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Microsoft Office Sway – Slidedocs ohne Slides?

Tim Themann

Vor eini­gen Tagen kün­dig­te Micro­soft „Sway“ als neu­es­tes Mit­glied der Office-Fami­lie an. Sway ermög­licht das Erstel­len und Tei­len von opti­miert für das jewei­li­ge End­ge­rät dar­stell­ba­ren, mul­ti­me­dia­len (Text‑)​Dokumenten in der Cloud. Einen schö­nen ers­ten Über­blick zur Funk­tio­na­li­tät des aktu­el­len Pre­views lie­fert die­ses Video der Office­Ga­ra­ge­Se­ries (die fast 18 Minu­ten loh­nen sich!) – an die­ser Stel­le erneut Fea­tures auf­zu­lis­ten oder über die Zukunft zu spe­ku­lie­ren erscheint also red­un­dant. Inter­es­sant ist, wie unter­schied­lich Sway in Pres­se und Blogo­sphä­re je nach Hin­ter­grund des jewei­li­gen Kom­men­ta­tors wahr­ge­nom­men wird – das Spek­trum reicht hier von „Power­Point-Kon­kur­rent“ bis zum Nach­fol­ger von Front­pa­ge1. Sway in die Land­schaft der unter­schied­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Prä­sen­ta­ti­ons­werk­zeu­ge ein­zu­ord­nen, erscheint mir durch­aus sinn­voll – inter­es­sant fin­de ich, wel­che Kon­zep­te ich (vor mei­nem ganz eige­nem Hin­ter­grund) in Sway spon­tan wie­der­zu­er­ken­nen glaube:

Sways = Slidedocs?

Gös­se man Nan­cy Duar­tes (<http://​www​.duar​te​.com>) Idee der Slide­docs (vgl. <http://​www​.duar​te​.com/​slidedocs/>) in Soft­ware, sähe das Ergeb­nis m. E. Sway sehr ähn­lich: Der erklär­te Zweck des Werk­zeugs ist es, Ideen und Wis­sen in Form mul­ti­me­dia­ler (oder zumin­dest hoch­vi­su­el­ler) gra­phisch anspre­chen­der (Text‑)​Dokumente ein­fach und end­ge­rä­te­un­ab­hän­gig ver­teil- und kon­su­mier­bar zu machen. Sieht man ein­mal davon ab, dass Sway nicht wie Power­Point an das Kon­zept der Slide​2 gebun­den ist – das „Kau­en“ von Duar­tes „small chunks“ of information3 also voll­um­fäng­lich in der Ver­ant­wor­tung des Autors liegt – erscheint Sway als das idea­le Werk­zeug zum Erstel­len von (nicht Slide-ori­en­tier­ten) Slide­docs. Die Abkehr von „Slides“ fes­ter Grö­ße aller­dings ermög­licht nicht nur das freie­re Struk­tu­rie­ren der Inhal­te, son­dern vor allem das Respon­si­ve des Designs – haben doch unter­schied­li­che End­ge­rä­te nun ein­mal unter­schied­li­che Bild­schirm­grö­ßen, Sei­ten­ver­hält­nis­se und Bedien-Paradigmen.

Bei aller Kri­tik am Kon­zept der Slide­docs: Ihre „spre­a­da­bili­ty“ (Duar­te) und das stark Visu­el­le sind unleug­bar hilf­reich; ein dar­auf abge­stimm­tes Werk­zeug in der Office-Fami­lie hat tat­säch­lich das Poten­ti­al, die Art und Wei­se, in der Ideen in Orga­ni­sa­tio­nen ver­brei­tet wer­den, zu ändern. Mani­fes­tie­ren tut sich die­ser Anspruch übri­gens auch im Pro­dukt­na­men – frei über­setzt: „Ein­fluss“.

Cloud First

Sway ist eine Cloud-Anwen­dung; das Erstel­len, aber auch das Dar­stel­len von „Sways“ erfolgt im Web-Brow­ser oder in stark mit der Cloud inte­grier­ten Apps. Die Archi­tek­tur der Anwen­dung erin­nert mich auf ers­ten Blick an Pre­zi (<http://​pre​zi​.com>) – mit allen nach mei­ner Erfah­rung damit ver­bun­de­nen Vor- und Nach­tei­len; mag es bei­spiels­wei­se für den Bil­dungs­be­reich noch akzep­ta­bel (wenn nicht gar von Vor­teil) sein, dass sich Anwen­dung und Daten uni­ver­sell ver­füg­bar und zugäng­lich in der Cloud befin­den, kann dies im Unter­neh­mens­um­feld zum Pro­blem wer­den: Abge­se­hen von der grund­sätz­li­chen Fra­ge, ob man Unter­neh­mens­da­ten außer­halb Deutsch­lands oder Euro­pas in der Cloud spei­chern möch­te, fra­ge ich mich gera­de im Fal­le der Doku­men­ta­ti­on und Ver­brei­tung (hof­fent­lich) inno­va­ti­ver Ideen – einem der wesent­li­chen Anwen­dungs­zwe­cke von Sway – ob man eben die­se Ideen nicht in vie­len Fäl­len lie­ber inner­halb mei­ner eige­nen Unter­neh­mens-IT behal­ten möch­te. Die Nut­zung von Pre­zi erscheint mir im Unter­neh­mens­um­feld für vie­le Anwen­dungs­zwe­cke ent­we­der aus daten­schutz­recht­li­chen Grün­den oder aus Grün­den der Geheim­hal­tung nur schwer mög­lich; nach mei­nem der­zei­ti­gen Ein­druck könn­te ich im Fal­le von Sway womög­lich zu einer ähn­li­chen Ein­schät­zung kommen.

Mobile First

Sway setzt das „mobi­le first“-Paradigma ähn­lich kon­se­quent um wie den „cloud first“-Grundsatz. Die mas­si­ve Ori­en­tie­rung an mobi­len End­ge­rä­ten führt fast zwangs­läu­fig zu einer Beschrän­kung der Funk­tio­na­li­tät auf das Wesent­li­che (gut zu beob­ach­ten z. B. bei den iWork-Anwen­dun­gen von Apple). Dies muss jedoch nicht von Nach­teil sein: „Design-Ama­teu­ren“ anspre­chen­des Design zu ermög­li­chen, erfor­dert m. E. nicht Werk­zeu­ge mit viel, son­dern viel­mehr gezielt ein­ge­schränk­te Werk­zeu­ge mit wenig Funk­tio­na­li­tät und kla­ren Design-Vor­ga­ben und ‑Auto­ma­tis­men – schön umge­setzt bei­spiels­wei­se im Fal­le von Hai­ku Deck (<https://​www​.hai​ku​deck​.com>)​4.

Bis­her ist die Ent­wick­lung der Office-Pro­duk­te kei­nes­falls von Ein­schrän­kun­gen der Funk­tio­na­li­tät geprägt gewe­sen; das Gegen­teil ist der Fall – mit der Fol­ge, dass die Viel­falt der Mög­lich­kei­ten die Anwen­der oft­mals vor allem zu nur unter Schmer­zen zu betrach­ten­den Design-Exzes­sen inspi­riert. Die kon­se­quent platt­form­über­grei­fen­de Natur von Sways, die zugrun­de lie­gen­den Vor­la­gen und die respon­si­ve Dar­stel­lung bedin­gen hin­ge­gen eine Reduk­ti­on auf das Wesent­li­che (vor allem den Inhalt) und ermög­li­chen gera­de durch die Beschränkt­heit auch Design-Ama­teu­ren anspre­chen­de Ergebnisse.

Eben­falls bei der Erzeu­gung anspre­chen­der Ergeb­nis­se hel­fen dürf­te die kon­se­quen­te Inte­gra­ti­on exter­ner Bild­quel­len – ähn­lich wie im Fal­le von Hai­ku Deck dürf­te die­se Funk­ti­on jedoch im Unter­neh­mens­kon­text poten­ti­ell pro­ble­ma­tisch sein: Schränkt man sich auf kom­mer­zi­ell ver­wend­ba­re Inhal­te ein, sinkt die Aus­wahl womög­lich erheblich.

Sway wird in jedem Fall ein hoch­in­ter­es­san­tes Werk­zeug zur (hoch­vi­su­el­len) Dar­stel­lung und Ver­brei­tung von Inhal­ten wer­den und hat das Poten­ti­al, die Idee von Duar­tes Slide­docs ohne Zweck­ent­frem­dung eines Werk­zeugs (Power­Point) und damit ohne vie­le der m. E. damit ver­bun­de­nen Nach­tei­le kon­se­quent umzu­set­zen. Ob Sways damit fes­ter Bestand­teil der unter­neh­mens­in­ter­nen (Wissens‑)​Kommunikation wer­den, hängt ver­mut­lich vor allem davon ab, inwie­weit Pro­ble­me der Cloud-Nut­zung und der Inte­gra­ti­on in Social Media (als Medi­en­quel­le und Publi­ka­ti­ons­ziel) für den Unter­neh­mens­be­reich hand­hab­bar werden.

Foot­no­tes:

  1.  Eine Twit­ter-Suche nach „#sway“ ver­schafft hier einen schnel­len Überblick.
  2.  Mei­nes Erach­tens ist sowie­so frag­lich, inwie­weit die Struk­tu­rie­rung als Sequenz von gleich­gro­ßen Foli­en tat­säch­lich bei Pro­duk­ti­on oder Rezep­ti­on von Doku­men­ten hilf­reich ist – tech­nisch not­wen­dig ist sie jeden­falls nicht. Inter­es­san­ter­wei­se wird das Kon­zept der „Sei­te“ bei Text­do­ku­men­ten (ins­be­son­de­re beim Lesen auf mobi­len End­ge­rä­ten) oft eher als läs­tig emp­fun­den, im Fal­le von Duar­tes Slide­docs hin­ge­gen qua­si als Struk­tu­rie­rungs­mit­tel ge-(oder auch miß‑)​braucht.
  3.  Duar­te, Nan­cy: Slide­docs. Spread ide­as with effec­ti­ve visu­al docu­ments. Sun­ny­va­le: Duar­te Inc. 2014. <http://​www​.duar​te​.com/slidedocs> (25.02.2014), S. 3.
  4.  Vgl „Hai­ku Deck 2.4“.
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