Rüstzeit in Online-Meetings – technisch und sozial

Dies ist übri­gens der letz­te Arti­kel zum The­ma „Online-Mee­tings“, der auch Bestand­teil des Buchs ist – alle nach­fol­gen­den Arti­kel wer­den neu­er, das Buch ergän­zen­der Inhalt sein.

Ein phy­si­sches Mee­ting beginnt meist mit sozia­ler Rüst­zeit, ein Online-Mee­ting hin­ge­gen nur all­zu häu­fig mit tech­ni­scher Rüst­zeit. Tech­ni­sche Rüst­zeit nun ist m. E. ech­te Rüst­zeit – etwas, was es im Inter­es­se der Effi­zi­enz zu redu­zie­ren gilt. Es ist ein­fach nicht ein­zu­se­hen, war­um immer noch​1 regel­mä­ßig Mee­tings erst nach minu­ten­lan­gem Kampf mit der Tech­nik star­ten – vor allem, weil die­ser Kampf meist lokal statt­fin­det, meist Head­sets, Kame­ras o. Ä. betrifft, meist also im direk­ten Ein­fluss­be­reich und damit der Ver­ant­wor­tung jeweils des ein­zel­nen Teil­neh­mers liegt.

Sozia­le Rüst­zeit – so sehr ich den ja eher ein wenig spöt­tisch gemein­ten Begriff auch lie­be – ist m. E. kei­ne ech­te Rüst­zeit: Der nicht am Ziel der Bespre­chung ori­en­tier­te Small Talk zu Beginn fast jedes Mee­tings ist m. E. eine wich­ti­ge Pha­se in der Kon­sti­tu­ti­on oder Fes­ti­gung der sozia­len Grup­pe, berei­tet die dar­auf fol­gen­de inhalt­li­che Arbeit vor und ist somit kei­nes­wegs ver­schwen­de­te Zeit, son­dern dient viel­mehr der Effi­zi­enz und Effek­ti­vi­tät – sofern er nicht zu sehr aus­ar­tet und man gar nicht mehr in die Arbeits­pha­se kommt.

Für Online-Mee­tings und Video­kon­fe­ren­zen las­sen sich mei­ner Erfah­rung nach aller­dings drei nega­ti­ve Effek­te beobachten:

  • Die sozia­le Rüst­zeit fällt oft­mals weg – sei es, weil es kein ech­tes Zwei­er­ge­spräch zwi­schen Sitz­nach­barn gibt (es im Vir­tu­el­len ja nicht ein­mal Sitz­nach­barn oder gegen­über Sit­zen­de gibt), oder weil vir­tu­el­le Mee­tings von den Betei­lig­ten bewusst oder unbe­wusst auf eine deut­lich höhe­re Effi­zi­enz getrimmt wer­den als „nor­ma­le“ Besprechungen.
  • Die tech­ni­sche Rüst­zeit geht oft von der sozia­len Rüst­zeit ab – hat man schon Minu­ten mit dem „Onboar­ding“ der Teil­neh­mer ver­bracht, ist die Unge­duld oft groß und die Grup­pe möch­te schnell ins Arbei­ten kommen.
  • Pau­sen wer­den nur sehr wenig für infor­mel­le Inter­ak­tio­nen genutzt; die Teil­neh­mer sind in den meist (zu) knapp bemes­se­nen Pau­sen mit ihren indi­vi­du­el­len mensch­li­chen Bedürf­nis­sen beschäftigt.

Die­sen nega­ti­ven Effek­ten gilt es m. E. entgegenzuwirken:

  • Pla­nen Sie mit sozia­ler Rüst­zeit und begüns­ti­gen Sie die­se. Wie so häu­fig gilt es auch hier oft weni­ger, etwas zu för­dern als etwas nicht (womög­lich aus Ver­se­hen) zu ver­hin­dern: Meist reicht es ein­fach, nicht sofort „hart“ ins The­ma ein­zu­stei­gen, son­dern dem auto­ma­tisch ent­ste­hen­den infor­mel­len Aus­tausch ein paar Minu­ten der Mee­ting-Zeit zu überlassen.
  • Pla­nen Sie aus­rei­chend lan­ge Pau­sen ein und keh­ren Sie ggf. demons­tra­tiv vor Ende der Pau­se zum Small Talk zurück. Eine ech­te Pau­se soll­te nicht nur dazu die­nen, schnell Kaf­fee zu holen und auf die Toi­let­te zu gehen, son­dern auch ein wenig Erho­lung ermög­li­chen – für sich selbst oder eben in Form infor­mel­ler sozia­ler Inter­ak­ti­on, das soll­te m. E. jedem Teil­neh­mer selbst über­las­sen bleiben.
  • Redu­zie­ren Sie die tech­ni­sche Rüst­zeit so weit wie mög­lich – und die Ver­ant­wor­tung dafür liegt womög­lich gar nicht nur beim ein­zel­nen Teil­neh­mer, son­dern auch bei dem­je­ni­gen, der für die tech­ni­sche Aus­stat­tung der Teil­neh­mer ver­ant­wort­lich ist. Ein gutes Head­set (vgl. hier) z. B. kos­tet meist weni­ger als die Arbeits­zeit, die den war­ten­den Teil­neh­mern ver­lo­ren geht​2.

Fuß­no­ten:

  1.  Lies: Nach über einem Jahr pan­de­mie­be­dingt mas­siv erhöh­ter Ver­brei­tung des Homeoffice.
  2.  Und an die­ser Stel­le von „Eh-da-Kos­ten“ zu spre­chen, ist m. E. wenig wert­schät­zend und gera­de­zu zynisch.

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