Vor einigen Tagen kündigte Microsoft „Sway“ als neuestes Mitglied der Office-Familie an. Sway ermöglicht das Erstellen und Teilen von optimiert für das jeweilige Endgerät darstellbaren, multimedialen (Text‑)Dokumenten in der Cloud. Einen schönen ersten Überblick zur Funktionalität des aktuellen Previews liefert dieses Video der OfficeGarageSeries (die fast 18 Minuten lohnen sich!) – an dieser Stelle erneut Features aufzulisten oder über die Zukunft zu spekulieren erscheint also redundant. Interessant ist, wie unterschiedlich Sway in Presse und Blogosphäre je nach Hintergrund des jeweiligen Kommentators wahrgenommen wird – das Spektrum reicht hier von „PowerPoint-Konkurrent“ bis zum Nachfolger von Frontpage1. Sway in die Landschaft der unterschiedlichen Kommunikations- und Präsentationswerkzeuge einzuordnen, erscheint mir durchaus sinnvoll – interessant finde ich, welche Konzepte ich (vor meinem ganz eigenem Hintergrund) in Sway spontan wiederzuerkennen glaube:
Sways = Slidedocs?
Gösse man Nancy Duartes (<http://www.duarte.com>) Idee der Slidedocs (vgl. <http://www.duarte.com/slidedocs/>) in Software, sähe das Ergebnis m. E. Sway sehr ähnlich: Der erklärte Zweck des Werkzeugs ist es, Ideen und Wissen in Form multimedialer (oder zumindest hochvisueller) graphisch ansprechender (Text‑)Dokumente einfach und endgeräteunabhängig verteil- und konsumierbar zu machen. Sieht man einmal davon ab, dass Sway nicht wie PowerPoint an das Konzept der Slide2 gebunden ist – das „Kauen“ von Duartes „small chunks“ of information3 also vollumfänglich in der Verantwortung des Autors liegt – erscheint Sway als das ideale Werkzeug zum Erstellen von (nicht Slide-orientierten) Slidedocs. Die Abkehr von „Slides“ fester Größe allerdings ermöglicht nicht nur das freiere Strukturieren der Inhalte, sondern vor allem das Responsive des Designs – haben doch unterschiedliche Endgeräte nun einmal unterschiedliche Bildschirmgrößen, Seitenverhältnisse und Bedien-Paradigmen.
Bei aller Kritik am Konzept der Slidedocs: Ihre „spreadability“ (Duarte) und das stark Visuelle sind unleugbar hilfreich; ein darauf abgestimmtes Werkzeug in der Office-Familie hat tatsächlich das Potential, die Art und Weise, in der Ideen in Organisationen verbreitet werden, zu ändern. Manifestieren tut sich dieser Anspruch übrigens auch im Produktnamen – frei übersetzt: „Einfluss“.
Cloud First
Sway ist eine Cloud-Anwendung; das Erstellen, aber auch das Darstellen von „Sways“ erfolgt im Web-Browser oder in stark mit der Cloud integrierten Apps. Die Architektur der Anwendung erinnert mich auf ersten Blick an Prezi (<http://prezi.com>) – mit allen nach meiner Erfahrung damit verbundenen Vor- und Nachteilen; mag es beispielsweise für den Bildungsbereich noch akzeptabel (wenn nicht gar von Vorteil) sein, dass sich Anwendung und Daten universell verfügbar und zugänglich in der Cloud befinden, kann dies im Unternehmensumfeld zum Problem werden: Abgesehen von der grundsätzlichen Frage, ob man Unternehmensdaten außerhalb Deutschlands oder Europas in der Cloud speichern möchte, frage ich mich gerade im Falle der Dokumentation und Verbreitung (hoffentlich) innovativer Ideen – einem der wesentlichen Anwendungszwecke von Sway – ob man eben diese Ideen nicht in vielen Fällen lieber innerhalb meiner eigenen Unternehmens-IT behalten möchte. Die Nutzung von Prezi erscheint mir im Unternehmensumfeld für viele Anwendungszwecke entweder aus datenschutzrechtlichen Gründen oder aus Gründen der Geheimhaltung nur schwer möglich; nach meinem derzeitigen Eindruck könnte ich im Falle von Sway womöglich zu einer ähnlichen Einschätzung kommen.
Mobile First
Sway setzt das „mobile first“-Paradigma ähnlich konsequent um wie den „cloud first“-Grundsatz. Die massive Orientierung an mobilen Endgeräten führt fast zwangsläufig zu einer Beschränkung der Funktionalität auf das Wesentliche (gut zu beobachten z. B. bei den iWork-Anwendungen von Apple). Dies muss jedoch nicht von Nachteil sein: „Design-Amateuren“ ansprechendes Design zu ermöglichen, erfordert m. E. nicht Werkzeuge mit viel, sondern vielmehr gezielt eingeschränkte Werkzeuge mit wenig Funktionalität und klaren Design-Vorgaben und ‑Automatismen – schön umgesetzt beispielsweise im Falle von Haiku Deck (<https://www.haikudeck.com>)4.
Bisher ist die Entwicklung der Office-Produkte keinesfalls von Einschränkungen der Funktionalität geprägt gewesen; das Gegenteil ist der Fall – mit der Folge, dass die Vielfalt der Möglichkeiten die Anwender oftmals vor allem zu nur unter Schmerzen zu betrachtenden Design-Exzessen inspiriert. Die konsequent plattformübergreifende Natur von Sways, die zugrunde liegenden Vorlagen und die responsive Darstellung bedingen hingegen eine Reduktion auf das Wesentliche (vor allem den Inhalt) und ermöglichen gerade durch die Beschränktheit auch Design-Amateuren ansprechende Ergebnisse.
Ebenfalls bei der Erzeugung ansprechender Ergebnisse helfen dürfte die konsequente Integration externer Bildquellen – ähnlich wie im Falle von Haiku Deck dürfte diese Funktion jedoch im Unternehmenskontext potentiell problematisch sein: Schränkt man sich auf kommerziell verwendbare Inhalte ein, sinkt die Auswahl womöglich erheblich.
Sway wird in jedem Fall ein hochinteressantes Werkzeug zur (hochvisuellen) Darstellung und Verbreitung von Inhalten werden und hat das Potential, die Idee von Duartes Slidedocs ohne Zweckentfremdung eines Werkzeugs (PowerPoint) und damit ohne viele der m. E. damit verbundenen Nachteile konsequent umzusetzen. Ob Sways damit fester Bestandteil der unternehmensinternen (Wissens‑)Kommunikation werden, hängt vermutlich vor allem davon ab, inwieweit Probleme der Cloud-Nutzung und der Integration in Social Media (als Medienquelle und Publikationsziel) für den Unternehmensbereich handhabbar werden.
Footnotes:
- ↑ Eine Twitter-Suche nach „#sway“ verschafft hier einen schnellen Überblick.
- ↑ Meines Erachtens ist sowieso fraglich, inwieweit die Strukturierung als Sequenz von gleichgroßen Folien tatsächlich bei Produktion oder Rezeption von Dokumenten hilfreich ist – technisch notwendig ist sie jedenfalls nicht. Interessanterweise wird das Konzept der „Seite“ bei Textdokumenten (insbesondere beim Lesen auf mobilen Endgeräten) oft eher als lästig empfunden, im Falle von Duartes Slidedocs hingegen quasi als Strukturierungsmittel ge-(oder auch miß‑)braucht.
- ↑ Duarte, Nancy: Slidedocs. Spread ideas with effective visual documents. Sunnyvale: Duarte Inc. 2014. <http://www.duarte.com/slidedocs> (25.02.2014), S. 3.
- ↑ Vgl „Haiku Deck 2.4“.