Menschen neigen dazu, schwarz-weiß und in Dualismen zu denken und dabei und dadurch häufig übermäßig zu simplifizieren. Was nicht per se gut ist, wird oft als per se schlecht angesehen. So ist es nicht verwunderlich, dass die verbreitete Kritik an schlechten PowerPoint-Präsentationen oft in eine Kritik an PowerPoint (dem Werkzeug) umschlägt und bis hin zum „PowerPoint-Bann“ gesteigert wird.
Die Washington Post berichtete vor einigen Tagen über den Amtsantritt des neuen US-Verteidigungsministers Ashton B. Carter1. Carter hat sich offenbar als eine seiner ersten Amtshandlungen PowerPoint-Präsentationen in seinen Briefings verboten. Mir persönlich erscheint offen gestanden fraglich, ob dieses Detail angesichts der vielen und bedeutenden Probleme, die sich Carter ohne Zweifel schon von der allerersten Minute seiner Amtszeit an stellen, wirklich einen kompletten Absatz des Artikels wert ist. Bemerkenswert ist aber die Bewertung durch die Washington Post: Carters „PowerPoint-Bann“ wird als Zeichen für das Einleiten eines größeren Kulturwandels – unter anderem, aber nicht nur weg vom „PowerPoint-Ranger“ – interpretiert.
Geht man nun davon aus, dass PowerPoint lediglich ein Werkzeug ist, das ge- oder missbraucht werden kann, ist das Phänomen des „PowerPoint-Rangers“ eher Symptom als Ursache; PowerPoint zu verbannen erscheint, als verböte man den Hunger, um die Armut zu bekämpfen. Gute Präsentationen sind möglich; gute Briefings sind möglich – und auch ohne militärische Vorbildung erscheint mir einleuchtend, dass Briefings zu militärischen Fragen vermutlich häufig visuelle Inhalte benötigen werden. Schlechte Briefings sind natürlich ebenso möglich – m. E. meist verursacht durch schlechte Kommunikation, mangelnde Fokussierung auf das Wesentliche und fehlende Stringenz des Denkens. Kombiniert man diese Probleme mit falschem Werkzeugeinsatz, ist der „Death by PowerPoint“ geradezu vorprogrammiert – und dennoch nur die (erwähnte Probleme vermeintlich kaschierende) symptomatische Spitze des Eisbergs. Ein Kulturwandel muss grundlegender ansetzen; PowerPoint zu verbannen, ist schlicht unsinnig – egal, ob beim Militär oder im Zivilen.
Betrachtet man einen zweiten viel zitierten Fall einer „Verbannung“ von PowerPoint – Amazon – wird m. E. noch deutlicher, warum das eigentliche Thema die Denk‑, Meeting- und Zusammenarbeitskultur, nicht aber das Präsentationswerkzeug ist: Jeff Bezos „verbannte“ PowerPoint aus seiner Organisation und ersetzte das Präsentieren als Vehikel der Kommunikation durch sechsseitige Memoranden, die im Meeting verteilt und gelesen werden – nicht etwa vorab selbstbestimmt und aus eigenem Antrieb, sondern vielmehr quasi (durch Leitung und Sozialdruck) erzwungen in den ersten 30 Minuten des Meetings. Laut Bezos schafft erst dieses Vorgehen die notwendige Zeit, das Memo zu lesen (vgl. z. B. hier)2. Ungeachtet meiner Wertschätzung für vollständig verschriftlichte Gedanken3: Was ist es für eine Kultur, in der man die Zeit zum Lesen mühsam erarbeiteter Gedanken der Kollegen geradezu erzwingen muss? PowerPoint zu verbannen löst auch hier das Problem nicht – und an der Wertschätzung für die geistige Arbeit der jeweiligen Kollegen zu arbeiten erscheint mir deutlich wichtiger.
Mir ist kein Fall bekannt, in dem die „Verbannung“ des Werkzeugs „PowerPoint“ (oder das Ersetzen des Werkzeugs durch ein anderes wie z. B. Prezi) etwas anderes als eine rein symptomatische Therapie eines strukturellen Kulturproblems gewesen wäre. Hört auf mit diesem Unsinn – und lobt ihn nicht noch!
Footnotes:
- ↑ <http://wapo.st/1vq9Yxq> (01.03.2015), archviert am 01.03.1015 unter <http://www.webcitation.org/6WhrIoktr>.
- ↑ <http://conorneill.com/2012/11/30/amazon-staff-meetings-no-powerpoint/> (01.03.2015), archiviert am 01.03.2015 unter <http://www.webcitation.org/6WhrdOWax>.
- ↑ Um mit Edward Tufte (<http://www.edwardtufte.com/tufte/>) zu sprechen: „Instead of showing a long sequence of tiny information-fragments on slides, […] report makers should have the courtesy to write a real report (which might also be handed out at a meeting) and address their readers as serious people.“ (Tufte, Edward R., The Cognitive Style of PowerPoint: Pitching Out Corrupts Within (2nd ed. Cheshire, Connecticut: Graphics Press LLC, 2006). S. 27.).