Die New York Times behauptete vor einigen Tagen in einem der wenigen Berichte über die internen Mitarbeiterschulungen bei Apple, „Apple may well be the only tech company on the planet that would dare compare itself to Picasso“1. Das darauf folgende Medien- (z. B. bei Spiegel Online) und Twitter-Echo (vor allem durch die aufgeregte Schar der Apple-„Jünger“ ) war wie immer groß. Obgleich ich privat überzeugter Apple-Anwender bin, gehöre ich nicht zu den Menschen, die jedwede Nachricht und jedwedes Gerücht sofort lesen oder gar kommentieren müssen – eine Episode dieser Nachricht jedoch ist gerade für das Thema „Visualisieren“ interessant und verdient eine kurze Würdigung: Die Beschränkung auf das Wesentliche – sicherlich eines der dem Apple-Design zugrundeliegenden Paradigmen – am Beispiel von Picassos Lithographie-Serie „Stier“ zu illustrieren, finde ich eine hervorragende Idee. Das Endergebnis – die abstrakte und auf seine Quidditas beschränkte Darstellung des Stiers in der elften Lithographie (hier beim MoMa) – ist ebenso prototypisch für den „Stier an sich“ wie Picassos Entwicklung des Motivs in elf Schritten2 prototypisch ist für die abstrahierende Reduktion auf das Wesentliche. Betrachtet man diese elfte Lithographie der Reihe genauer, wird exemplarisch am Beispiel des Stiers deutlich, was Reduktion auf ein Minimum bedeutet und was wesentlich (und dementsprechend eben nicht „wegzureduzieren“) ist:
- Vier Beine, …
- … ein (buchstäblich) „bulliger“ Körper, …
- … ein Kopf mit ausladenden Hörnern, …
- … ein Schwanz und …
- … männliche Geschlechtsteile.
Obwohl mein Kunstverständnis definitiv nicht ausreicht, um Picassos Werk angemessen zu würdigen: Die Art und Weise, in der er quasi die Essenz des Stiers von der ersten bis zur elften Lithographie herausgearbeitet hat (z. B. hier), beeindruckt mich – und kann bei der Entwicklung neuer „Wörter“ der eigenen Bildsprache durchaus als Vorbild dienen. Gelingt es, wirklich zu erkennen, was für die „Washeit“ eines Dings entscheidend ist, und gelingt es im nächsten Schritt, dies möglichst einfach (ich zähle beim elften Stier neun Striche und zwei Ovale – oder wahlweise elf [!] Striche) zu Papier zu bringen, entsteht die pragmatische Klarheit und Ausdrucksstärke wirksamer visueller Kommunikation – auch ohne Picasso nachzueifern oder sich gar zu vergleichen.
Footnotes:
- ↑ New York Times. „Simplifying the Bull: How Picasso Helps to Teach Apple’s Style. Inside Apple’s Internal Training Program.“ <http://nyti.ms/1vvGptV>. (17.08.2014)
- ↑ Schön erläutert z. B. unter <http://www.artyfactory.com/art_appreciation/animals_in_art/pablo_picasso.htm> (13.08.2014).