Nachdem ich vor einigen Tagen meinen Artikel zum „Besprechungsteufelskreis“ veröffentlich habe, hatte ich naturgemäß das eine oder andere Gespräch zu dem Thema – unter anderem darüber, wie dieser Teufelskreis entsteht und wie man seine Entstehung vielleicht frühzeitig verhindern kann:
Das erste Problem ist m. E. folgendes: Der Meeting-Teufelskreis fängt oftmals mit nur einer Person an – und dieser „Patient Null“ ist leider hochansteckend; es reicht vollkommen, dass diese eine Person in der Organisation einen so vollen Kalender hat, dass Spontanes nicht mehr möglich ist, dass für alles ein Termin gemacht werden muss. Diese eine Person füllt deswegen praktisch zwangsläufig auch zusehends die Kalender anderer Menschen und erhöht so deren Kalender-Füllstand womöglich in einer „ansteckenden“ Weise, sorgt dafür, dass weitere Kalender so gefüllt sind, dass Spontanes unmöglich wird. So kommt es zu „Ansteckungen“ innerhalb der Organisation (oder eines Teils der Organisation), i. d. R. meiner Beobachtung nach hierarchisch von oben nach unten – ausgehend von womöglich nur einer oder einigen wenigen Person(en) und je spitzer die Pyramide ist, desto schneller1. Verstärkend kommt häufig dazu, dass oftmals Termine auch mangels Zeit „nach unten“ delegiert werden – ein weiterer Beschleuniger auf dem Weg in den Meeting-Teufelskreis.
Das zweite Problem ist meiner Erfahrung nach: In praktisch jeder Organisation gibt es eine solche Person – nicht selten an der Spitze, häufig aber (auch) – und das erscheint mir besonders fatal – im operativen „Mittelfeld“. Zudem stehen viele Organisationen m. E. mindestens in größeren Bereichen bereits kurz davor, in den Teufelskreis einzutreten – es bedarf oft nur noch wenig, um eine großflächige „Ansteckung“ auszulösen.
Auch für das Problem des Besprechungsteufelskreises gilt wie so oft „Wehret den Anfängen!“ – aber wie?
Mir fallen an dieser Stelle zwei Ansätze ein – aber zuerst gilt es sicherlich, den oder die „Patienten Null“2 zu identifizieren. Anschließend kann man versuchen, …
- … diese Personen aktiv zu entlasten – beispielsweise durch das Streichen weniger sinnvoller Meetings (vgl. hier), durch das Delegieren und/oder (besser) auch z. B. durch das breitere Verteilen von Aufgaben und Verantwortung innerhalb derselben Hierarchieebene.
- … die Ausbreitung des Problems, die „Ansteckung“, zu reduzieren – z. B. indem man versucht, die Menge der Themen, bei denen die betroffene Personen vermeintlich oder real involviert werden müssen, zu reduzieren. Nicht selten wirkt man so womöglich auch gleich dem in vielen Branchen immer noch verbreiteten Hang zum Mikromanagement entgegen.
Greift man frühzeitig ein, verhindert man nicht nur die Entstehung eines organisationsweiten Teufelskreises, in aller Regel tut man zudem dem oder den „Patienten Null“ einen Gefallen – der Zustand des übervollen Kalenders wird spätestens mittelfristig von den wenigsten Menschen als angenehm empfunden.
Einen vollen Kalender quasi als „Statussymbol“ oder als Zeichen besonderen Fleißes und Engagements zu betrachten, ist übrigens ein weiterer verbreiteter Beschleuniger des Problems3 – eine Haltung, die es zudem womöglich extrem erschwert, dem Problem bereits in seiner Entstehungsphase entgegenzuwirken. Im Gegenteil: Möglicherweise entsteht gar ein fataler Wettbewerb um die vollsten Kalender.
Im Gegensatz zu „klassischen“ Infektionen ist der Meeting-Teufelskreis übrigens auch online virulent – sogar besonders ausgeprägt: Trifft man sich nicht [mehr] physisch im Büro – sind die meisten im Homeoffice – wird spontane Kommunikation deutlich erschwert, fast schon zwingend kommt es zu mehr formell in den Kalender eingetragenen [Online-]Meetings. Ob man auf diese Weise den Mangel an informeller Kommunikation kompensieren kann, erscheint mir mehr als fraglich – auf jeden Fall aber füllt man so die Kalender!
Was auch immer Hauptursache der jeweiligen Entwicklung ist: Die Entstehung eines Teufelskreises zu verhindern, ist m. E. immer einfacher, als ihn nachträglich mühsam zu durchbrechen. Achten Sie auf die Anzeichen – und reagieren Sie schnell!
Footnotes:
- ↑ Weniger direkte Untergebene führen zu mehr Terminen pro Person in der jeweils niedrigeren Hierarchiestufe.
- ↑ „Patient Null“ kann naturgemäß nur genau eine Person sein, ich hoffe aber, der eigentlich unlogische Plural ist an dieser Stelle dennoch verständlich.
- ↑ Vgl. diesen Tweet von Lars Richter.
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