Es fällt mir immer wieder auf: Die Begriffe „BarCamp“ und „Open Space“1 werden wild durcheinandergeworfen und teilweise sogar synonym benutzt – sogar in einem der vorstehend verlinkten Wikipedia-Artikel2. Es mag an der Offenheit der Formate und dem damit einhergehenden Undogmatismus liegen: Methodenklarheit scheint niemanden so richtig zu interessieren. Ohne jetzt selbst dogmatisch erscheinen zu wollen: Mindestens die verbreitete Sitte, eine „offiziell“ als BarCamp deklarierte Veranstaltung mit den sehr klar definierten Regeln der Open-Space-Technologie3 durchzuführen, erscheint mir wenig sinnvoll.
Ein BarCamp verbietet nicht per se das Halten von vorbereiteten „frontalen“ Vorträgen. Obwohl offenere Session-Formate auf BarCamps meiner Erfahrung nach häufiger und erwünschter sind, habe ich auf vielen BarCamps ein „klassisches Referat“ als die jeweils beste Session empfunden – entweder aufgrund von Inhalt oder Fundiertheit oder einfach aufgrund der „katalytischen“, inspirierenden Wirkung auf den weiteren Verlauf des Camps. Das „klassische Referat“ hat m. E. auch im Rahmen von BarCamps durchaus seine Existenzberechtigung – und auch ein Camp, das fast nur aus von den Teilgebern vorab vorbereiteten oder spontan gehaltenen Vorträgen besteht, ist per definitionem noch ein BarCamp. Problematisch wird es m. E., wenn keine wirkliche Klarheit über das „erwünschte“ Session-Format herrscht und dennoch quasi „pauschal“ die Open-Space-Regeln angewendet werden:
- Der im Open Space wichtige Beitrag der „Hummeln“ kommt im Falle „klassischer Referate“ viel weniger oder gar nicht zum Tragen; sogar das Gegenteil ist denkbar: Ihr „Umhersummen“ zwischen den Räumen ist womöglich eher störend. Als schlichtweg „zu spät Gekommener“, dem ein Großteil des Vortrags entgangen ist, dennoch einen Beitrag leisten zu wollen, ist häufig wenig sinnvoll.
- Was im Open Space manchmal als „Meteor“ bezeichnet wird, kann in diesem Fall schnell deplatziert und das „Gesetz der zwei Füße“ auf den Referenten wenig wertschätzend wirken4.
- Das „Nicht vorbei ist nicht vorbei“ und das „Es beginnt, wenn die Zeit reif ist“ des Open Space stimmt für ein BarCamp einfach nicht. Es gibt einen Session-Plan mit klarer (m. E. meist zu enger) Taktung – und seine Session zu überziehen ist eine Unsitte, weil es den Teilgebern die Zeit für Raumwechsel, Erfüllung wichtiger Körperfunktionen und vor allem den (zusätzlichen) Austausch beim Kaffee nimmt.
Ein BarCamp ist also meist etwas anderes als eine Open-Space-Veranstaltung – und die Regeln passen möglicherweise gar nicht. Die m. E. entscheidende Frage ist, welche Session-Formate vorgesehen sind:
- Falls Sie ein BarCamp veranstalten (und „frontale“ Referate erlaubt oder gar erwünscht sind), dann übernehmen Sie nicht einfach die Regeln des Open Space. Sie passen nicht.
- Falls Sie hingegen einen Open Space veranstalten: Nennen Sie ihn nicht einfach BarCamp. Das verwirrt.
Footnotes:
- ↑ Im englischsprachigen Wikipedia-Artikel konkreter und eindeutiger benannt als „Open Space Technology“.
- ↑ Vgl. Stand 16.10.2017: <https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Barcamp&oldid=169773042#Methode>.
- ↑ Vgl. Owen, Harrison: Open Space Technology: A User’s Guide. 3. Aufl. San Francisco: Berrett-Koehler 2008.
- ↑ Wobei auch ich aus von mir als wirklich schlecht wahrgenommenen Vorträgen mehr oder minder unauffällig „weglaufe“ – Zeit gehört nun einmal zu dem Wertvollsten, was wir haben.
Lieber Stephan List, wunderbar, was Sie schreiben und schön, dass Sie auch auf Jon verlinken! Vielen Dank.
Vielen Dank für Deinen Artikel, der mir ein tiefes Seufzen („Endlich sagt es mal einer“) entlockt hat. Durch mein gebetsmühlenartiges Wiederholen der Unterschiede zwischen Barcamp und OpenSpace hatte ich mir schon den Ruf eines Korinthenkackers erarbeitet, kleinlich wie Millimeterpapier.
Und ja, es gibt Unterschiede. Und genau diese Unterschiede sind es, die den Unterschied machen:
(1) Bei der OST werden keine Themen im Vorfeld gesammelt und angekündigt. Themen werden ausschließlich vor Ort genannt. In der Regel kennen die Teilnehmer nur das Oberthema, es soll keine Einschränkungen geben, auch keine mentale durch vorher bekannt gegebene Themen. Was bewegt im Hier und Jetzt?
(2) Bei der OST sitzt man im Kreis (!). Das ist sehr wichtig, jeder nimmt jeden auf gleicher Augenhöhe war. Die Themen werden auch im Kreis vorgestellt.
(3) Man fragt bei der OST nicht unmittelbar, nachdem jemand sein Thema vorgestellt hat, wie viele Mitmenschen an der entsprechenden Session teilnehmen wollen. Das schafft unnötiges Konkurrenzdenken und das ist bei einer solchen OST-Veranstaltung Gift.
(4) Die Barcamp-Sessions erlebe ich als zentriert auf den Einladenden, der ein Thema präsentiert. Im OpenSpace stellt der Einladende in der Regel Fragen, die dann diskutiert werden. Natürlich werden auch beim Barcamp Themen diskutiert, aber im OpenSpace wird nicht präsentiert.
Es gibt sicher noch ein paar Unterschiede mehr, mein britischer Kollege Jon Harvey hat sie hier aufgeführt: http://bit.ly/2zFxw8w.
Um einem Missverständnis vorzubeugen: Ich möchte hier die beiden Methoden nicht gegeneinander ausspielen, denn ich bin ein Verfechter eines klaren „Sowohl-Als auch“. Aber man sollte sie nicht zu einem ungenießbaren Brei zusammenrühren. Wenn ich ein Barcamp veranstalte, dann veranstalte ich ein Barcamp, wenn einen OpenSpace, dann einen OpenSpace. Man sollte die Begriffe nicht durcheinanderbringen.
Eine kleine Spitze sei mir an dieser Stelle erlaubt: Ich habe öfters erlebt, dass auf einem Barcamp von OpenSpace gesprochen wurde, jedoch _noch nie_, dass ein OpenSpace als Barcamp bezeichnet wurde. Woran das wohl liegt? Ich habe da so meine Thesen…