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Online oder offline?

Tim Themann

Was pan­de­mie­be­dingt in vie­len Orga­ni­sa­tio­nen in den letz­ten Mona­ten kei­ne Fra­ge war, wird jetzt zuse­hends zum Gegen­stand mehr oder min­der hit­zi­ger Dis­kus­sio­nen: Soll­te eine Bespre­chung als Online-Mee­ting oder als „Prä­senz­ver­an­stal­tung“ durch­ge­führt werden? 

Vor eini­gen Tagen ver­öf­fent­lich­te Olaf Hinz in sei­nem (auch zu ande­ren The­men sehr lesens­wer­ten!) Lot­sen­blog zu die­ser Fra­ge eine m. E. sehr nütz­li­che Ent­schei­dungs­hil­fe1, die für ver­schie­de­ne Mee­ting-Anläs­se bzw. die jeweils not­wen­di­gen Inter­ak­tio­nen eine Prä­fe­renz für Online- bzw. Off­line-For­ma­te vor­schlägt und zudem vom ver­meint­li­chen Kom­pro­miss des hybri­den Mee­tings abrät​2. Wenn­gleich mir der Ansatz, anhand der kom­mu­ni­ka­ti­ven Inter­ak­ti­ons­for­men zu dif­fe­ren­zie­ren, extrem sinn­voll erscheint, wür­de ich gern eini­ge wei­te­re Dimen­sio­nen ergän­zen, die mir für die Fra­ge „Online oder Off­line?“ zusätz­lich sehr ent­schei­dungs­re­le­vant erscheinen.

Den­ke ich über Inter­ak­tio­nen in der Grup­pe nach, bin ich eigent­lich immer geneigt, das Vier­fak­to­ren­mo­dell der The­men­zen­trier­ten Inter­ak­ti­on (TZI) zu bemü­hen. Der eigent­li­che Anlass des Mee­tings und die zur Ziel­er­rei­chung not­wen­di­gen Inter­ak­tio­nen decken dabei vor­ran­gig einen Fak­tor – „Es“, „das The­ma“ – die­ses Modells ab. An die­ser Stel­le möch­te ich ver­su­chen, auch die wei­te­ren Fak­to­ren in Bezug auf die Fra­ge „Online oder off­line?“ zu beleuchten:

Ich – die einzelnen Personen

Mei­ner Erfah­rung nach haben vie­le Men­schen zu der Fra­ge „Online oder off­line?“ eine ver­gleichs­wei­se star­ke und sta­bi­le Mei­nung, die zu berück­sich­ti­gen – hat man über­haupt die Wahl – sicher­lich nicht unklug ist. Viel wich­ti­ger aber: Unter­schied­li­che Men­schen ver­hal­ten sich online bzw. off­line auch durch­aus unter­schied­lich; ich habe bei­spiels­wei­se häu­fi­ger erlebt, dass eher intro­ver­tier­te Men­schen Online-Mee­tings ver­mehrt prä­fe­rie­ren und sich in Online-For­ma­ten tat­säch­lich auch stär­ker betei­li­gen. Zudem ist das eine oder ande­re For­mat für den einen oder ande­ren Men­schen auf­grund der jewei­li­gen Arbeits- oder Lebens­si­tua­ti­on prag­ma­tisch ein­fach sinn­vol­ler; dies zu berück­sich­ti­gen, erscheint mir wich­tig. Zu guter Letzt beherr­schen unter­schied­li­che Men­schen die ver­wen­de­te Tech­nik unter­schied­lich gut. Kurz: Sich die Teil­neh­mer eines Mee­tings vor­ab unter die­sen Aspek­ten genau anzu­schau­en, dürf­te für die Ent­schei­dungs­fin­dung „Online oder off­line?“ sehr hilf­reich sein.

Wir – die Gruppe

Im Ver­lau­fe des letz­ten Jah­res habe ich in ver­schie­dens­ten Grup­pen und Orga­ni­sa­tio­nen erlebt, dass es so etwas wie einen „Online-Rei­fe­grad“ von Teams gibt und die­ser durch­aus durch Übung gestei­gert wer­den kann – aber nicht zwangs­läu­fig muss. Die­ser Rei­fe­grad äußert sich nicht nur in Form der gemein­sa­men Technikbeherrschung​3, son­dern vor allem auch sozi­al-kom­mu­ni­ka­tiv: Wie geht die Grup­pe mit­ein­an­der um, wel­che impli­zi­ten und expli­zi­ten Regeln und Prin­zi­pi­en (vgl. hier) sind für Online- wie auch Off­line-For­ma­te fest­ge­legt wor­den oder ein­fach ent­stan­den? Wie ein­ge­spielt ist das Dis­kurs­ver­hal­ten der Grup­pe, wie wert­schät­zend der Umgang mit­ein­an­der? Zu guter Letzt: Gera­de in Orga­ni­sa­tio­nen, die schon län­ger eine „full remote“-Kultur pfle­gen, beant­wor­tet sich die Fra­ge „Online oder off­line?“ völ­lig anders als in einer Kul­tur, die bis­her zu 100% auf Prä­senz aus­ge­legt war.

Es – das Thema

„Das The­ma“ ist m. E. schon sehr nah an dem von Olaf Hinz‘ ange­führ­ten Aspekt des „Anlas­ses“ (s. o.). Hier gilt aller­dings Ähn­li­ches wie für die Fra­ge „Syn­chron oder asyn­chron?“ (vgl. hier): Häu­fig hat eine Bespre­chung nicht nur ein The­ma, nicht nur einen Anlass und erst recht nicht nur eine Form der Inter­ak­ti­on. Im Rah­men der Ent­schei­dungs­fin­dung „Online oder off­line?“ soll­te man also m. E. das Mee­ting bzw. sei­ne Agen­da in sei­ne Ein­zel­tei­le zer­le­gen und für jeden ein­zel­nen Teil ent­schei­den – idea­ler­wei­se zwi­schen drei Vari­an­ten: „Online“, „off­line“ und „asyn­chron“ (vgl. hier). Nicht ver­ges­sen soll­te man auf jeden Fall: „Es“ – das The­ma – ist nur einer von vier Aspek­ten – und womög­lich in vie­len Fäl­len gar nicht der entscheidende.

Der Globe – das Umfeld

Das Umfeld in all sei­nen Facet­ten – ange­fan­gen bei orga­ni­sa­to­ri­schen Fra­gen über das Öko­lo­gi­sche, das Sozia­le, das Poli­ti­sche und nicht zuletzt bei­spiels­wei­se recht­li­che Rah­men­be­din­gun­gen – hat mei­ner Erfah­rung nach eben­falls einen deut­li­chen Ein­fluss auf die Ent­schei­dung „Online oder off­line“. Im Moment z. B. fin­den sehr vie­le Mee­tings auf­grund der pan­de­mi­schen Lage als Video­kon­fe­renz statt – ein klas­si­scher Fall von Ein­fluss des „Glo­bes“. Aber auch die Dis­kus­sio­nen über den Daten­schutz in Video­kon­fe­ren­zen, der Man­gel an tech­ni­scher Aus­stat­tung in vie­len Berei­chen u. v. m. gehö­ren zum Umfeld der Ent­schei­dung – und beein­flus­sen sie.

Der Anlass und die zur Ziel­er­rei­chung not­wen­di­gen Inter­ak­tio­nen sind ein sehr guter Aus­gangs­punkt, um sich der Fra­ge „Online oder off­line?“ zu näh­ren – es gibt m. E. zusätz­lich noch vie­le wei­te­re Aspek­te in den erwähn­ten wei­te­ren drei Dimen­sio­nen, die berück­sich­tigt wer­den soll­ten. Das „Ich“, das „Wir“ und nicht zuletzt das Umfeld sind mei­ner Erfah­rung nach häu­fig extrem rele­vant für den Ver­lauf eines Mee­tings – die­se Dimen­sio­nen zu berück­sich­ti­gen, ist also ver­mut­lich eben­so ent­schei­dend wie der eigent­li­che Inhalt.

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