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Buchauszug: Menschen visualisieren

Tim Themann

Eine Bild­spra­che zum Visua­li­sie­ren von IT-Infra­struk­tu­ren benö­tigt vie­le „visu­el­le Wör­ter“ (vgl. z. B. die vie­len eher tech­ni­schen „Wör­ter“ des „Lexi­kons“ unter „Down­loads zum Buch“) – das Wort „Mensch“ wird dabei oft ver­ges­sen. Ein guter Grund, dem Men­schen (in der Regel: „den Anwen­dern“) in den „Com­pu­ter­ma­lern“ ab Sei­te 50 ein wenig mehr Raum zu geben:

Menschen

Es erstaunt wirk­lich, wie sel­ten Men­schen in ein­schlägigen IT-spe­zi­fi­schen Visua­li­sie­run­gen auftau­chen. IT-Infra­struk­tu­ren sind in den al­lerwenigsten Fäl­len ein Selbst­zweck; in aller Regel die­nen sie da­zu, Men­schen ihre Arbeit zu ver­ein­fa­chen oder gar erst zu ermög­lichen. Eben die­ser Sach­verhalt mani­festiert sich auch zuneh­mend in den Mar­ke­ting-Tex­­­ten der gro­ßen Her­stel­ler – eine „Busi­ness-Ori­en­­tie­rung“ der IT kommt ohne den eigent­li­chen Prota­go­nis­ten und vor allem auch Nutz­nie­ßer der Wert­schöpfung (den Men­schen!) nicht aus. Umso er­staun­licher ist es, dass vor den End­geräten prak­tisch aller Visua­li­sie­run­gen kein Mensch sitzt. Men­schen wer­den aller­höchs­tens in Form eines dür­ren Strich­männchens als „User“​1, z. B. in Dar­stel­lun­gen von Ver­zeich­nis­diensten, geduldet.

Betrach­tet man das Visua­li­sie­ren als kommunikati­ven Akt, gilt sicher­lich (zumin­dest in abge­mil­der­ter Form) Watz­la­wicks Hypo­the­se, man kön­ne nicht nicht kommunizieren​2. Aus lin­gu­is­tisch-semio­ti­scher Sicht (nach der Kom­mu­nikation für die meis­ten Au­to­ren ein inten­tions­behafteter, gerich­te­ter Vor­gang ist), er­scheint fol­gen­de Ver­si­on der Hypo­the­se prag­matisch sinn­voll: „Es ist unver­meid­lich, dass auch un­absicht­liches Ver­hal­ten als Zei­chen ge­nommen und inter­pretiert wird.“​3 Das feh­len­de Zei­chen „Mensch“ ist also mit hoher Wahr­scheinlichkeit für ihre Zuschau­er be­deutungstragend – und selbst, falls es eine Über­interpretation ist, hier­in eine Ma­ni­fes­tation der den Men­schen vergessen­den Tech­nik­verliebtheit der ITler zu sehen: Ihr Pu­bli­kum wird es tun. Der Mensch gehört ein­fach da­zu – das feh­len­de Zei­chen hin­ter­lässt eine sicht­ba­re Lücke. Fin­det der Mensch jedoch Ein­gang in Ihre Visuali­sie­rungen, kann das ei­nen sehr posi­ti­ven Ef­fekt haben: Ihre Zu­schau­er fin­den sich womög­lich selbst wie­der, iden­ti­fi­zieren sich mit den Men­schen-Pik­to­gram­men in Ihrer Zeich­nung und kön­nen so viel ein­fa­cher er­fassen, was die visua­li­sier­te Infrastruk­tur für sie (oder ihre Kolle­gen/​Mitar­bei­ter/​­An­wen­der) kon­kret be­deuten könn­te. Gera­de in der Kom­munikation mit nicht-tech­ni­­schen Ent­schei­dern oder End­anwendern kann dies aus­schlag­ge­bend sein.

Ver­ges­sen Sie den Men­schen nicht – auch nicht in Ihren Visualisierungen.

Es gibt unter­schied­lichs­te Mög­lich­kei­ten, Men­schen zu zeich­nen – außer­halb der IT ist das Vi­sualisieren von Men­schen so bedeut­sam, dass gar Mono­gra­phien da­zu existieren​4. Die sicher­lich ver­breitetste Mög­lich­keit, Men­schen zu zeich­nen, ist das „Strich­männ­chen“ in unter­schied­lichs­ten Varianten:

Strich­männ­chen haben kaum Flä­che, wir­ken da­durch dürr und kon­tras­tie­ren stark mit den zumeist flä­chi­gen wei­te­ren „Wör­tern“ Ih­rer Bild­spra­che. Das ein­zige Ele­ment einer Visua­lisierung, das eben­falls kei­ne Flä­che hat, dürf­ten meis­tens (Netzwerk‑)​Ver­bin­dungen sein. Kurz: Strich­männ­chen wer­den der wich­ti­gen Rol­le des Men­schen und dem Menschen­bild, das der Visua­li­sie­ren­de ver­mit­teln soll­te, nicht gerecht.

Flä­chi­ge Visua­li­sie­run­gen von Men­schen er­scheinen also nahe­lie­gen­der – zum Bei­spiel als „Kegel-“ oder als „Stern­männ­chen“​5.

Kegel­männ­chen (egal, ob mit dreiecki­gem oder mit run­dem Kor­pus) sind ein­fach zu zeich­nen und kön­nen zudem ein­fach grup­piert werden:

Stern­männ­chen sind ein wenig schwe­rer zu zeich­nen, ermög­li­chen aber viel Aus­druck und eig­nen sich inso­fern vor allem für Themenbe­reiche, in de­nen spe­zi­fi­sche Ges­ten oder gar mensch­li­che Emo­tio­nen​6 eine gro­ße Rol­le spielen:

Flä­chi­ge Pik­to­gram­me haben einen wei­te­ren Vor­teil: Sie las­sen sich recht ein­fach kolo­rie­ren (z. B. mit Wachs­malstiften oder Ölkrei­den – vgl. S. 39), um z. B. unterschiedli­che Anwen­der­kreise oder Ähnli­ches zu kennzeichnen.

Besteht die Mög­lich­keit, dass sich Ihr Publi­kum vor dem Hin­ter­grund anste­hen­der (IT- und/​oder Organi­sations‑)​Veränderungen ehe­dem schon wie die sprich­wörtliche Figur auf dem Spiel­feld fühlt, könn­ten Kegel die­se Asso­ziation noch stär­ken; in sol­chen Situ­ationen er­scheinen Stern­männ­chen sicher­lich neutraler.

Selbst in der IT gibt es talen­tier­te Zeich­ner – die Ver­wendung von kom­plet­ten Comic-Figu­­ren für tech­nische Visua­li­sie­run­gen erscheint den­noch ab­len­kend und ver­schiebt den Schwer­punkt in einer nicht the­men- und situa­tionskonformen Weise​7.

Alle im Text und in den Fuß­no­ten erwähn­ten Lite­ra­tur­hin­wei­se sind übri­gens unter „Lite­ra­tur und Links im Buch“ kom­for­ta­bel verlinkt.

Foot­no­tes:

  1.  Die Ver­wen­dung des Begriffs „User“ für Anwen­der bzw. Be­nutzer ist nach Mei­nung des Ver­fas­sers eine Unsit­te. Die­ser Angli­zis­mus ist zum einen über­flüs­sig – es gibt ge­eig­nete und ver­brei­te­te deut­sche Wör­ter –, zum ande­ren be­tont er nach Auf­fas­sung des Ver­fas­sers bei der Ver­wendung im Deut­schen die der IT nach­ge­sag­te, aber nicht sinn­volle Distanz zum Menschen.
  2.  Zum sog. „Meta­kom­mu­ni­ka­ti­ven Axi­om“ vgl. Watz­la­wick, Paul; Bea­vin, Janet H.; Jack­son, Don D.: Mensch­li­che Kommuni­kation. 12., unver­änd. Aufl. Bern: Ver­lag Hans Huber 2011.
  3.  Vgl. Lin­ke, Ange­li­ka; Nuss­bau­mer, Mar­kus; Port­mann, Paul R.: Stu­di­en­buch Lin­gu­is­tik. 3., unver­änd. Aufl. Tübin­gen: Max Nie­mey­er Ver­lag GmbH. & Co. KG 1996. S. 29.
  4.  Zum Bei­spiel Ste­phan, Ulrich: Men­schen gra­fisch visuali­sie­ren: 43 Fra­gen & Ant­wor­ten zum The­ma gra­fi­sche Visu­alisie­rung. Pader­born: Jun­fer­mann­sche Ver­lags­buch­hand­lung GmbH & Co. KG 2009.
  5.  Vgl. Ste­phan, Ulrich: a. a. O., S. 13.
  6.  Unter­schied­lichs­te Emo­tio­nen und Ges­ten fin­den sich in Ste­phan, Ulrich: a. a. O.
  7.  Es ist übri­gens ande­rer­seits durch­aus sehr erfolg­reich mög­lich, sei­ne IT-Pro­fes­si­on an den Nagel zu hän­gen und sich voll­stän­dig auf das Zeich­nen von Comics zu konzen­trie­ren – sie­he <http://www.­schlockmercenary.com/>.
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