Ich dachte immer, die Engpassorientierung von Eliyahu M. Goldratts „Theory of Constraints“ (TOC) läge mir so nahe, weil sie so „physikalisch“ ist. In Wirklichkeit liegt das aber an meiner baggermatschlastigen Kindheit.
- Das System wird vom Engpass begrenzt: Der den Wasserfluss limitierende Faktor ist immer die engste bzw. flachste Stelle des Grabens. Möchte man den Durchsatz steigern – die Pfütze (oder in diesem Fall: das ganze Grundstück) schneller entwässern –, muss man genau dort im Matsch graben.
- Eine Verbesserung vor dem Engpass im (Arbeits‑)Fluss bringt überhaupt nichts: Buddele ich flussaufwärts von der engsten oder flachsten Stelle, erzeuge ich zwar beeindruckende Mengen tollen Matsch, aber es fließt weder schneller noch mehr – im Gegenteil: Der aufgewirbelte Matsch verstopft mir womöglich die Engstelle. Meist brauche ich keinen Stausee vor dem Engpass – zu wenig Wasser ist beim Entwässern selten das Problem und von vollgelaufenen Gummistiefeln ist noch kein Feld trockengelegt worden1.
- Ebenso sinnlos ist eine Verbesserung nach dem Engpass im (Arbeits‑)Fluss: Da die Wassermenge von der davorliegenden Engstelle begrenzt ist, füllt sich ein übermäßig großer Graben dahinter höchstens mit einem wenig beeindruckenden Rinnsal. Alle Buddelei nach der Engstelle ist umsonst – es sei denn, ich bereite mich auf eine geplante Verbreiterung der bisherigen Engstelle vor.
Neue Engpässe im (Arbeits‑)Fluss entstehen manchmal schneller, als man denkt – und oft ahnt man es sogar vorher: Ragen Baumwurzeln in den Graben, fließt das Wasser zwar anfänglich problemlos hindurch – genau dort können sich aber in kürzester Zeit Stöcker, Blätter und Schlamm zu einem Damm auftürmen, der den geneigten Baggermatsch-Damm-Bauer vor Neid erblassen lässt. Möchte man nicht mit kindlicher Pragmatik einfach schnell auf das Staudämme bauen umsteigen, sondern nachhaltig entwässern, gilt es, hier Vorkehrungen zu treffen – also z. B. baumschonend um die Wurzeln herum zu buddeln.
- WiP-Limits vermindern die Durchlaufzeit, erhöhen aber nicht zwingend den Durchsatz: An der Engstelle rast ein Papierschiffchen zwar förmlich den Fluss hinab, die Stromschnellen sind in kürzester Zeit passiert und das Schiff kommt viel schneller an als erwartet – die Pfütze wird aber trotzdem nicht schneller leer, der Durchfluss wird nun einmal durch die Engstelle begrenzt. Egal, wie schnell das Schiff den Strom hinabschaukelt: Möchte ich die Pfütze schneller leer machen, muss ich genau dort zu buddeln beginnen, wo es am schnellsten schwamm.
- Habe ich den einen Engpass im (Arbeits‑)Fluss behoben, entsteht sofort ein neuer Engpass: Mein Fluss hat immer eine engste Stelle. Buddele ich genau dort und erweitere oder vertiefe diese Stelle, ist eine andere Stelle am Flusslauf die neue Engstelle. Kurz: Es gibt immer etwas zu buddeln – bis mir das Wasser ausgeht, ich alles trockengelegt habe.
- In gesättigten Märkten gibt es keinen Absatz und die Produktion kommt zum Stillstand: Gibt es kein Gefälle oder habe ich so viel Wasser fließen lassen, dass die Wasserstände ausgeglichen sind, hört das Wasser auf zu fließen – und selbst, wenn ich es in eine Richtung „schaufele“: Es fließt einfach zurück. Übrig bleibt viel Baggermatsch.
Pfützen, Gräben und dem Wetter sei Dank: Fast alles, was man über Engpassorientierung, Eliyahu M. Goldratts „Theory of Constraints“ und das Managen des „Flows“ wissen muss, hat man meist schon als Kind im Baggermatsch gelernt – warum bloß laufen Erwachsenen im „Flow“ der Arbeit trotzdem immer die Gummistiefel voll?
Footnotes:
- ↑ Die viel weniger hohen Gummistiefel von Kindern sind hier gerade bei sehr kalten Wasser übrigens ein guter Frühindikator.