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Warum ist „schönes Zeichnen“ wichtig?

Tim Themann

Sei es in der Erwach­se­nen­bil­dung, im (IT‑)​Training oder gar in Ver­trieb und Pre-Sales: Die­sel­ben Men­schen, die vie­le (bereit­wil­lig bezahl­te Arbeits‑)​Stunden mit der Per­fek­tio­nie­rung von Power­Point-Foli­en zubrin­gen kön­nen, hal­ten auf Flip­chart und White­board eher lieb­lo­se Zeich­nun­gen und fast unles­ba­re Schrift oft für ausreichend.

Egal, ob beim Visua­li­sie­ren von IT-Infra­struk­tu­ren (dem eigent­li­chen The­ma die­ses Blogs und vor allem des Buchs) oder in ande­ren Zusam­men­hän­gen: Mei­nes Erach­tens ist „schö­nes Zeich­nen und Schrei­ben“ in Gespräch und Mee­ting eine Fra­ge von …

Deut­lich­keit, Ernst­haf­tig­keit und Wert­schät­zung

… und damit ent­schei­dend für den Trainings‑, Pro­jekt- oder gar Verkaufserfolg.

Deutlichkeit vs. „visuelles Nuscheln“

Die Not­wen­dig­keit deut­li­cher Aus­spra­che und Ver­ständ­lich­keit wird nie­mand ernst­haft in Zwei­fel zie­hen – „ver­stan­den zu wer­den“ ist offen­sicht­lich wich­tig für die eige­ne Wirk­sam­keit. Umso erstaun­li­cher ist es, wie oft visu­ell „genu­schelt“ wird, wie ver­brei­tet prak­tisch unle­ser­li­che Schrift und kaum erkenn­ba­re Visua­li­sie­run­gen sind. Selbst, wenn Wich­ti­ges extra zur Beto­nung sei­ner Rele­vanz am Flip­chart notiert wird, ist das Ergeb­nis häu­fig kaum les­bar – und kom­ple­xe IT-Infra­struk­tu­ren bestehen nur all­zu oft ledig­lich aus ein paar unle­ser­lich beschrif­te­ten Käst­chen und Pfeilen.

Möch­ten Sie visu­ell eben­so gut ver­stan­den wer­den wie sprach­lich-audi­tiv, soll­ten Sie Ihren Visua­li­sie­run­gen Zeit und Sorg­falt wid­men. In der Hek­tik des ange­reg­ten Gesprächs oder Refe­rats erscheint dies oft schwie­rig; kurz inne­zu­hal­ten und par­al­lel zum Gespräch etwas zu visua­li­sie­ren erscheint ähn­lich läs­tig wie die Not­wen­dig­keit des gele­gent­li­chen Ein­at­mens – und es wird kaum mehr Zeit dafür auf­ge­wandt. Das reicht nicht für visu­el­le Deut­lich­keit – gön­nen Sie sich mehr Zeit dafür oder las­sen Sie es ganz: Ent­we­der das Visu­el­le ist wich­tig und soll ent­spre­chend deut­lich und ver­ständ­lich gelin­gen oder es ist unwich­tig – und kann dem­entspre­chend gänz­lich ent­fal­len. Ich hal­te das Visu­el­le als zwei­ten, das Gespro­che­ne kom­ple­men­tär ergän­zen­den Kanal für prak­tisch immer wichtig​1; kei­ne Zeit dafür zu haben, erscheint mir ähn­lich unsin­nig wie kei­ne Zeit für das Ein­at­men zu haben – und haben Sie für eines von bei­den „gefühlt“ kei­ne Zeit, reden Sie ver­mut­lich sowie­so zu schnell und zu viel, um noch gut ver­ständ­lich zu sein. Neh­men Sie sich die Zeit, deut­lich und ver­ständ­lich zu sein – beim Zeich­nen und Schrei­ben eben­so wie beim Sprechen!

Halb­wegs les­ba­re (Moderations‑)​Schrift und eine klar erkenn­ba­re Bild­spra­che sind für jeden nicht phy­sisch ein­ge­schränk­ten Men­schen erlern­bar – ich z. B. bin (an den Illus­tra­tio­nen erkenn­bar) alles ande­re als talen­tiert, kann mich aber zwin­gen, mir eini­ger­ma­ßen Mühe zu geben. „Nicht les­bar schrei­ben kön­nen“ oder „nicht erkenn­bar zeich­nen kön­nen“ gibt es nicht; das damit Koket­tie­ren ist m. E. in Wirk­lich­keit meist ein „nicht wirk­lich wol­len“ – und wird vom Zuschau­er oft­mals als ein Zei­chen man­geln­der Ernst­haf­tig­keit wahr­ge­nom­men.

Mit Ernsthaftigkeit visualisieren

Im Fach­ge­spräch oder wäh­rend eines Mee­tings bemüht man sich übli­cher­wei­se bewusst einer ande­ren Spra­che als abends gegen­über Freun­den in der Knei­pe. Eine ange­mes­se­ne Wort­wahl, mög­lichst hoch­deut­sche Aus­spra­che und eine sinn­vol­le Ver­wen­dung des jewei­li­gen Fach­jar­gons wer­den intui­tiv als not­wen­dig begrif­fen – und Ver­stö­ße gegen die­se sozia­len Sprach­nor­men übli­cher­wei­se als unpro­fes­sio­nell, als man­geln­de Ernst­haf­tig­keit bewer­tet. Dies scheint oft jedoch nur für das Sprach­li­che, nicht jedoch für das Visu­el­le zu gel­ten: Im Ver­lauf von Kun­den­ter­mi­nen z. B. in „Jugend­spra­che“ zu ver­fal­len, ist glück­li­cher­wei­se sehr unüb­lich und hät­te ernst­haf­te Aus­wir­kun­gen auf den Gesprächs­er­folg – in der Qua­li­tät von Klein­kin­der­zeich­nun­gen zu zeich­nen, scheint hin­ge­gen akzep­tiert. Ich hal­te die Aus­wir­kun­gen den­noch für vor­han­den: Dem Visu­el­len Ihrer Kom­mu­ni­ka­ti­on geht die Ernst­haf­tig­keit und Pro­fes­sio­na­li­tät ver­lo­ren, die den Inhal­ten ange­mes­sen wäre und die sich ja auch im Gespro­che­nen bereits manifestiert.

Das nach mei­nem Emp­fin­den deut­lichs­te Anzei­chen man­geln­der Ernst­haf­tig­keit in der visu­el­len Kom­mu­ni­ka­ti­on ist das voll­stän­di­ge Igno­rie­ren des Karos auf dem Flip­chart-Papier. Aus Man­gel an „visu­el­len Wor­ten“ prak­tisch jedes Ele­ment bei­spiels­wei­se einer IT-Infra­struk­tur als not­dürf­tig beschrif­te­tes Recht­eck zu visua­li­sie­ren ist durch­aus ver­ständ­lich – war­um die­se Recht­ecke aller­dings auch noch das Karo igno­rie­rend krumm und schief auf das Papier gebracht wer­den, ist mir schlei­er­haft. Gera­de IT ist (inzwi­schen) nun ein­mal ziem­lich „eckig“; die Bran­che ist den Kin­der­schu­hen ent­wach­sen und an die Stel­le des Geni­al-Künst­le­ri­schen tre­ten zuneh­mend klas­si­sche Inge­nieur­tu­gen­den – und ein Inge­nieur, der krumm und schief zeich­net, wür­de wohl kaum ernst genom­men. Sich künst­le­risch-anar­chisch dem Dik­tat des Karos nicht beu­gen zu wol­len, macht es nicht nur unnö­tig schwer, deut­lich zu zeich­nen, son­dern passt m. E. auch ein­fach nicht mehr zur Bran­che. Eine sau­be­re Soft­ware­ar­chi­tek­tur oder eine sta­bi­le IT-Infra­struk­tur soll­ten auch gezeich­net „ordent­lich“ und pro­fes­sio­nell aus­se­hen. Zeich­nen und schrei­ben Sie mit dem Qua­li­täts­an­spruch, den Sie auch ver­mit­teln möchten!

(Selbst‑)​Wertschätzend visualisieren

Sei­ne Inhal­te deut­lich und für ande­re ver­ständ­lich zu visua­li­sie­ren, ist eine Fra­ge des Ernst­neh­mens – des Ernst­neh­mens sowohl der Zuhö­rer als auch der Inhal­te und damit schließ­lich auch des Sich-selbst-Ernst­neh­mens. Damit wird es prak­tisch zwangs­läu­fig eine Fra­ge der ange­mes­se­nen Wert­schät­zung – für Sie selbst und für Ihr Publikum:

Ja, ich gebe mir mög­lichst viel Mühe beim Zeich­nen und Schreiben – …
Sie sind es mir wert und …
mei­ne Gedan­ken sind es mir wert!

Eben­so, wie man einen klu­gen Gedan­ken dadurch ent­wer­ten kann, ihn nur bei­läu­fig im Gespräch „fal­len zu las­sen“ oder „in den Bart zu nuscheln“, kann man dies visu­ell tun, indem man ihn nur „schlam­pig aufs Flip­chart wirft“. Ent­wer­ten Sie Ihre Gedan­ken nicht durch lieb­lo­se Visua­li­sie­run­gen; geben Sie sich die Mühe und neh­men Sie sich die Zeit, die Ihren Gedan­ken und Ihren Zuhö­rern ange­mes­sen ist.

Foot­no­tes:

  1.  Vgl. z. B. die „dual-coding theo­ry“ von Allan Pai­vio.
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