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Little’s Law – wie man WIP-Limits möglichst nicht erklärt und wie es vielleicht besser geht

Tim Themann

Kaum eine Kan­ban-Ein­füh­rung ver­geht, ohne dass irgend­wann Litt­les Gesetz erwähnt und als (meist die) Erklä­rung für die Sinn­haf­tig­keit von WIP-Limits her­an­ge­zo­gen wird. Theo­re­tisch mag die­ser Ansatz rich­tig sein, prak­tisch erscheint er mir sehr wenig zielführend.

Die wenigs­ten Infor­ma­ti­ker (und noch weni­ger Betriebs­wirt­schaft­ler) wer­den das The­ma „War­te­schlan­gen­theo­rie“ im Stu­di­um genos­sen haben – und mit einer hüb­schen For­mel am Flip­chart lässt sich auch nur beein­dru­cken, wenn sich der Trai­ner beim Erklä­ren der betei­lig­ten Varia­blen und Rah­men­be­din­gun­gen nicht hoff­nungs­los ver­has­pelt. Klar wird oft nur: Auch das Stu­di­um des Trai­ners ist schon lan­ge her – und die tol­le For­mel viel­leicht doch gar nicht so einleuchtend.

Genau genom­men scheint mir das Gegen­teil der Fall zu sein: Litt­les Theorem​1 ist für die meis­ten Men­schen hoch­gra­dig kon­train­tui­tiv; die oft nicht ganz sat­tel­fes­ten Erklä­rungs­ver­su­che enden erstaun­lich häu­fig sogar in der m. E. sehr schäd­li­chen Erwar­tungs­hal­tung, eine gerin­ge­re Durch­lauf­zeit bedeu­te zwin­gend einen höhe­ren Durch­satz. Dabei hal­te ich eine funk­tio­nie­ren­de Erklä­rung für wirk­lich wich­tig, ver­stößt die Ein­füh­rung von WIP-Limits doch gegen die Instink­te vie­ler Men­schen (m. E. vor allem gegen die Instink­te der meis­ten Führungskräfte).

Den­noch: Viel zu häu­fig dürf­te die Erklä­rung mit Little’s Law begin­nen – und dann auch gleich enden, so, als wäre damit per se bereits etwas Wich­ti­ges gesagt, tie­fe Ein­sicht erzeugt. Nichts davon ist m. E. der Fall – und wich­ti­ge Vor­tei­le von WIP-Limits wer­den zudem durch die zwar natür­lich nicht unrich­ti­ge, aber in mei­nen Augen unvoll­stän­di­ge und vor allem nur all­zu häu­fig unver­stan­de­ne Erklä­rung unterschlagen.

Wie es vielleicht besser geht: Hilfreiche Metaphern statt Formeln

Ich erklä­re die Wir­kung von WIP-Limits am liebs­ten mit einem Fluss – nicht etwa mit dem Arbeits­fluss, son­dern tat­säch­lich mit einem phy­si­schen Fluss in der Land­schaft (vgl. hier): An den Strom­schnel­len fließt das Was­ser schnel­ler; aber mehr, als durch den Eng­pass passt, passt eben auch nicht hin­durch – es sei denn, ich erwei­te­re den Fluss an genau die­ser Stelle​2. Gera­de an der Eng­stel­le fließt es zudem sehr gleich­mä­ßig, die Wir­bel sind davor und vor allem dahin­ter. Über­tra­gen auf den Arbeits­fluss: Die Durch­lauf­zeit und ihre Varianz​3 sinkt, aber der Durch­satz steigt nur, wenn ich auch mehr Men­schen dar­an arbei­ten lasse.

Ori­en­tiert sich das WIP-Limit an der tat­säch­li­chen Kapa­zi­tät, ist es also gar kein „künst­li­cher Eng­pass“ (als das WIP-Limits oft ange­se­hen wer­den), son­dern nur eine Expli­zie­rung des Faktischen​4 – und es gilt vor allem, den vor­han­de­nen Eng­pass opti­mal auszulasten​5. Wird das Fak­ti­sche des Eng­pas­ses mit der Meta­pher des Flus­ses nicht deut­lich genug, hilft mir ergän­zend oft die Meta­pher vom Flughafen6: Es soll­ten im Mit­tel eben­so vie­le Flug­zeu­ge abflie­gen wie lan­den – eben­so viel Arbei­ten fer­tig wer­den wie neue Arbeit in das Sys­tem gespeist wird –, andern­falls sta­peln sich die Flug­zeu­ge auf dem Rollfeld:

Wich­tig neben die­sen Erklä­run­gen erscheint mir aber vor allem, die wei­te­ren Vor­tei­le von WIP-Limits nicht zu unter­schla­gen (wie es mit der For­mel am Flip­chart – der Reduk­ti­on auf das The­ma „War­te­schlan­ge“ – schnell passiert):

All das steckt nicht in L = λW – und ist doch so wich­tig und in vie­len Fäl­len sogar viel wirk­sa­mer als die blo­ße Betrach­tung und Modi­fi­ka­ti­on des War­te­sys­tems. Es mit eini­gen weni­gen prä­gnan­ten Meta­phern zu illus­trie­ren, erscheint mir deut­lich wirk­sa­mer als die nack­te Theo­rie – und ergänzt man sei­ne Erläu­te­run­gen auch noch durch prak­ti­sches (und hap­ti­sches) Erle­ben – im Zwei­fel in Form eines Simulations-„Spiels“​10 –, gewinnt die­se Wirk­sam­keit womög­lich auch an Nachhaltigkeit.

Foot­no­tes:

  1.  Bei genaue­rer Betrach­tung han­delt es sich nicht um ein Gesetz, son­dern um ein Theo­rem und damit um eine Tau­to­lo­gie. Vgl. Litt­le, J. D. C.; Gra­ves, S. C.: Little’s Law. In: Chha­jed, Dil­ip (Hrsg.); Lowe, Timo­thy J. (Hrsg.): Buil­ding Intui­ti­on. Insights from Basic Ope­ra­ti­ons Manage­ment Models and Prin­ci­ples. Sprin­ger Sci­ence & Busi­ness Media (2008). S. 85. 
  2.  An die­ser Stel­le erscheint mir manch­mal ein kur­zer Exkurs zu Eli­ya­hu M. Gold­ratts Theo­ry of Con­s­taints (TOC) empfehlenswert.
  3.  Auch etwas, des­sen tie­fe­rer Sinn sich nicht jedem auf Anhieb erschließt – hier von „Qua­li­tät“ zu spre­chen, hat sich als hilf­reich erwiesen.
  4.  Vgl. bspw. <https://​www​.leana​bi​li​ty​.com/​d​e​/​b​l​o​g​-​d​e​/​2​0​1​7​/​1​0​/​w​i​p​-​l​i​m​i​t​s​-​m​u​e​s​s​e​n-sterben/> (03.08.2020) nebst der Dis­kus­si­on zu die­sem Beitrag.
  5.  Wie man einen Eng­pass trotz War­te­zei­ten opti­mal aus­las­tet, erklä­re ich gern mit der Meta­pher von der Zahn­arzt­pra­xis; vgl. hier.
  6.  Vgl. LEANa­bi­li­ty, a. a. O.
  7.  Schön zusam­men­ge­fasst bspw. unter <https://​www​.apa​.org/​r​e​s​e​a​r​c​h​/​a​c​t​i​o​n​/multitask>, archi­viert am 30.07.2020 unter <https://web.archive.org/web/20200730015607/https://www.apa.org/research/action/multitask>.
  8.  Vgl. Baeth­ge, A.; Rigot­ti, T.: Arbeits­un­ter­bre­chun­gen und Mul­ti­tas­king. Ein umfas­sen­der Über­blick zu Theo­rien und Empi­rie unter beson­de­rer Berück­sich­ti­gung von Altersdifferenzen
    1. Auf­la­ge. Dort­mund: Bun­des­an­stalt für Arbeits­schutz und Arbeits­me­di­zin 2010. Dan­kens­wer­ter­wei­se online ver­füg­bar unter <https://​www​.baua​.de/​D​E​/​A​n​g​e​b​o​t​e​/​P​u​b​l​i​k​a​t​i​o​n​e​n​/​B​e​r​i​c​h​t​e​/​F2220.html> (03.08.2020).
  9.  Vgl. <https://​www​.besmart​-mobil​.de/​u​n​f​a​l​l​u​r​s​a​c​h​e​-​n​r​-​1​-​s​m​a​r​t​p​h​o​n​e​-​am-steuer/> (03.09.2020).
  10.  Bspw. Fea­tur­eban, vgl. hier.
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