Ein typischer Messebesuch grenzt an visuelle Reizüberflutung; vielleicht bilde ich mir das aufgrund meiner Branchenzugehörigkeit nur ein, aber die CeBIT erscheint mir in dieser Hinsicht als besonders schlimm. Wer allerdings glaubt, das Visuelle würde gezielt im Sinne eines wirksamen Kommunikationsdesigns eingesetzt werden, täuscht sich leider: Der eigentliche Messestand und vielleicht auch noch das Werbematerial mögen in der Regel professionell gestaltet sein – die Präsentationen, die man im Rahmen der Messe zu sehen bekommt, sind jedoch alles andere als überzeugend. Ich habe selten so viele extrem mit (textuellen) Informationen überladene Folien ertragen müssen wie auf der diesjährigen CeBIT. Es scheint, als müsse auch noch das allerletzte Quäntchen Information präsentiert und vorgelesen werden – schließlich ist die CeBIT ja nur einmal im Jahr!
Das absurdeste Übel allerdings ist die selbstlaufende Präsentation: Entweder wird der Messebesucher mit den Folien allein gelassen (die Folien, die wirklich seine Aufmerksamkeit hinreichend lange zu binden vermögen, möchte ich sehen!) oder die Folien dienen als Ergänzung eines hektischen „Messegesprächs“, im Rahmen dessen eher der Standmitarbeiter den Folien hinterherläuft als dass sie seine Äußerungen untermalen. Beides erscheint weder wirksam noch angenehm für den potentiellen Kunden. Wenigstens muss man so nicht die furchtbare „Kann ich ihnen helfen?“-Frage über sich ergehen lassen – das absolut eindeutige Zeichen dafür, dass für ein messespezifisches Kommunikationstraining wieder einmal kein Budget mehr übrig war.
Kurz: Design und Aufbau des Messestandes werden in der Regel teuer bezahlten Spezialisten überlassen, das Erstellen von (Produkt‑)Präsentationen – also einer der wesentlichen Aspekte der Kommunikation auf dem teuer erkauften Messestand – bleibt meist in den Händen von Menschen, die dafür nicht ausgebildet sind.
Viel erschreckender finde ich allerdings, dass ich auf keinem einzigen Messestand ein Flipchart oder ein Whiteboard gesehen habe; auf den meisten Besprechungstischen liegt nicht einmal ein Schreibblock, auf dem man malen könnte. Selbst in der Halle 9 – als „Research & Innovation“-Bereich traditionell sehr akademisch geprägt – laufen überall aufgrund der Inhaltsmenge eher wie akademische Veröffentlichungen denn wie Vortragsfolien anmutende Präsentationen; die Folien wechseln automatisch und wie von Geisterhand – meist zu schnell und bevor man auch nur einen Teil des sicherlich hochinteressanten Textes lesen konnte. Auch hier kein Flipchart, kaum ein Schreibblock weit und breit. Vermutlich gilt es, das (kreide‑)staubige Image des Akademischen zu vermeiden.
Ich verstehe das nicht. Ein Messegespräch ist nach meiner Erfahrung immer ein erklärendes Gespräch: Es gilt, dem Gesprächspartner das (gerade auf IT-Fachmessen wie der CeBIT meist extrem erklärungsbedürftige) Produkt und seine Funktionen nahezubringen. Vor allem gilt es aber, ihn vom konkreten und häufig sehr individuellen Produktnutzen zu überzeugen. Hat man beides geschafft, ist die wichtigste Hürde zu einem erfolgreichen Abschluss genommen.
Die Herausforderung ist also, etwas Komplexes zu erklären – und das sehr individuell. Das Erklären von komplexen Zusammenhängen geht erfahrungsgemäß viel einfacher und wirksamer, wenn man diese visuell darstellt. Aufgrund der Individualität helfen vorgefertigte Folien hier kaum weiter – sie ermöglichen weder, auf den individuellen Gesprächspartner einzugehen, noch wirken sie, als wäre das Ihre Intention. Eine kurze Skizze am Flipchart oder auch nur auf dem Schreibblock (oder gar auf Dan Roams sprichwörtlicher Serviette) am Stehtisch in der Besprechungsecke hingegen macht es nicht nur einfacher, komplexe Zusammenhänge aufzuzeigen, sondern zeigt auch, dass Sie sich individuell mit Ihrem Kunden beschäftigen. Darauf sollte man nicht verzichten – auf den Messestand gehört ein Flipchart! Hat man keinen Platz auf dem Stand oder stört das Flipchart ihr „Messestand-Feng-Shui“, bieten sich dennoch Lösungen an:
- Der Schreibblock – idealerweise mit Ihrem Logo – und ein mehrfarbiger Kugelschreiber. Letzterer ermöglicht Ihnen, einfach und ohne viele Stifte die zusätzliche Dimension „Farbe“ in Ihre Visualisierungen einfließen zu lassen. Kaufen Sie billige mehrfarbige Kugelschreiber und kaufen Sie viele – Kugelschreiber sind das, was auf Messen am allerschnellsten verschwindet.
- Whiteboards lassen sich vollständig in die Architektur des Messestandes integrieren: Ihr Messebauer kann geeignete Wände des Standes (am besten in unmittelbarer Nähe der Besprechungsecke) aus als Whiteboard verwendbarem Material bauen (oder mit einer Whiteboard-Folie bekleben). Update 21.03.2015: Wirklich eindrucksvoll gelungen ist das Microsoft im Rahmen der Ausstellungsstände der Microsoft TechEd Europe – die vollgekritzelten Whiteboards erzeugen wirklich eher einen (sicherlich erwünschten) „tief technischen“ als einen unaufgeräumt-dreckigen Eindruck:
Ich bin der festen Überzeugung: Mit professionell gestalteten Präsentationen und einem messespezifischen Kommunikationstraining in Verbindung mit Visualisierungsgelegenheiten und ‑training (oder womöglich gar einem Buch 😉 ) ist der Erfolg vieler Messeauftritte deutlich zu steigern – vermutlich nicht nur auf der CeBIT!