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PowerPoint-Cowboys – oder: Warum LOGOrrhoe kein „Branding“ ist

Tim Themann

Bran­ding ist eine typi­sche Tätig­keit des Cow­boys: Zur dau­er­haf­ten Kenn­zeich­nung ins­be­son­de­re der Besitz­ver­hält­nis­se wer­den Tie­re (vor allem Rin­der) durch ein Brand­zei­chen gekenn­zeich­net. In West­eu­ro­pa ist die­ses schmerz­haf­te Ver­fah­ren (außer bei Pferden​1) weit­ge­hend aus der Mode gekom­men, (dop­pel­te) Ohr­mar­ken oder implan­tier­te Chips die­nen als zeit­ge­mä­ßer Ersatz. Vor gar nicht lan­ger Zeit aber war es auch hier­zu­lan­de nicht unüb­lich, alles, des­sen Besitz man nach­hal­tig anzei­gen woll­te, zu brand­mar­ken – auch Men­schen, in Euro­pa meist als Stra­fe.

Die Zei­ten ändern sich; „etwas zu brand­mar­ken“ hat im Deut­schen bei der heut­zu­ta­ge übli­chen meta­pho­ri­schen Ver­wen­dung eine ein­deu­tig nega­ti­ve, ableh­nen­de Konnotation​2. Völ­lig anders ist es mit dem Angli­zis­mus „Bran­ding“: Eine Mar­ke auf­zu­bau­en und zu pfle­gen ist kei­nes­falls etwas Nega­ti­ves. Eigent­lich einen kom­ple­xen Teil­be­reich der Mar­ken­füh­rung bezeich­nend, wird der Begriff „Bran­ding“ aller­dings inzwi­schen oft auf „mach‘ bloß das Logo über­all gut sicht­bar drauf“ redu­ziert – und das ist m. E. viel zu kurz gegrif­fen und in vie­len Fäl­len schlicht falsch.

Beson­ders schlim­me Blü­ten treibt die­ses „Pseu­do-Bran­ding“ mei­ner Erfah­rung nach im Fal­le von (PowerPoint‑)​Präsentationen – eigent­lich kein Wun­der, ist dies doch der häu­figs­te Anlass, zu dem dafür nicht aus­ge­bil­de­te Men­schen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­sign und Mar­ken­kom­mu­ni­ka­ti­on betrei­ben. Und so wird (meist vor­ge­ge­ben durch den Foli­en-Mas­ter und vor­ge­schrie­ben durch das „CI-Hand­buch“) auf jeder ein­zel­nen Folie das Fir­men­lo­go wie­der­holt – und tut man das nicht, ist einem meist eine Rüge der Mar­ke­ting­ab­tei­lung oder des Vor­ge­setz­ten sicher. Das Logo – häu­fig nebst Datum, Vor­trags­ti­tel und/​oder Namen des Refe­ren­ten und Foli­en­num­mer – nimmt so nicht sel­ten einen erheb­li­chen Teil des Plat­zes auf der Folie ein und har­mo­niert oft genug über­haupt nicht mit den eigent­li­chen Inhal­ten der Visua­li­sie­rung. Sind auch noch Part­ner­un­ter­neh­men invol­viert oder meh­re­re Orga­ni­sa­tio­nen am Vor­trag betei­ligt, wer­den meist gleich meh­re­re (sich gestal­te­risch oft „bei­ßen­de“) Logos über die Folie ver­teilt oder gar ein­zel­ne Foli­en mit gan­zen „Logo-Samm­lun­gen“ gefüllt.

Kurz: Das Logo auf der Folie scheint wich­tig zu sein. Vor eini­gen Tagen las ich in einem der bekann­te­ren deutsch­spra­chi­gen Prä­sen­ta­ti­ons-Blogs gar einen wahr­neh­mungs­psy­cho­lo­gisch ange­hauch­ten Arti­kel zur Posi­tio­nie­rung des Logos auf der Folie – lei­der bar jeder Quel­len­an­ga­be und inso­fern eher fragwürdig.

LOGOrrhoe

„We don’t begin every new sen­tence in a con­ver­sa­ti­on by re-sta­ting our name, why do we bom­bard peo­p­le with our com­pa­ny logo in every slide?“ (Garr Rey­nolds)​3

Garr Rey­nolds hat m. E. recht. Es gibt wirk­lich kei­nen ver­nünf­ti­gen Grund, das Fir­men­lo­go auf jeder Folie zu zei­gen: Prä­sen­tie­ren Sie Inter­es­san­tes und Rele­van­tes und prä­sen­tie­ren Sie so, dass sich die Men­schen dar­an erin­nern (kurz: prä­sen­tie­ren Sie wirk­sam), wird Ihr Publi­kum sich auch an Sie erin­nern. Ver­kör­pern Sie dann auch noch glaub­wür­dig Ihr Unter­neh­men, wer­den sich die Men­schen auch dar­an erin­nern – selbst, wenn das Logo nur auf Ihrer aller­ers­ten Slide zu sehen war. Ähn­li­ches gilt für Vor­trags­ti­tel und Datum: Wäre es wirk­lich nötig, den Titel auf jeder Folie zu wie­der­ho­len, sprä­che das nicht gera­de für Ihr Refe­rat – und das Datum hilft aller­höchs­tens den­je­ni­gen Men­schen im Publi­kum, die sich nach einer Schlaf­pha­se zeit­lich neu ori­en­tie­ren müs­sen; auch das dürf­te bei einem eini­ger­ma­ßen anre­gen­den Vor­trag nicht von­nö­ten sein.

Las­sen Sie Logo, Datum, Titel etc. ein­fach weg, redu­zie­ren Sie den „Clut­ter“ (Reynolds​4), das „Wirr­warr“ auf den Foli­en. Durch weni­ger Durch­ein­an­der, durch weni­ger vor­ge­ge­be­ne Gestal­tungs­ele­men­te, auf die Sie Rück­sicht neh­men müs­sen, wird es viel ein­fa­cher, die Foli­en har­mo­nisch und vor allem auf die eigent­li­chen Inhal­te redu­ziert und fokus­siert zu gestal­ten – und Sie gewin­nen zudem viel zusätz­li­chen Platz für eben die­se Inhal­te. Und selbst, wenn Sie die­sen Platz gar nicht fül­len: Weiß­raum ist gar nicht so schlimm; „nega­ti­ve space“, das „Ma“ () sind extrem wich­ti­ge und wirk­sa­me Gestaltungselemente.

Mar­ken­füh­rung jeden­falls ist mehr als nur ein Logo auf jeder Slide und pri­mä­re Auf­ga­be Ihrer Mar­ke­ting-Abtei­lung – und nur damit, dass sie Foli­en-Mas­ter erstellt und „CI-Poli­zei“ spielt, wird sie die­ser Her­aus­for­de­rung noch lan­ge nicht gerecht. Ihr Bei­trag als Refe­rent ist vor allem, für das Publi­kum klar erkenn­bar hin­ter der Mar­ke und Fir­ma zu ste­hen. Von „Brand­zei­chen“ gepräg­tes Foli­en­de­sign hilft dabei nicht.

„Bran­den“ – „brand­mar­ken“ – Sie nicht jede Folie wie der Cow­boy sei­ne Rin­der. Wir sind hier nicht im Wil­den Westen​5.

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