Als „digital immigrant“ ist man naturgemäß ein wenig überrollt, wenn man auf ein virales Internet-Mem stößt – und so musste ich erst einmal mühsam herausfinden, worum es eigentlich geht, als Patrik Frauzem das „Computermaler“-Blog für den „Liebster Award“ nominierte. Nachdem ich nun einigermaßen im Bilde bin: Vielen Dank für die Nominierung! Patriks Blog „einfachgutpraesentieren.de“1 erfreut mich regelmäßig mit fundierten und vor allem differenzierten Artikeln zu vielen Fragen des Präsentierens. Seine Fragen beantworte ich dementsprechend natürlich gern:
Fragen und Antworten
Wie bist Du zum Bloggen gekommen? Wie hat alles angefangen?
Ich hatte eigentlich nie vor, zu bloggen. Ursprünglich wollte ich nur ein Buch schreiben; dieses Blog ist gleichzeitig „Abfallprodukt“ und „Überlauf“ dafür – „Abfallprodukt“, weil ein Buch heutzutage nun einmal sowieso eine eigene Webseite zu brauchen scheint, „Überlauf“, weil es wahnsinnig schwierig ist, ein Buchprojekt zum Abschluss zu bringen. Mit der Idee, ein Blog zu beginnen, habe ich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Das Buch hatte seine Webseite und ich konnte mit einem guten Gefühl „den Sack zumachen“ und die inhaltliche Arbeit am Buch beenden, obwohl mir kontinuierlich noch Wichtiges einfiel – hatte ich mit dem Blog doch nun eine Möglichkeit, dies gewissermaßen kontinuierlich „nachzuliefern“. Ohne Blog, ohne diese Möglichkeit, „nachzuliefern“ hätte ich nie das Gefühl gehabt, mit dem Buchprojekt überhaupt guten Gewissens fertig werden zu können.
Die Auseinandersetzung mit Visualisierungen lohnt sich, weil …
… das Visuelle eine extrem effektive Ergänzung der (gesprochenen oder geschriebenen) Kommunikation ist2 – und diese Erkenntnis sich zunehmend verbreitet. Gerade im beruflichen Kontext finden wir uns zunehmend nicht nur auf Seiten des Konsumenten, sondern auch auf Seiten des Produzenten visueller Kommunikation wieder – und das meist, ohne dafür in angemessener Weise ausgebildet zu sein. Einen Vortrag oder ein Meeting ohne (PowerPoint‑)Präsentation zu bestreiten, verstößt in vielen Organisationen mindestens gegen ungeschriebene Gesetze. Dies nicht als Bürde zu empfinden, sondern als Chance zu nutzen, den Vortrag wirksam visuell zu begleiten, setzt entsprechendes Methodenwissen voraus. Ähnliches gilt für spontane Visualisierungen an Flipchart und Whiteboard: Eine angemessenen „visuellen Wortschatz“ und ein wenig Übung vorausgesetzt, wird der Filzstift zu einem wichtigen Kommunikationswerkzeug. Wir haben die Möglichkeit, sind oft sogar gezwungen, stark visuell zu kommunizieren – und sollten dies dann auch möglichst gut machen!3
Würdest Du Dich eigentlich selbst als Blogger bezeichnen? Warum (nicht)?
Nein. Ich schreibe – mal sehr berufsspezifisch zu IT-Visualisierungsthemen, mal definitiv eher abseitig, aber immer ausschließlich aus Spaß und übrigens auch immer nur in dem Tempo und mit der Häufigkeit, die mir Spaß macht. Zufällig veröffentliche ich viel in Form eines (per se chronologischen) Blogs – aber gern auch mal als längeres Paper (z. B. hier) oder eben als Buch. Die technische Umsetzung als sequentielles Blog hat dabei sehr wenig Einfluss auf den Inhalt (sicherlich anders als z. B. bei chronologischen Tagebuch-Blogs oder aktuell-politischen Blogs). Der Terminus „Blogger“ wird zudem nach meiner Wahrnehmung mit unterschiedlichsten über „veröffentlicht [zufällig] in Form eines chronologischen Blogs“ hinausgehenden Konnotationen belegt. Vor allem scheint er in der öffentlichen Rezeption (gerade in der Presse) auf jeden Fall mit einer Zugehörigkeit zu einer wie auch immer gearteten (digitalen und deswegen wahlweise innovativen oder den Untergang des Abendlandes einleitenden) Subkultur verbunden zu sein – unter einem so überladenen Begriff möchte ich nicht einsortiert werden.
Darüber musst Du auf Deinem Blog in nächster Zeit unbedingt berichten: …
Ich schreibe meist an mehreren Artikel-Fragmenten parallel – und oft überrascht es mich selbst, welcher Artikel als nächstes das Rennen macht und fertig wird. Im Moment liegt ein Artikel zum Verhältnis von Mindmapping und Brainstorming relativ weit vorn, aber jetzt ist ja dieser Artikel dazwischengekommen 😉 .
Welche Blogs liest du regelmäßig?
Ich steuere praktisch nie ein Blog direkt an – in aller Regel ist mein Blog-Konsum von entsprechenden Hinweisen vor allem über Twitter geprägt und entsprechend weit gestreut. Wichtig ist mir, dass am jeweiligen Artikel deutlich erkennbar ist, dass das Darübernachdenken erheblich länger gedauert hat als das eigentliche Tippen.
Wenn Du Deinen (beruflichen) Werdegang neu zeichnen würdest, dann …
… wäre erstaunlich wenig anders! Ich bin in der glücklichen Lage, sagen zu können, dass mein bisheriger beruflicher Werdegang tatsächlich immer sehr nah an meinen Wünschen und vor allem meiner persönlichen Entwicklung geblieben ist und mit dieser meist konstruktiv und in positiver Weise wechselwirkte. Dafür bin ich – vor allem auch meinen Wegbegleitern! – sehr dankbar. An der Nahtstelle von Mensch und (Informations‑)Technik und vor allem daran zu arbeiten, und vor allem daran, dass es eine Naht- und eben keine Bruchstelle ist und bleibt, ist eine tolle Aufgabe und macht unglaublich viel Spaß.
Und weil die Frage von Andrea so schön ist: Gibt es ein Herzensprojekt, das Du unbedingt noch verwirklichen möchtest?
Ich schreibe schon lange immer mal wieder zwischendurch an zwei weiteren Buch-Projekten – auch diesen Sack würde ich gern eines Tages zumachen. Ich hadere dabei leider mehr mit der Struktur als mit den Inhalten, dementsprechend klappt der Trick mit dem Blog als „Überlauf“ leider nicht ;‑).
Nicht-Nominierung
Normalerweise wird alles Kettenbrief-artige von furchtbaren Drohungen darüber begleitet, was passieren wird, sollte man den Kettenbrief nicht weiterreichen (in diesem Fall wäre z. B. etwas in der Art von „Dein WordPress wird nie wieder mit Deiner PHP-Version harmonieren und alle Deine MySQL-Datenbank-Indizes werden kontinuierlich furchtbar fragmentieren!“ denkbar). Der „Liebster Award“ spart freundlicherweise mit solchen Drohungen. Dennoch handelt es sich konzeptionell um einen Kettenbrief – etwas, was bei mir immer einen leicht unguten Beigeschmack hinterlässt. Ungeachtet dessen wollte ich eigentlich ausnahmsweise über meinen Schatten springen (lies: nicht meinen Ruf als Spielverderber noch weiter festigen 😉 ) und das Spiel in Gänze mitspielen – nicht jedoch, ohne die angedachten Nominierten zuvor zu fragen; zu deutlich sind mein ganz persönlichen Gefühle zu Kettenbriefen aller Art. Dabei stellte sich heraus, dass ich mit meinem unguten Gefühl alles andere als allein bin. Im Ergebnis gibt es jetzt das eine oder andere Blog, dessen Autor(in) sich vielleicht im Stillen über meine Anfrage freut – und keine Nominierung. Der Geist des „Liebster Award“ wird mich dafür mit inkompatiblen Plugins strafen.
Footnotes:
- ↑ Update 16.10.2015: Das Blog ist leider derzeit abgeschaltet.
- ↑ Vgl. z. B. die „dual-coding theory“ von Allan Paivio.
- ↑ Vgl. „Warum ist ’schönes Zeichnen‘ wichtig?“