So sehr ich das Visuelle liebe: Ein Großteil der Kommunikation in Besprechungen erfolgt verbal, „offline“ ebenso wie in Online-Meetings. Die Sprachverständlichkeit dürfte also der entscheidendste Faktor für den Erfolg sein – und gerade darum ist es in Videokonferenzen erstaunlich oft schlecht bestellt. Dafür gibt es natürlich unterschiedlichste Ursachen1, der größte Beitrag, den man selbst zur Vermeidung dieses Problems leisten kann, ist m. E. jedoch, immer ein (möglichst gutes) Headset zu benutzen:
- In aller Regel sind sowohl Mikrofon als auch Lautsprecher eines Headsets qualitativ besser (und auch besser auf Sprache abgestimmt) als die ins Endgerät integrierten Komponenten.
- Das Mikrofon eines Headsets befindet sich viel näher und vor allem auch in konstanter Nähe zum Mund. Diese konstante Nähe ermöglicht nicht nur eine bessere Tonqualität und eine gleichbleibende Lautstärke, sie reduziert vor allem auch Störgeräusche und insbesondere den Hall des Raumes, in dem man sich befindet. Die Raumakustik hat extremen Einfluss auf die Sprachverständlichkeit – und vor allem Hall kann die Verständlichkeit massiv reduzieren.
- Neben der eigentlichen Tonqualität spielt auch noch ein anderer, oft übersehener, aber umso wichtigerer Faktor eine Rolle: Nehme ich „freisprechend“ ohne Headset an einem Meeting teil, muss eine automatische Echo-Unterdrückung erfolgen, um zu verhindern, dass meine Stimme aus den Lautsprechern der Gesprächspartner in deren Mikrofone gelangt und ich meine eigene Stimme als „Echo“ höre. Im schlimmsten Fall führt diese Echo-Unterdrückung dazu, dass das eigene Mikrofon oder die Mikrofone der anderen Teilnehmer quasi automatisch und ohne Zutun der Teilnehmer gemutet werden – ein fast schon sicheres Rezept für ein Meeting, in dem durcheinandergeredet wird und Menschen anfangen, um das Wort zu kämpfen, ohne für die anderen Teilnehmer überhaupt hörbar zu sein. Es ist sicherlich kein Zufall, dass die chaotischsten Meetings, die ich in den letzten Monaten erlebt habe, praktisch immer mit einem oder gar mehreren Teilnehmern ohne Headset stattfanden. Benutzen hingegen wirklich alle ein Headset, kann der Schall aus den Kopfhörern nicht in die Mikrofone gelangen – die Echo-Unterdrückung wird gar nicht erst aktiviert.
Die Annahme, ein Headset diene nur dazu, die Hände frei zu haben, mag für das „klassische“ Telefonieren gelten, für Videokonferenzen gilt das offenbar nicht – kurz: In Online-Meetings erscheint mir das Headset essenziell!
Die neuere psychoakustische Forschung zeigt: Sprache zu verstehen, ist ein alles andere als trivialer Vorgang. Bevor das eigentliche Verstehen des Inhalts beginnen kann, muss ja das Gehörte – letztlich Schallwellen – verarbeitet bzw. analysiert und über mehrere Abstraktionsstufen hinweg schließlich als Wort erkannt und dann in einen Gesamtzusammenhang gestellt werden. Je ungenauer und je lückenhafter die eigentliche Schall-Information ist, desto mehr muss das Gehirn bei diesem Prozess leisten – und ggf. sogar Informationslücken aufwändig durch „raten“ füllen. Dass dieser Zusatzaufwand einen großen Beitrag zur sog. „Zoom Fatigue“2 leistet, erscheint mir mehr als naheliegend. Gute Headsets leisten also vermutlich einen großen Beitrag dazu, Videokonferenzen weniger anstrengend zu machen – für einen selbst, aber auch für alle anderen.
Ich persönlich präferiere übrigens kabelgebundene Headsets: Die Rüstzeit erscheint mir deutlich niedriger3 und ich muss nicht daran denken, noch eine weitere Komponente zu laden. Aber für welche Art von Headset Sie sich auch entscheiden: Hauptsache, Sie benutzen eines!
Footnotes:
- ↑ Unter anderem natürlich auch mangelnde Bandbreite, ungünstige Proxy-Konfiguration, überlastete Serversysteme u. v. m.
- ↑ Vgl. <https://t2informatik.de/wissen-kompakt/zoom-fatigue/> (17.01.2021).
- ↑ Das Einstecken eines 3,5‑mm-Klinkensteckers ist einfach deutlich einfacher und weniger fehleranfällig als das Herstellen einer Bluetooth-Verbindung.