Branding ist eine typische Tätigkeit des Cowboys: Zur dauerhaften Kennzeichnung insbesondere der Besitzverhältnisse werden Tiere (vor allem Rinder) durch ein Brandzeichen gekennzeichnet. In Westeuropa ist dieses schmerzhafte Verfahren (außer bei Pferden1) weitgehend aus der Mode gekommen, (doppelte) Ohrmarken oder implantierte Chips dienen als zeitgemäßer Ersatz. Vor gar nicht langer Zeit aber war es auch hierzulande nicht unüblich, alles, dessen Besitz man nachhaltig anzeigen wollte, zu brandmarken – auch Menschen, in Europa meist als Strafe.
Die Zeiten ändern sich; „etwas zu brandmarken“ hat im Deutschen bei der heutzutage üblichen metaphorischen Verwendung eine eindeutig negative, ablehnende Konnotation2. Völlig anders ist es mit dem Anglizismus „Branding“: Eine Marke aufzubauen und zu pflegen ist keinesfalls etwas Negatives. Eigentlich einen komplexen Teilbereich der Markenführung bezeichnend, wird der Begriff „Branding“ allerdings inzwischen oft auf „mach‘ bloß das Logo überall gut sichtbar drauf“ reduziert – und das ist m. E. viel zu kurz gegriffen und in vielen Fällen schlicht falsch.
Besonders schlimme Blüten treibt dieses „Pseudo-Branding“ meiner Erfahrung nach im Falle von (PowerPoint‑)Präsentationen – eigentlich kein Wunder, ist dies doch der häufigste Anlass, zu dem dafür nicht ausgebildete Menschen Kommunikationsdesign und Markenkommunikation betreiben. Und so wird (meist vorgegeben durch den Folien-Master und vorgeschrieben durch das „CI-Handbuch“) auf jeder einzelnen Folie das Firmenlogo wiederholt – und tut man das nicht, ist einem meist eine Rüge der Marketingabteilung oder des Vorgesetzten sicher. Das Logo – häufig nebst Datum, Vortragstitel und/oder Namen des Referenten und Foliennummer – nimmt so nicht selten einen erheblichen Teil des Platzes auf der Folie ein und harmoniert oft genug überhaupt nicht mit den eigentlichen Inhalten der Visualisierung. Sind auch noch Partnerunternehmen involviert oder mehrere Organisationen am Vortrag beteiligt, werden meist gleich mehrere (sich gestalterisch oft „beißende“) Logos über die Folie verteilt oder gar einzelne Folien mit ganzen „Logo-Sammlungen“ gefüllt.
Kurz: Das Logo auf der Folie scheint wichtig zu sein. Vor einigen Tagen las ich in einem der bekannteren deutschsprachigen Präsentations-Blogs gar einen wahrnehmungspsychologisch angehauchten Artikel zur Positionierung des Logos auf der Folie – leider bar jeder Quellenangabe und insofern eher fragwürdig.
LOGOrrhoe
„We don’t begin every new sentence in a conversation by re-stating our name, why do we bombard people with our company logo in every slide?“ (Garr Reynolds)3
Garr Reynolds hat m. E. recht. Es gibt wirklich keinen vernünftigen Grund, das Firmenlogo auf jeder Folie zu zeigen: Präsentieren Sie Interessantes und Relevantes und präsentieren Sie so, dass sich die Menschen daran erinnern (kurz: präsentieren Sie wirksam), wird Ihr Publikum sich auch an Sie erinnern. Verkörpern Sie dann auch noch glaubwürdig Ihr Unternehmen, werden sich die Menschen auch daran erinnern – selbst, wenn das Logo nur auf Ihrer allerersten Slide zu sehen war. Ähnliches gilt für Vortragstitel und Datum: Wäre es wirklich nötig, den Titel auf jeder Folie zu wiederholen, spräche das nicht gerade für Ihr Referat – und das Datum hilft allerhöchstens denjenigen Menschen im Publikum, die sich nach einer Schlafphase zeitlich neu orientieren müssen; auch das dürfte bei einem einigermaßen anregenden Vortrag nicht vonnöten sein.
Lassen Sie Logo, Datum, Titel etc. einfach weg, reduzieren Sie den „Clutter“ (Reynolds4), das „Wirrwarr“ auf den Folien. Durch weniger Durcheinander, durch weniger vorgegebene Gestaltungselemente, auf die Sie Rücksicht nehmen müssen, wird es viel einfacher, die Folien harmonisch und vor allem auf die eigentlichen Inhalte reduziert und fokussiert zu gestalten – und Sie gewinnen zudem viel zusätzlichen Platz für eben diese Inhalte. Und selbst, wenn Sie diesen Platz gar nicht füllen: Weißraum ist gar nicht so schlimm; „negative space“, das „Ma“ (間) sind extrem wichtige und wirksame Gestaltungselemente.
Markenführung jedenfalls ist mehr als nur ein Logo auf jeder Slide und primäre Aufgabe Ihrer Marketing-Abteilung – und nur damit, dass sie Folien-Master erstellt und „CI-Polizei“ spielt, wird sie dieser Herausforderung noch lange nicht gerecht. Ihr Beitrag als Referent ist vor allem, für das Publikum klar erkennbar hinter der Marke und Firma zu stehen. Von „Brandzeichen“ geprägtes Foliendesign hilft dabei nicht.
„Branden“ – „brandmarken“ – Sie nicht jede Folie wie der Cowboy seine Rinder. Wir sind hier nicht im Wilden Westen5.
Footnotes:
- ↑ Ein kaum zu überbietender Anachronismus, der auch dadurch nicht zeitgemäßer wird, dass ab 2018 eine vorherige lokale Betäubung obligatorisch wird. Vgl. <http://www.pferd-aktuell.de/fn/newsticker/ausschuss-stimmt-fuer-erhalt-des-schenkelbrandes>.
- ↑ Vgl. <http://www.duden.de/rechtschreibung/brandmarken>.
- ↑ Vgl. Reynolds, Garr. „Who says we need our logo on every slide?“, April 2005, <http://www.presentationzen.com/presentationzen/2007/05/the_source_of_a.html>, archiviert am 17.06.2016 unter <http://www.webcitation.org/6iKbBWKyL>.
- ↑ Ebenda.
- ↑ Quelle des Artikelbildes: <https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Branding_irons-Dutch_K,_c,_and_k.jpeg>.
Der Artikel spricht mir aus der Seele! Bei meinen Workshops betone ich auch immer wieder, das nicht jede Folie ein Logo haben muss. Leider sitzt diese Gewohnheit sehr tief in vielen Firmen.