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Online-Moderation ohne viele Tools

Tim Themann

In vie­len Orga­ni­sa­tio­nen wer­den vir­tu­el­le Mee­tings aus Daten­schutz- oder Sicher­heits­grün­den auf die rei­ne Video­kon­fe­renz beschränkt. Wirk­sa­me Online-Mode­ra­ti­on geht aber auch ohne vie­le Tools!

Wel­ches (natur­ge­mäß im Moment vir­tu­el­le) Bar­Camp oder PMCamp ich in die­sem Jahr auch „besuch­te“: Es gab prak­tisch immer eine Ses­si­on zum The­ma „vir­tu­el­le Mode­ra­ti­on“ – und fast immer teil­ten sich die Teil­neh­mer in zwei Grup­pen auf: Die eine Grup­pe pro­bier­te begeis­tert unter­schied­lichs­te Werk­zeu­ge zur Online-Mode­ra­ti­on​1 (die meist auch bei der Camp-Orga­ni­sa­ti­on zum Ein­satz kamen) aus – und die ande­re Grup­pe berich­te­te, sie wür­den aus mehr oder min­der nach­voll­zieh­ba­ren Daten­schutz- oder Sicher­heits­grün­den auf fast alles ver­zich­ten müs­sen, sei­en tech­nisch auf die rei­ne Video­kon­fe­renz beschränkt. Wir sind in Deutsch­land; die ein­zig sinn­vol­le Reak­ti­on an die­ser Stel­le scheint also zu sein, mehr oder min­der fun­diert wahl­wei­se über den Stand der „Digi­ta­li­sie­rung“ oder den Daten­schutz zu phi­lo­so­phie­ren – und natür­lich dar­über zu lamen­tie­ren, was man nicht hat. Man könn­te aber auch dar­auf schau­en, was man hat: Kame­ra, Chat und Bild­schirm­frei­ga­be – und damit geht schon eine gan­ze Menge!

Kamera

In einer Video­kon­fe­renz hat man eine Kame­ra – auch, wenn sich das meist bei zumin­dest eini­gen Mee­ting-Teil­neh­mern noch nicht her­um­ge­spro­chen zu haben scheint und man oft­mals nur auf die das abge­schal­te­te Kame­ra­bild erset­zen­den Ava­tare schaut. Allein schon mit einer Kame­ra lässt sich viel anfan­gen – hier nur eini­ge Beispiele:

Chat

Ist die Kame­ra oft unge­liebt und abge­schal­tet, wird der Chat meist ganz ver­ges­sen – oder aller­höchs­tens als Kanal für Zwi­schen­fra­gen oder qua­si auf der Meta­ebe­ne für Dis­kus­sio­nen über die Ton­qua­li­tät genutzt. Dabei ist der Chat ein wun­der­ba­res Mode­ra­ti­ons­werk­zeug: Prak­tisch alles, was man sonst durch Kar­ten­ab­fra­gen o. Ä. sam­meln wür­de, lässt sich auch über den Chat sam­meln. Ver­mut­lich am ein­fachs­ten funk­tio­niert das mit einem „Chat Storm“: Der Mode­ra­tor for­dert die Teil­neh­mer auf, ihre Idee bzw. ihren Bei­trag in das Chat-Fens­ter zu tip­pen, aber noch nicht abzu­sen­den. Nach einer der Fra­ge­stel­lung ange­pass­ten Zeit sen­den dann alle Work­shop-Teil­neh­mer ihre Bei­trä­ge gleich­zei­tig in den Chat. Das „Noch-nicht-sen­den“ muss bei die­sem Vor­ge­hen sehr deut­lich kom­mu­ni­ziert wer­den, zumin­dest beim ers­ten Ver­such sen­den erfah­rungs­ge­mäß vie­le Teil­neh­mer ihre Nach­rich­ten aus Ver­se­hen sofort ab – sei es reflex­haft oder auf­grund von Fehl­be­die­nun­gen. Dem­entspre­chend emp­fiehlt sich bei wich­ti­gen Fra­ge­stel­lun­gen sicher­lich eine Übungs­run­de vor­ab. Auch wenn es zuerst so aus­sieht, ist die­se Metho­de prin­zi­pi­ell übri­gens nicht auf einen Bei­trag pro Teil­neh­mer beschränkt: In der einen Nach­richt eines Teil­neh­mers kön­nen natür­lich auch meh­re­re Stich­punk­te ent­hal­ten sein. Im Ver­gleich zum „klas­si­schen“ Brain­stor­ming sehe ich bei die­sem Vor­ge­hen zwei Unter­schie­de, die durch­aus ihre Vor­tei­le haben kön­nen: Die Bei­trä­ge blei­ben bis zum Abschluss der Samm­lungs­pha­se wirk­lich unkom­men­tiert und wer­den vor dem Abschluss der Samm­lungs­pha­se von der Grup­pe ganz sicher gar nicht wahr­ge­nom­men. Alter­na­tiv zum gleich­zei­ti­gen Absen­den kann man den Chat natür­lich auch für eine kon­ti­nu­ier­li­che Samm­lungs­pha­se nutzen.

Im Anschluss an die Samm­lungs­pha­se (den „Chat Storm“) kön­nen alle Bei­trä­ge aus dem Chat expor­tiert bzw. kopiert und am frei­ge­ge­be­nen Bild­schirm des Mode­ra­tors wei­ter­ver­ar­bei­tet wer­den (s. u.). Muss man dazu Datum/​Uhrzeit und Teil­neh­mer­na­men ent­fer­nen, hilft es meist, den Chat-Inhalt z. B. in Micro­soft Excel über „Text in Spal­ten“ als Tabel­le zu for­ma­tie­ren (oder den Chat falls mög­lich gleich als CSV zu expor­tie­ren) und anschlie­ßend die Spal­ten mit die­sen Meta­da­ten zu ent­fer­nen. Alter­na­tiv dazu hilft hier dem geneig­ten ITler sicher­lich auch „Suchen und Erset­zen“ unter Ver­wen­dung regu­lä­rer Aus­drü­cke. Bei­des soll­te sicher­lich mit der jewei­li­gen Video­kon­fe­renz-Lösung vor­be­rei­tet und getes­tet werden.

Wenn auch die hier genann­ten Ideen viel­leicht noch nicht die aller­krea­tivs­ten sind und eher nur ver­su­chen, bekann­te Metho­den ins Vir­tu­el­le zu über­setz­ten: Der Chat eröff­net wirk­lich inter­es­san­te Mög­lich­kei­ten für die Online-Mode­ra­ti­on und soll­te nicht über­se­hen werden!

Bildschirmfreigabe

Die Bild­schirm­frei­ga­be wird in den meis­ten Mee­tings nur genutzt, um mehr oder min­der erhel­len­de Power­Point-Foli­en zu zeigen​4 – dabei ist sie eines der fle­xi­bels­ten Werk­zeu­ge für die Online-Mode­ra­ti­on, denn sie eröff­net (trotz aller Daten­schutz- oder Sicher­heits­vor­ga­ben) ein Fens­ter zu allem, was einem auf dem eige­nen End­ge­rät sowie­so zur Ver­fü­gung steht. In aller Regel sind dies zumin­dest die Office-Pro­duk­te und meist auch noch eine Mind­map­ping-Lösun­g​5 o. Ä. – ein mit ein wenig Krea­ti­vi­tät erstaun­lich gut gefüll­ter Werk­zeug­kas­ten für die Mode­ra­ti­on vir­tu­el­ler Mee­tings. Eini­ge Bei­spie­le – die Auf­zäh­lung ist ganz sicher unvollständig:

Weni­ger prak­tisch fin­de ich per­sön­lich übri­gens die meis­ten White­board-Apps: Ohne Stift und Tablet habe ich (trotz Touch­screen) ein gro­ßes Pro­blem mit der Hap­tik – und Stift und Tablet spren­gen defi­ni­tiv den mini­ma­lis­ti­schen Rah­men die­ses Artikels.

Nicht ver­ges­sen soll­te man: Die Bild­schirm­frei­ga­be ermög­licht meist auch, die Kon­trol­le über Tas­ta­tur und Maus an einen ande­ren Teil­neh­mer zu über­ge­ben. Auch die­se Funk­tio­na­li­tät eröff­net – ange­fan­gen bei einer arbeits­tei­li­gen Co-Mode­ra­ti­on – vie­le Möglichkeiten.

In jedem die­ser Fäl­le emp­fiehlt es sich, mög­lichst vie­le dafür über­flüs­si­ge GUI-Ele­men­te („Rib­bon“, Spre­cher­no­ti­zen etc.) ent­we­der aus­zu­blen­den oder zu ver­klei­nern – der Bild­schirm ist vor allem für die Inhalte!

Breakout Rooms

Brea­kout Rooms gehö­ren lei­der nicht wirk­lich in die­se Auf­zäh­lung: Vie­le Lösun­gen bie­ten die­se Mög­lich­keit nicht. Gibt es sie aber, ermög­licht sie ein brei­tes Spek­trum an Arbeits­grup­pen-For­ma­ten. Zu beach­ten ist dabei m. E., dass Grup­pen­ar­beit nicht in jedem Umfeld wirk­lich geliebt ist – und dass das extrem har­te, an „Bea­men“ erin­nern­de vir­tu­el­le Ver­schie­ben der Teil­neh­mer in die Grup­pen sozi­al­psy­cho­lo­gisch u. U. noch viel abschre­cken­der wirkt als die Grup­pen­bil­dung im Phy­si­schen. Die­je­ni­gen, die der Grup­pen­ar­beit sowie­so eher (sozial‑)​ängstlich-skeptisch begeg­nen, füh­len sich im Fal­le vir­tu­el­ler Brea­kout Rooms womög­lich in sehr kal­tes Was­ser gewor­fen. Den­noch: Brea­kout Rooms ermög­li­chen die Über­tra­gung vie­ler klas­si­scher Metho­den ins Vir­tu­el­le – sehr schön beschrie­ben bei­spiels­wei­se für vie­le der Libe­ra­ting Structures6.

Neues mit Neuem machen

Vie­les, was wir aus der „nor­ma­len“ Work­shop-Mode­ra­ti­on ken­nen, lässt sich offen­kun­dig auch ins Vir­tu­el­le über­set­zen – auch ohne spe­zi­el­le Werk­zeu­ge über eine Video­kon­fe­renz­lö­sung hin­aus. Dabei soll­te es aber m. E. nicht bleiben!

Was im Moment ange­sichts der Not­wen­dig­keit, Din­ge schnell ins Vir­tu­el­le zu über­tra­gen, über­se­hen wird: Das Vir­tu­el­le bie­tet auch neue Mög­lich­kei­ten; es ist manch­mal gar nicht die bes­te Idee, Metho­den müh­sam mehr oder min­der 1:1 zu über­tra­gen, son­dern es wäre viel­leicht häu­fig viel bes­ser, Neu­es mit Neu­em zu machen. Das tun m. E. selbst vie­le auf Online-Mode­ra­ti­on spe­zia­li­sier­te Werk­zeu­ge nicht. Jetzt, nach­dem wir in der Welt vir­tu­el­ler Mee­tings weit­ge­hend ange­kom­men sein dürf­ten, ist es an der Zeit für mehr Krea­ti­vi­tät, dafür, nicht mehr das Alt­her­ge­brach­te müh­sam her­über­zu­ret­ten, son­dern die neu­en Mög­lich­kei­ten zu begrü­ßen und für Neu­es zu nutzen!

Fuß­no­ten:

  1.  Bspw. Miro oder Mural.
  2.  I. d. R. mit 3/​8″ Innen­ge­win­de (Mikro­fon­hal­te­rung) auf 1/​4″ Außen­ge­win­de (für Foto­sta­ti­ve üblich).
  3.  Vgl. bspw. <https://​www​.sk​-prin​zip​.eu/> (22.11.2020).
  4.  Und wird gera­de die­ses Sze­na­ri­os wegen meist auch nicht zen­tral-admi­nis­tra­tiv deak­ti­viert – denn was täten wir bloß ohne PowerPoint‽
  5.  Wobei ich ten­den­zi­ell kein Freund des Mind­map­pings bin, vgl. hier.
  6.  Vgl. <http://​www​.libe​ra​tings​truc​tures​.com> (22.11.2020) oder spe­zi­ell zur Remo­te-Umset­zung <https://​pro​duct​co​ali​ti​on​.com/​v​i​r​t​u​a​l​-​l​i​b​e​r​a​t​i​n​g​-​s​t​r​u​c​t​u​r​e​s​-​c​0​bafc27c731> (22.11.2020).
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