Die wenigsten Menschen nutzen die fortgeschritteneren Möglichkeiten von Word und Excel. Bei PowerPoint scheint mir das völlig anders zu sein: Auch noch die versteckteste Möglichkeit wird genutzt – gerade, wenn es um Animationen und Folienübergänge geht. Es hat manchmal schon etwas von „Schau mal, was ich Tolles gemacht hab‘ “. Ich wünsche mir weniger Animationen in PowerPoint und mehr Tabulatoren in Word.
Als Vertreter eines geradezu puristischen Präsentationsstils verbringe ich naturgemäß recht wenig Zeit mit den „Animationen“- und (Folien‑)„Übergänge“-„Ribbons“ in PowerPoint. Schreibe ich also (inspiriert durch eine Diskussion auf Twitter) einen Artikel zu diesem Thema, ist zu erwarten, dass ich vor allem darüber schreibe, welche Animationen man besser weglassen sollte – und warum. Diese Erwartungshaltung möchte ich nicht enttäuschen:
Animationen
Die meisten Animationen, die man in Präsentationen zu sehen bekommt, tragen m. E. nichts zur Wirksamkeit des Vortrags bei. Tragen sie aber nichts bei, lenkt die Bewegung potentiell vom Referenten und den Inhalten ab – den eigentlichen beiden Stars auf der Bühne! Das Schlimmste aber ist: Animationen lenken nicht nur vom, sondern auch den Referenten ab: Das gesprochene Wort muss auf einmal nicht nur mit dem Fluss der Folien, sondern mit womöglich hochkomplexen Animationen, die „weitergeklickt“ werden wollen, synchronisiert werden. Auch hier ist oft zu vermuten: Mehr Konzentration auf das gesprochene Wort hätte mehr zur Wirksamkeit des Vortrags beigetragen als die jeweilige Animation.
In vielen Fällen wirkt der Einsatz von Animationen geradezu anachronistisch:
Animierter Text
Zu Zeiten, in denen man seine Präsentationen in zwangsläufig kleiner Schrift auf der Schreibmaschine erstellt und dann für teures Geld auf (Overheadprojektor‑)Folie kopiert hat, war es ausgesprochen sinnvoll, die Stichpunkte auf der Folie beim Präsentieren mit einem Blatt Papier ab- und im Verlaufe des Vortrags Punkt für Punkt aufzudecken. Dieses Vorgehen sparte teure Folien – und größere Schrift war mit der Schreibmaschine ohnehin nicht möglich. Eine Folie mehr oder weniger in einer PowerPoint-Präsentation zu haben, macht keinen Kostenunterschied: Heutzutage kann man kostenneutral jedem einzelnen Punkt eine Folie, eine eigenständige Visualisierung, widmen. Dazu kommt: Viel Text auf Folien ist sowieso wenig sinnvoll (vgl. bspw. hier); lohnt es sich überhaupt, den Text auf einer Folie zu animieren, hat man vermutlich zu viel davon. Animierter Text i. S. dieser zeilenweisen „Overheadfolien-Dramaturgie“ bildet meist nur eine Sparmaßnahme nach, die ihre Berechtigung verloren hat. Er trägt nichts zur Wirksamkeit bei.
Die Krönung der Ablenkungen aber sind einzeln einfliegende Buchstaben: Menschen reagieren auf Bewegung – dem genetischen Erbe des Fluchttieres können wir uns nicht entziehen – wir verfügen gar über einen quasi in unsere „Hardware“ integrierten Bewegungssensor, den sogenannten „Hassenstein-Reichardt-Detektor“. Zudem sind wir angeboren neugierig – und so starrt das Publikum wie gebannt auf die einfliegenden Buchstaben und versucht quasi „Glücksrad“ spielend möglichst schnell zu erraten, was dort wohl am Ende geschrieben stehen könnte. Was vom Referenten ursprünglich vermutlich als „Spannung aufbauend“ gedacht war, verkommt zu einem ablenkenden Ratespiel und kostet – abhängig von der Geschwindigkeit der Animation – unnötig Zeit.
Wenn Sie schon größere Mengen Text auf Ihren Folien haben: Animieren Sie ihn nicht auch noch – erst recht nicht buchstabenweise. Und falls sie es doch für dramaturgisch sinnvoll halten: Überlegen Sie, ob es nicht besser wäre, die Inhalte über mehrere Folien zu verteilen.
Dinge erscheinen lassen
Dieses Vorgehen hat nach meiner Erfahrung eine ganze Reihe von Vorteilen:
- Ich kann für jedes „Entwicklungsstadium“ meines Bildes Referentennotizen anlegen, die mir später während der Entwicklung des Gesamtbildes der Reihe nach in der Referentenansicht angezeigt werden.
- Auch ausgedruckt erhalte ich die Stadien der „Pseudo-Animation“ mitsamt der jeweiligen Notizen auf einzelnen Seiten. Ich übe Vorträge oft und gern mit den ausgedruckten Notizen.
- Ich sehe in der Referentenansicht über die Vorschau auf die kommenden Folien die weitere Entwicklung der „Pseudo-Animation“.
Diese ersten drei Punkte wirken m. E. einigermaßen zuverlässig der eingangs erwähnten Ablenkung des Referenten entgegen – auf Folienwechsel muss man sich ohnenhin konzentrieren.
- Ich kann durch Vor- und Zurückblättern auch in sehr komplexen Szenarien sicher und konsistent in der „Pseudo-Animation“ vor- und zurückspringen – auch mit einem Presenter: Folien wechseln klappt eigentlich immer.
- Das fast Wichtigste ist aber: Ich kann bei Bedarf auch mit einem PDF-Export präsentieren und die „Pseudo-Animation“ bleibt (im Gegensatz zu „echten“ PowerPoint-Animationen) erhalten. Auf fremden Computern präsentiere ich möglichst immer mit einer PDF-Datei, um unliebsame Überraschungen durch fehlende oder „zwangs-ersetzte“ Schriftarten oder sich am entscheidenden Punkt geringfügig anders verhaltende Softwareversionen zu vermeiden. Auch bei Präsentationen mit dem eigenen Gerät habe ich immer eine PDF-Version auf einem USB-Stick am Körper getragen3 dabei – ein relativ sicherer „Notnagel“, der mit „normal“ animierten Folien nicht möglich wäre.
Dinge bewegen
Nicht nur das Erscheinen von Teilen des Bildes, auch Bewegung im Bild selbst kann durchaus hilfreich sein. Dass auch die Entwicklung von ansonsten recht trockenen Zahlen wirksam z. B. in Form wachsender Säulen dargestellt werden kann, sieht man spätestens an Wahlabenden an den animierten Infografiken der Wahlforscher.
Die Möglichkeiten von PowerPoint sind aber viel größer – und die Versuchung ist dementsprechend groß: Pfadanimationen ermöglichen es, die auf den ersten Blick vielleicht gar „dröge“ wirkenden Folien zu ganzen kleinen „Erklärfilmen“ auszubauen – und die können selbstverständlich sehr wirksam sein. Bewegung lässt sich nun einmal gut durch Bewegung visualisieren; die (in diesem Fall dritte) zusätzliche Dimension der Zeit erweitert die statischen Folien zum Bewegtfilm. Das Problem ist m. E., dass Bewegtbilder ein völlig anderes Medium sind – man vergleiche nur den Urlaubs-Dia-Vortrag mit der Vorführung eines Urlaubsvideos: Bewegte Bilder haben eine andere Erzählstruktur – sie neigen meiner Erfahrung nach viel stärker als statische „Dias“ dazu, den Erzähler (den Referenten) in den Hintergrund zu drängen. Dessen muss man sich bewusst sein – eine komplexe Animation zu zeigen, ähnelt mitunter eher der Vorführung eines Videos.
Aber auch einfachere Animationen von Bewegungsprozessen in Vortragssituationen können problematisch sein: Der Mensch mag gleich einem Fluchttier auf Bewegung reagieren, aber der Referent und seine Folien stehen dennoch immer in Konkurrenz zu Ablenkungen aller Art – nicht zuletzt dem (potentiell auch Bewegtes zeigenden!) Smartphone. Das Publikum hat gegenüber einer Präsentation eine andere Rezeptionshaltung und ein anderes Rezeptionsverhalten als beispielsweise gegenüber einem Kinofilm: Es schaut nicht kontinuierlich hin; man erwartet (im Gegensatz zum Kinofilm) nicht, etwas Wichtiges zu verpassen, wenn man kurz wegschaut oder gar nur gelegentlich hinschaut. Die Wahrscheinlichkeit, dass selbst eigentlich aufmerksame Zuhörer die mühsam erstellte Animation schlicht verpassen, ist groß. Übrig bleibt in der Wahrnehmung des Publikums ein „Vorher – Nachher“ – und das ist u. U. zu wenig, um den jeweiligen Sachverhalt zu illustrieren. Ist man sich nicht sicher, die Aufmerksamkeit des Publikums nicht nur auditiv, sondern auch visuell zu hundert Prozent zu genießen, leisten eine oder mehrere (s. o.) statische Folien mit Bewegung andeutenden Pfeilen womöglich bessere Dienste.
Wenn’s denn doch mal sein muss
Kann oder möchte ich Animationen nicht vermeiden, versuche ich, diese möglichst immer automatisch ablaufen zu lassen – idealerweise zwei oder drei Sekunden nach dem Folienwechsel. Auf diese Weise vermeide ich, mich während des Vortrags auch noch auf die Animation konzentrieren zu müssen, vermeide ich die eingangs erwähnte Ablenkung des Referenten; das Präsentieren der Folien wird nicht unnötig verkompliziert.
Wirklich nur „Gezappel“
Clipart trägt nur selten zur Wirksamkeit des Vortrags bei (vgl. hier) und hat meist eher illustrativen Charakter (vgl. hier). Animierte Clipart wirkt m. E. meist fatal: Die Aufmerksamkeit des Publikums wird fast zwangsläufig vom in einer Endlosschleife „zappelnden“ GIF gebunden; die menschliche „Bildverarbeitung“ und ihr Fokus können sich der Bewegung kaum entziehen. Möchte man z. B. aus irgendwelchen Gründen, dass das Publikum statt auf den Redner und die Rede auf ein in der rechten oberen Ecke der Folie hüpfendes Männchen fokussiert ist: So funktioniert es ziemlich sicher. Meist möchte man aber, dass das Publikum auf Referenten und Referat fokussiert ist – und animierte GIFs haben dementsprechend auf den Folien nichts zu suchen.
Folienübergänge
Natürlich können in bestimmten Fällen auch animierte Folienübergänge sinnvoll sein. Baut man wie oben beschrieben „Pseudo-Animationen“ aus mehreren Folien, bestimmen die Folienübergänge, wie neue Teile des Bildes erscheinen. Auch ein an die Bildsprache des Kinos angelehntes Ein- und Ausblenden über Schwarz kann eingesetzt werden, um beispielsweise eine Zäsur zu markieren – aber all‘ dies sollte sehr sparsam dosiert werden, um den Eindruck und die Wirkung eines „Pausenclowns“ zu vermeiden.
Exkurs: Prezi
Prezi (<https://prezi.com/>) wird nur allzu oft mit PowerPoint verglichen und als direkte Alternative positioniert (in angenehm undogmatischer Weise z. B. in diesem Artikel von Peter Claus Lamprecht). Meines Erachtens erzeugt (oder besser „bedingt“: Inhalt und Struktur sollten vor Methode und Werkzeug kommen!) Prezi eine andere Erzählstruktur: Geht man beispielsweise aus einem Gesamtbild mehrfach ins Detail, bilden die „Kamerafahrten“ von Prezi die Erzählstruktur visuell nach; das Hinein- und Hinauszoomen gehört immanent zur erzählten Geschichte und dürfte die Wirksamkeit der Präsentation steigern. Fährt die „Kamera“ aber lediglich von Punkt zu Punkt, unterscheidet sich ein Prezi m. E. nur marginal von einer PowerPoint-Präsentation (vgl. hier) – und für die oft spektakulären „Kamerafahrten“ gilt vermutlich alles, was ich hier über Folienübergänge geschrieben habe, analog.
Zusammenfassung
Animationen können das Statisch-Visuelle einer Präsentation sinnvoll ergänzen und die Wirksamkeit steigern – müssen dafür aber gezielt und sparsam eingesetzt werden. Viele Animationen erscheinen mir wahllos eingesetzt oder Ergebnis einer sinnlos gewordenen Tradition zu sein. Wahllos eingesetzte Animationen lenken das Publikum und den Referenten ab – die Wirksamkeit sinkt.
Und nein: Ich halte PowerPoint nicht für per se „böse“ und glaube ich nicht, dass wir derzeit Alternativen benötigen.
Footnotes:
- ↑ Nutzung mit Genehmigung von Microsoft.
- ↑ Genaugenommen gehe ich der Einfachheit halber natürlich andersherum vor: Ich erstelle die letzte Folie (mit dem „Gesamtbild“) zuerst, kopiere diese mehrfach und lösche von Kopie zu Kopie immer mehr Teile aus dem Bild heraus.
- ↑ Oder zumindest nicht in derselben Tasche wie mein Notebook.
- ↑ Auch Kunst will wirksam sein.
- ↑ Nutzung mit Genehmigung von Microsoft.