„This meeting could have been an e‑mail“ ist ein so verbreiteter Topos1, googelt man danach, finden sich als Allererstes Becher und T‑Shirts mit entsprechendem Aufdruck. Der Wunsch danach, Besprechungen durch andere – asynchrone – Kommunikationsformen zu ersetzen, letztlich weniger Besprechungen zu haben (vgl. bspw. hier und hier), ist offenkundig groß und die Sinnhaftigkeit (vgl. hier) vieler Besprechungen wird offenbar häufig hinterfragt. Dazu kommt: Die (häufig im Verlaufe der Pandemie neu eingeführten) neuen Videokonferenz-Werkzeuge schaffen oftmals „nebenbei“ viele neue Wege der asynchronen Kommunikation; die Möglichkeiten sind da. Kein Wunder also, dass sich zusehends damit beschäftigt wird, welche Meetings auf welche Weise auch asynchron durchgeführt werden könnten2.
Üblicherweise wird dabei besonderes Augenmerk darauf gelegt, welche Typen oder Arten von Meetings sich ins Asynchrone verlagern lassen. Bei meinem Versuch, eben diese „Meeting-Arten“ empirisch zu sammeln und für jede „Art“ zu klären, ob sich diese asynchron durchführen ließen, bin ich allerdings kläglich gescheitert, mehr noch: Meines Erachtens ist genau dieser Versuch der Kategorisierung pro Besprechung der Denkfehler, der dazu führt, dass die meisten Meetings eben doch in persona und synchron durchgeführt werden. „Typen“ oder „Arten“ von Meetings treten meiner Erfahrung nach nur erstaunlich selten in ihrer jeweiligen Reinform auf; in vielen Fällen gibt es mehr als einen Tagesordnungspunkt und mehr als ein Ziel – und damit werden die meisten Meetings zu Mischformen von Meeting-Typen.
Lassen Sie mich das an einem eher extremen Beispiel verdeutlichen: dem „all-hands meeting“ bzw. der Betriebsversammlung – auf den ersten Blick meist eine einfache 1:n-Informationsveranstaltung, die problemlos durch einen (asynchronen) Newsletter ersetzt werden können müsste. Praktisch sind die Erwartungen an dieses Zusammentreffen aber oft noch weitere: Fragen sollen beantwortet werden, Feedback soll eingeholt werden – und schon haben wir eine Mischform, die eigentlich aus mehreren Tagesordnungspunkten besteht, drei Ziele hat, und sich als Ganzes nicht mehr unmittelbar ins Asynchrone übertragen lässt. Ins Asynchrone übertragen lässt sich die Gesamt-Aufgabenstellung erst, wenn man sie zerteilt, in diesem Beispiel also indem man …
- … über einen Newsletter, das Intranet o. Ä. die Information verteilt, …
- … Feedback (womöglich gar anonym und nicht wie ursprünglich geplant öffentlich und „in großer Runde“) über geeignete technische Lösungen einholt, …
- … für Fragen in einem Forum (sei es technisch und asynchron oder z. B. in Form eines deutlich kürzeren, freiwilligen und damit i. d. R. kleineren Meetings) zur Verfügung steht und …
- … Feedback und die aufgekommenen Fragen anschließend womöglich noch in (deutlich) kleinerer Runde (falls nötig synchron) auswertet und eventuelle Maßnahmen ableitet.
An dieser Stelle häufig gehört ist der Einwurf, auf diese Weise kämen soziale Aspekte, käme das „Wir-Gefühl“ zu kurz. Völlig unberechtigt ist dieses Argument m. E. nicht, jedoch erscheint es mir keineswegs zwingend – womöglich können Formate wie Chat-Gruppen im Gegenteil einen zusätzlichen Zusammenhalt schaffen. Zudem könnte es sowieso empfehlenswert(er) sein, für die sozialen Aspekte der Gruppe dedizierte (Meeting‑)Formate zu schaffen und diese nicht beispielsweise mit einer riesigen Betriebsversammlung zu vermischen.
Betrachtet man Meetings als Ganzes und so, wie sie klassisch durchführt werden: Vermutlich nur wenige Besprechungen ließen sich asynchron durchführen. Erst, wenn man ein angedachtes Meeting in seine Einzelziele zerlegt und für jedes Ziel einzeln prüft, wie es am besten zu erreichen ist, wird es m. E. möglich, Teile der Besprechung ins Asynchrone zu verlagern – auf meist pro Ziel unterschiedliche Weisen. Idealerweise gelingt es dann auch, zu den einzelnen unterschiedlichen Formaten dediziert nur diejenigen einzuladen, die auch tatsächlich für die Zielerreichung relevant sind (vgl. hier). Das oder die dabei eventuell übrig bleibenden synchronen Meeting(s) kann man auf diese Weise nicht nur deutlich verkürzen, sondern häufig auch die Teilnehmerzahl massiv reduzieren – die Beteiligten werden aller Wahrscheinlichkeit nach sehr dankbar sein und Sie haben ganz nebenbei auch etwas gegen den Meeting-Teufelskreis (vgl. hier und hier) unternommen.
Footnotes:
- ↑ Vgl. bspw. <https://medium.com/@andre.p.lauer/this-meeting-could-have-been-an-e-mail-bd97741739d1> (03.09.2021).
- ↑ Vgl. bspw. <https://ivanblatter.com/podcast/synchron-asynchron/> (03.09.2021) oder <https://blog.trello.com/how-to-run-an-asynchronous-meeting?hs_amp=true>(03.09.2021).