Vorgestern fand das 5. PMCamp Hamburg (#pmcamphh) statt – nicht in Hamburg, sondern im virtuellen Raum. An dieser Stelle möchte ich kurz meine Eindrücke vom Camp schildern, wirklich begeistert „Danke“ sagen und ganz nebenbei auch noch ein paar grundsätzliche Gedanken zu virtuellen BarCamps sammeln.
Vorweg: Ich hatte eine ganze Menge Vorbehalte gegenüber einem virtuellen BarCamp – und war damit nach meinem Eindruck auch alles andere als allein. Keine meiner Befürchtungen hat sich bestätigt – und auch auf der Metaebene habe ich eine ganze Menge gelernt, dazu mehr in der zweiten Hälfte des Artikels. Die Organisation war (trotz anfänglicher Schwierigkeiten mit der technischen Plattform) wirklich hervorragend und die Übertragung der verschiedenen Aspekte eines BarCamps ins Virtuelle funktionierte weitestgehend reibungslos – wirklich beeindruckend, war es doch auch für das Organisations-Team das erste Mal. Vielen, vielen Dank dafür!
Das Virtuelle hat dabei meiner Wahrnehmung nach sowohl Vor- als auch Nachteile – und diese halten sich m. E. durchaus die Waage. Zoom als (technisch mächtige, wenn auch umstrittene) Videokonferenz-Plattform hat sich dabei ebenso bewährt wie die gemeinsame Arbeit an einer Google Docs-Präsentation für die Session-Planung sowie Padlet (<https://de.padlet.com>) für die Teilnehmer-Steckbriefe und das Feedback. Technische Klammer um diese Komponenten bildete iRooms (<https://digitale-meetups.com>) – vielen Dank an Robert für seine spontane technische Unterstützung und Danke zudem natürlich an alle Sponsoren, die auch ein virtuelles BarCamp zu unterstützen bereit waren! Die Möglichkeit, im Virtuellen von praktisch überall teilzunehmen, wurde übrigens erstaunlich wenig genutzt: Ein Großteil der rund 50 TeilgeberInnen kam aus Hamburg oder zumindest norddeutschen Raum.
Die extrem interessante Session-Auswahl (vgl. hier und hier) machte die Entscheidung für den jeweiligen (virtuellen) Raum fast noch schwerer als auf den bisherigen „analogen“ PMCamps, und die nur 35 Minuten langen Sessions wirkten auf mich deutlich intensiver als die meist 45-minütigen Sessions auf „physischen“ Camps – sowohl in aktiver wie auch in passiver Rolle. Vielen Dank auch allen Teilgebern – das war toll!
Kurz: Ein virtuelles PMCamp ist nicht nur möglich, sondern kann sogar sehr gut sein!
Übrigens: Auch das diesjährige PMCamp Berlin am 11./12. September 2020 wird im virtuellen Raum stattfinden – ein echter Vorteil für Nicht-Berliner! Mir erscheinen BarCamps in anderen Städten immer als besonders inspirierend, lernt man doch mal einen anderen Teilgeberkreis mit möglicherweise ganz neuen Schwerpunkten kennen. Update 11.06.2020: Tickets für das PMCamp Berlin gibt es übrigens ab 13.06.2020 hier.
Die Session-Dokumentation findet sich sicherlich demnächst auf openPM. Update 11.06.2020: Die Session-Dokumentation findet sich inzwischen hier. Ein Teil der Sessions wurde als Sketchnote festgehalten (vgl. hier) – vielen Dank an Indra für die m. E. extrem treffende Dokumentation!
Mehr zum Thema „meiner“ Session „Kamishibai [und/mit Kanban] – versteckte [Wartungs-]Arbeit sicht- und managebar machen“ findet sich natürlich hier im Blog.
Virtuelle BarCamps – ein paar unsortierte Gedanken
Ich erwähnte ja bereits: Auch auf der Metaebene habe ich viel gelernt. Was mir im Laufe des virtuellen PMCamps auffiel, habe ich spontan in Stichwörtern notiert, vielleicht hilft diese ein wenig unstrukturierte Sammlung ja dem einen oder anderen künftig womöglich öfter virtuellen Camper:
- Ja, der Austausch in der Mittagspause und im Rahmen des abendlichen Ausklangs funktioniert! Anders als im physischen Raum findet im virtuellen Raum allerdings weniger Aufteilung in Kleingruppen an den obligatorischen Stehtischen statt; es finden sich eher alle im virtuellen Plenum ein. Rein technisch wäre es möglich gewesen, sich analog zu physischen Stehtischen auf virtuelle Räume zu verteilen, diese Möglichkeit wurde aber offenbar nur sehr wenig genutzt. Ob die fehlende Aufteilung in Kleingruppen ein Vor- oder ein Nachteil ist, hängt vermutlich von der Anzahl der Teilnehmer ab – auf dem PMCamp Hamburg jedenfalls ergab sich gerade in der Mittagspause im Plenum eine wirklich spannende Diskussion. Einen Austausch in den 10-Minütigen „Raumwechsel-Pausen“ im Plenum habe ich nicht erlebt, kommt man aber früh in den virtuellen Session-Raum, entspinnt sich dort naturgemäß das eine oder andere spannende Gespräch. Es lohnt sich also, früh im virtuellen Raum zu erscheinen!
- Man kann nicht sehen, wer in welchem Raum ist und wie viele in welchen Raum gehen – wobei das natürlich technisch machbar wäre und auf anderen Plattformen womöglich bereits realisiert wurde. Ob das nun besser oder schlechter ist als bei einem „physischem“ Camp, weiß ich allerdings nicht – auf jeden Fall gibt es keine „Herdentrieb“-Effekte.
- Leute in den Pausen auf dem Flur suchen geht nicht. Wer nicht im Plenum „herumlungert“, ist einfach weg. Da bräuchte es ein allgemein akzeptiertes Tool – ebenso, wie man selbst ein möglichst universell einsetzbares Tool für persönliche (Video‑)Gespräche bereithalten sollte.
- Auch virtuell braucht man Pausen – die Zeiten sollten eingehalten werden, vor allem, weil (m. E. aus gutem Grund!) die Slots und auch die Pausen kürzer sind. Theoretisch könnte man das Camp natürlich auch mit auf die Toilette nehmen (bei abgeschalteter Kamera und abgeschaltetem Ton), aber schön ist das nicht.
- Es braucht meiner Auffassung nach eine Video-Etikette. Menschen, die ohne Video (und womöglich gar ohne ein das Video ersetzendes Profilbild) mit ausgeschaltetem Mikrofon still von Session zu Session ziehen, wirken zumindest auf mich weniger wie Teilgeber denn wie Teilnehmer – was mir den BarCamp-Gedanken zu widersprechen scheint.
- Als Session-Geber ist man auf sehr viel mehr Feedback angewiesen – das ist mir selbst aufgefallen, das manifestierte sich aber auch in Sessions anderer durch extrem häufiges Bitten um Feedback. Bei (aus gutem Grund) abgeschalteten Mikrofonen fehlen die vielen kleinen Hörer-Geräusche (und ggf. ein Lachen), fehlt auch noch das Video, fühlt man sich endgültig allein. „Zwischenrufe“ und ‑fragen entspannen die Situation m. E. eher als dass sie stören.
- PowerPoint erscheint mir auf BarCamps oft geradezu verpönt. Gerade bei Sessions, die eher vortrags- als diskussionsartig waren, fehlte mir aber tatsächlich der visuelle Kanal. Die wenigsten Referenten erzeugen eine Präsenz, die das Publikum auch in Form eines kleinen Video-Bildes minutenlang in den Bann zu ziehen vermag – und reines Zuhören erscheint mir auch für nur 35 Minuten im Virtuellen sehr anspruchsvoll. Es muss ja nicht gleich PowerPoint sein – aber etwas mehr visuelle Unterstützung des einen oder anderen Vortrags hätte ich mir dringend gewünscht!
- Auch wenn man ein BarCamp traditionell nicht vorbereitet (bzw. nichts vorbereiten muss und dennoch eine Session geben kann/sollte): Bei einem virtuellen BarCamp sollte man i. S. einer Vorbereitung mindestens die Technik getestet und sich mit allen Werkzeugen vertraut gemacht haben – dann würde eventuell auch die Nutzung der von der Videoplattform angebotenen Interaktionswerkzeuge („Hand heben“, Feedback-Symbole, Chat o. ä.) intensiver.
- Apropos Werkzeuge: Einen Rahmen um die eigentliche Videokonferenz-Plattform herum zur Verfügung zu stellen, der die einzelnen Räume aus dem Sessionplan verlinkt und die Werkzeuge (Sessionplanung, Steckbriefe, Dokumentation, Feedback u. v. m.) zusammenfasst, ist m. E. geradezu zwingend – und obwohl das natürlich auch schnell selbst gebaut ist: iRooms als fertige Plattform hat sich hier durchaus bewährt!
- Apropos Werkzeuge (2): Es dürfte lohnend sein, einen persönlichen Werkzeugkasten bereit zu halten – sicherlich mit der Möglichkeit eines persönlichen Videochats neben den „offiziellen“ Räumen, aber auch mit flexibel einsetzbaren Interaktionswerkzeugen für die Sessions (auf dem PMCamp Hamburg bspw. erlebt mit Mentimeter und Google Jamboard).
- Apropos Werkzeuge (3): Meine für ITler tendenziell untypische Abneigung gegen Multi-Monitor-Setups ist für virtuelle Camps übrigens unpraktisch, vor allem ist die Nutzung der Referentenansicht von PowerPoint bei gleichzeitiger Bildschirmfreigabe der Präsentation ohne zweiten Monitor unmöglich. Auch kann man mit nur einem Monitor während der Bildschirmfreigabe nicht alle Teilnehmer sehen.
Naturgemäß ist diese Aufzählung sehr subjektiv und unvollständig – über Ergänzungen in den Kommentaren würde ich mich sehr freuen und vielleicht entsteht so womöglich eine hilfreiche Zusammenstellung!