Einer der großen Unterschiede zwischen Whiteboard und Flipchart ist, dass am Flipchart auf (im Interesse der Lesbarkeit der Schrift – ich kann es nicht oft genug wiederholen – hoffentlich kariertem) Papier gezeichnet wird. Papier hat gegenüber der Whiteboard-Oberfläche den Vorteil, nicht nur mit Markern, sondern mit unterschiedlichsten Schreib- und Malwerkzeugen beschreibbar zu sein – der Kreativität sind wenig Grenzen gesetzt. Grenzen setzt vor allem die tatsächliche Praktikabilität im Visualisierungsprozess: Ist eine Technik nicht im dynamischen Fluss des Prozesses einsetzbar, ist sie nur für vorbereitete Flipchart-Blätter geeignet – und die haben nun einmal in Zeiten von PowerPoint nur eine begrenzte Berechtigung. Einzelne Blätter mit einer aufwändigeren Visualisierung vorzubereiten, kann dennoch sinnvoll sein, wenn es gilt, den Medienbruch zwischen Flipchart und Beamer zu vermeiden: Ein geringer Anteil einer Präsentation ist „vorgefertigt“, der Großteil wird im Gesprächsfluss ad hoc visualisiert und es muss nicht zwischen Beamer und Flipchart „umgeschaltet“ werden. Dieser vorbereitete Teil sollte natürlich nicht wie „schnell auf Flipchart gekritzelt“1 wirken, sondern möglichst perfekt aussehen – ein wichtiges Zeichen für die Ernsthaftigkeit der Vorbereitung. Zu diesem Zweck lohnt sich manchmal das flächige Kolorieren der ansonsten ja recht „strichhaften“ Zeichnungen:
- Öl- oder Pastellkreiden: Im Fachhandel für Künstlerbedarf erhältliche Öl- oder Pastellkreiden von rund einem Zentimeter Dicke sind (als Set oder einzeln) in den unterschiedlichsten Farben erhältlich. Pastellkreiden erzeugen eher durchscheinende Pastelltöne und können mit den Fingern oder einem Taschentuch verwischt werden, um eine gleichmäßige Flächenfärbung zu erzielen. Sie bieten dem künstlerisch Begabten viele Möglichkeiten. Leider verwischen Pastellkreiden fast schon von allein und sollten deswegen abschließend mit einem Fixierspray fixiert werden – nach meiner Erfahrung zu aufwändig für die meisten Anwendungen in der Visualisierung. Ölkreidenhingegen ermöglichen eine sehr kontrastreiche Färbung und verwischen wenig – für einfache Kolorierungen (notfalls auch spontan) haben sie sich als sehr geeignet erwiesen; gerade Schraffierungen wirken mit wenig Aufwand erstaunlich professionell:
- Wachsmalstifte und ‑blöcke: Wachsmalstifte lassen sich ähnlich einsetzen wie Ölkreiden, sind jedoch meist deutlich härter und hinterlassen deswegen weniger dicke und weniger gleichmäßige Linien als Ölkreiden. Sie sind dafür viel preiswerter und deutlich weniger empfindlich – gerade für den häufigen Transport kann das wichtig sein. Bei vielen Menschen erzeugen Wachsmalstifte die klare Assoziation „Kindergarten“ – ein möglicherweise guter Grund, Ölkreiden vorzuziehen. Wachsmalblöcke (z. B. von der Hans Stockmar GmbH & Co. KG; http://www.stockmar.de) sind einige Zentimeter große Blöcke aus farbigem Wachs, mit denen sehr flächig koloriert werden kann, indem die gesamte Seite des Blocks über das Papier gezogen wird. Da das Wachs ähnlich hart ist wie das der Wachsmalstifte, ist die Kolorierung wenig deckend. Dennoch sind sie überall da sehr gut verwendbar, wo große Flächen koloriert werden müssen. Sie sind zudem sehr gut dazu geeignet, als eine Art „Textmarker“ zu dienen, um Textteile am Flipchart zu annotieren:
Wachsmalblöcke haben einen festen Platz an vielen Waldorfschulen und ‑kindergärten – ähnlich wie bei den Wachsmalstiften sind also Assoziationen zur eigenen Schul- und Kindergartenzeit möglich.
- Einen Mittelweg zwischen angenehm weicher Farbsubstanz und geringer Empfindlichkeit (und damit guter Transportabilität) stellen die „woody 3 in 1“-Stifte von Stabilo (STABILO International GmbH, http://www.stabilo.com) dar. Ihre Aquarellisierbarkeit spielt zwar in diesem Zusammenhang kaum eine Rolle, gibt aber zumindest Hoffnung in Bezug auf das Entfernen von Flecken aus Kleidung o. ä.. Die Stifte sind ähnlich gut wie Ölkreiden zum Kolorieren geeignet, aber die 10 mm dicke Mine ist wie bei einem „normalen“ Buntstift mit Holz ummantelt und dadurch gut vor Zerbrechen geschützt. Zu bedenken ist einzig, dass auf jeden Fall ein geeigneter Anspitzer benötigt wird – für handelsübliche Anspitzer sind die „woodys“ deutlich zu dick. Der Effekt beim Kolorieren ist mit dem der Ölkreiden vergleichbar:
- Ein weniger „kindergartenmäßiges“ Aussehen entsteht, wenn man seine Zeichnung mit breiten Flipchart-Markern in Pastelltönen koloriert. Solche Marker sind zum Beispiel von der Neuland GmbH & Co. KG (http://www.neuland.com) als „TrainerMarker BigOne“ erhältlich. Im Bereich der Visual Facilitation2 werden mit diesen Markern beeindruckende „Kunstwerke“3 geschaffen. Für unseren vergleichsweise trivialen Anwendungsfall – das gefällige Kolorieren einfacher Visualisierungen – reicht es aus, die Konturen entgegen der Gewohnheit einmal nicht mit farbigen Flipchart-Markern, sondern mit einem dünnen, am besten schwarzen Permanent-Marker vorzuzeichnen und die Kolorierung quasi als „Schatten“ mit den breiten pastellfarbenen Markern vorzunehmen:
Das Kolorieren von Flächen in Visualisierungen wirkt auf ersten Blick nicht wie etwas, das spontan erfolgen kann, geht jedoch mit ein wenig Übung erstaunlich schnell von der Hand. In Situationen, in denen mehr als eine Person die leitende oder moderierende Rolle einnimmt, bleibt zudem für eine von beiden Personen oft kurz Zeit, sich der „Perfektionierung“ der visualisierten Ergebnisse zuzuwenden. Wichtig ist dabei allerdings, die Zeichnung nicht in einer Weise zu verändern, die verfälscht oder den Wiedererkennungswert am Folgetag oder im Fotoprotokoll reduziert.
Footnotes:
- ↑ Es kommt sonst schnell die Frage auf, ob der Referent vielleicht zu faul war, eine (methodisch an der Stelle womöglich sinnvollere) Folien-Präsentation vorzubereiten.
- ↑ Vgl. „Über Graphic Recording, Visual Facilitation und zweimal Sketchnotes“.
- ↑ Wir sollten dennoch nicht vergessen: Es handelt sich hier lediglich um die einen (Gruppen‑)Prozess begleitenden Illustrationen.