren. Alternativ dazu geben Sie möglichst nur das Fenster frei, das Sie wirklich zeigen müssen, und verkleinern dieses Fenster, bis alle Teilnehmer ein ohne große Anstrengung erkennbares Bild haben. In jedem Fall sollten Sie die Teilnehmer immer um Feedback bitten und erfragen, ob das Bild gut erkennbar ist – Sie wissen nicht, an welcher Art Endgerät und mit welcher Bildschirmgröße und ‑Auflösung die anderen Meeting-Teilnehmer arbeiten.