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Guter Vortrag – trotz der Slides (Teil 5)

Tim Themann

Seitenverhältnis

Eine der ers­ten Fra­gen, die sich beim Gestal­ten einer Folie stellt, ist die des Bild­for­mats: Die meis­ten Prä­sen­ta­tio­nen wer­den nach wie vor im „klas­si­schen“ auf den Film 1 und spä­ter das Fern­se­hen zurück­ge­hen­den Sei­ten­ver­hält­nis von 4:3 (1:1,3) erstellt. Mit der mas­si­ven Ver­brei­tung von 16:9 (1:1,7)-Pro­duk­tio­nen im Fern­se­hen setzt sich die­ses For­mat auch für Bild­schir­me und Bea­mer zuneh­mend durch; dadurch ergibt sich häu­fig die Mög­lich­keit, 16:9‑formatige Prä­sen­ta­tio­nen ver­lust­frei zu pro­ji­zie­ren – mehr Platz für Ihre Inhal­te! Auf der ande­ren Sei­te ent­steht bei einer im 16:9‑Format erstell­ten Prä­sen­ta­ti­on bei Dar­stel­lung auf einem für 4:3 aus­ge­leg­ten Bea­mer am obe­ren und unte­ren Rand eine groß­flä­chi­ge sog. Let­ter­box; die Pro­jek­ti­on nutzt bei wei­tem nicht alle (womög­lich für eine gute [lies: wirk­sa­me] Dar­stel­lung not­wen­di­gen) Bild­punk­te. Umge­kehrt kommt es bei einer in 4:3 erstell­ten Prä­sen­ta­ti­on auf einem 16:9‑Beamer zwar am rech­ten und lin­ken Rand zur Let­ter­box-Bil­dun­g​2, die „unge­nutz­ten Bild­punk­te“ sind jedoch in der Prä­sen­ta­ti­on gar nicht erst vor­han­den, es gehen meist weder Auf­lö­sung noch Infor­ma­ti­on ver­lo­ren – ledig­lich der zusätz­li­che Platz ist ungenutzt.

Betrach­tet man die Fra­ge des Sei­ten­ver­hält­nis­ses unter gestal­te­ri­schen Aspek­ten, wird mei­nes Erach­tens nichts kla­rer: Für 4:3 (1:1,3) spricht, recht nahe am Sei­ten­ver­hält­nis der DIN-Papier­for­ma­te (1:√2 ≈ 1:1,414…) zu sein – prag­ma­tisch betrach­tet erge­ben sich dar­aus vie­le Vor­tei­le. 16:9 (1:1,7) ist dage­gen eine erstaun­lich gute Appro­xi­ma­ti­on des Gol­de­nen Schnitts (1:Φ ≈ 1:1,618…) – ob sich dar­aus aller­dings wirk­lich gestal­te­ri­sche Vor­tei­le erge­ben, ist durch­aus strittig​3.

Ich per­sön­lich prä­fe­rie­re (der­zeit noch?​4) aus prag­ma­ti­schen Grün­den (im Wesent­li­chen der Let­ter­boxing-Pro­ble­ma­tik wegen) das „klas­si­sche“ For­mat von 4:3​5.

Seitenaufteilung

Pro­fes­sio­nel­le Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­si­gner arbei­ten meist mit mehr oder min­der kom­plex kon­stru­ier­ten Gestal­tungs­ras­tern, um die gra­fi­schen Ele­men­te anspre­chend und kon­sis­tent anzu­ord­nen – wohl­ge­plant und in der Hand eines erfah­re­nen Gestal­ters eine aus­ge­spro­chen wir­kungs­vol­le Metho­de. Vie­le Prä­sen­ta­tio­nen ent­ste­hen jedoch eher spon­tan und unter Zeit­druck und vor allem durch die Hand von Men­schen, die kein Gra­fik­de­sign­stu­di­um absol­viert haben. Aus die­sem Grund erscheint es mir sinn­voll, auf einen sehr viel ein­fa­che­ren und prag­ma­ti­sche­ren Ansatz aus der Fotografie​6 zurück­zu­grei­fen: Die sog. „Drit­tel-Regel“ oder „Rule of thirds“ – kei­ne Regel im enge­ren Sin­ne, son­dern eher eine „Faust­re­gel“ (oder im Fal­le der „Rule of thirds“ eine „Rule of thumb“). Die „Drit­tel-Regel“ besagt, dass die wesent­li­chen Bild­ob­jek­te nicht exakt zen­triert, son­dern in etwa auf das Bild hori­zon­tal oder ver­ti­kal in Drit­tel tei­len­de Lini­en (im Ide­al­fall: deren Schnitt­punk­ten) posi­tio­niert wer­den sollten​7:

Eine sehr ein­drück­lich illus­trier­te, eigent­lich für Foto­gra­fen gedach­te, jedoch pro­blem­los auf Foli­en­ge­stal­tung abs­tra­hier­ba­re Erklä­rung zur Drit­tel-Regel fin­det sich unter <http://​pho​to​spo​t2004​.blog​spot​.de/​2​0​0​4​/​0​7​/​r​u​l​e​-​o​f​-​t​hirds.html>.

Von der „Rule of thirds“ wird behaup­tet, „mehr Span­nung ins Bild zu brin­gen“ als eine blo­ße Zen­trie­rung der Objek­te, auch die Appro­xi­ma­ti­on des Gol­de­nen Schnitts (s. o.) wird oft als Erklä­rung für die Wir­kung der Drit­te­lung ange­führt. Wirk­lich unter­sucht ist die­ses wahr­neh­mungs­psy­cho­lo­gi­sche Phä­no­men mei­nes Wis­sens nicht – die empi­ri­sche Erfah­rung spricht jedoch dafür. Pro­bie­ren Sie es ein­fach aus; schal­ten Sie das Drit­tel-Ras­ter Ihrer Kame­ra ein und nut­zen Sie die Auf­tei­lung in Drit­tel für die Foli­en­ge­stal­tung – Sie wer­den mer­ken: Es wirkt!

Ein ähn­lich schlecht erforsch­tes, jedoch ver­gleich­bar gut empi­risch „erleb­ba­res“, eben­falls wahr­neh­mungs­psy­cho­lo­gi­sches Phä­no­men ist das der Opti­schen Mit­teObjek­te, die exakt zen­triert sind, wer­den gera­de in der Ver­ti­ka­len nicht unbe­dingt als mit­tig wahr­ge­nom­men; die „wahr­ge­nom­me­ne Mit­te“ liegt in der Regel ein wenig höher als die geo­me­tri­sche. Da es sich um einen Effekt der (letz­ten Endes ja sub­jek­ti­ven) Wahr­neh­mung han­delt, ist die Opti­sche Mit­te nicht durch Rech­nen, son­dern nur durch Pro­bie­ren zu bestim­men. Wun­dern Sie sich also nicht, wenn mit den Mit­tel Ihres Prä­sen­ta­ti­ons­pro­gramms exakt zen­trier­te Objek­te nicht mit­tig wir­ken – ver­schie­ben Sie sie „nach Gefühl“ in die Opti­sche Mitte.

Animationen und Folienübergänge

Vor­bei sind die Zei­ten, in denen ein „Foli­en­über­gang“ gleich­be­deu­tend war mit der hek­ti­schen, zuneh­mend pani­schen Suche nach der nächs­ten Over­head-Folie – und das auf engem Raum in einem meist eher insta­bi­len Folienstapel​8. Die Lücke, die das Feh­len die­ser oft­mals unfrei­wil­lig sket­ch­ar­ti­gen Ein­la­gen hin­ter­las­sen hat, ist jedoch mehr als nur gefüllt: Die auf dem Markt erhält­li­chen Prä­sen­ta­ti­ons­pro­gram­me über­bie­ten sich dar­in, dem Refe­ren­ten eine mög­lichst gro­ße Aus­wahl an ani­mier­ten Foli­en­über­gän­gen und Ani­ma­tio­nen zur Ver­fü­gung zu stel­len – und die Refe­ren­ten über­bie­ten sich wie­der­um dar­in, die­se Effek­te maxi­mal zu nut­zen. Das Ergeb­nis ist häu­fig nicht weni­ger pein­lich als die obso­let gewor­de­ne pani­sche Suche im Folienstapel.

Auch hier gilt mei­nes Erach­tens „Weni­ger ist mehr!“:

Beispiele – Design Patterns

Vor­la­gen für Auf­zäh­lun­gen („bul­let points“) fin­den sich in Ihrer Prä­sen­ta­ti­ons­soft­ware zuhauf – soll­ten Sie auf grö­ße­re Text­men­gen nicht ver­zich­ten wol­len oder kön­nen (vgl. Teil 2 die­ser Serie): Nut­zen Sie sie. Falls Sie etwas anders machen möch­ten, fol­gen zwei Bei­spie­le: Ein Bei­spiel für Foli­en, die vor allem durch Bil­der wir­ken und ein Bei­spiel für kraft­voll visua­li­sier­ten (kur­zen) Text.

Folien „wie aus Haiku Deck“

Hai­ku Deck (vgl. u. a. Update: Hai­ku Deck 2.0) ermög­licht es, ein­zel­ne (Slide‑)​„Decks“ in das PowerPoint(.PPTX)-Format zu expor­tie­ren und per E‑Mail (ver­mut­lich im Regel­fall an sich selbst) zu ver­sen­den. Lei­der ist das Ergeb­nis ledig­lich eine in Power­Point-Foli­en ein­ge­bet­te­te Ras­ter­gra­fik und somit unver­än­der­lich. Es gibt jedoch kei­nen Grund, das, was Hai­ku Deck tut, nicht selbst in Power­Point zu tun​10:

  1. Suchen Sie sich ein pas­sen­des Bild in ange­mes­se­ner Auf­lö­sung und mög­lichst pas­sen­dem Sei­ten­for­mat (vgl. Teil 4 die­ser Serie).
  2. Plat­zie­ren Sie die­ses Bild (ggf. für Ihre Zwe­cke zuge­schnit­ten) for­mat­fül­lend auf Ihrer Folie.
  3. Plat­zie­ren Sie ein oder zwei Text­rah­men auf der Folie: 
    • Soll­ten Sie die­se nicht die gesam­te Foli­en­brei­te ein­neh­men las­sen wol­len, emp­fiehlt sich eine Ori­en­tie­rung an dem o.g. Gestaltungsraster.
    • Im Fal­le eines sich über die gesam­te Foli­en­brei­te erstre­cken­den Text­rah­mens soll­ten Sie beden­ken, dass die Opti­sche Mit­te gera­de in der Ver­ti­ka­len u.U. deut­lich von der Foli­en­mit­te abweicht und am bes­ten „nach Gefühl“ bestimmt wer­den sollte.
    • Je nach gewünsch­ter Text­far­be ist es u.U. sinn­voll, die Rah­men mit einer Far­be (Weiß, Schwarz oder einer aus dem Bild extra­hier­ten Far­be – vgl. Teil 4 die­ser Serie) mit einer Trans­pa­renz von etwa 50% (für Schwarz oft mehr, für Weiß häu­fig weni­ger) zu fül­len. Das dar­un­ter­lie­gen­de Bild bleibt so sicht­bar, der Kon­trast des Tex­tes gegen den Hin­ter­grund ist aber trotz­dem für eine gute Les­bar­keit ausreichend.
    • Die Abstän­de des Tex­tes zum Text­rah­men müs­sen meist an bei­den Sei­ten erhöht werden.
  4. Wäh­len Sie eine pas­sen­de Schrift­art, ‑far­be und ‑grö­ße: kei­ne Stan­dard-Schrift­art, eine Schrift­far­be mit aus­rei­chen­dem Kon­trast zum Hin­ter­grund und vor allem wirk­lich gro­ße Schrift.
  5. Ver­ges­sen Sie ange­sichts die­ses tol­len Designs Ihren Inhalt nicht: Tip­pen Sie Ihren (kur­zen!) Text in den Rahmen.

Visuelle Tri- oder Tetrakolons

Text auf Foli­en grund­sätz­lich abzu­leh­nen, erscheint mir wenig sinn­voll und eher dog­ma­tisch (vgl. Teil 2 die­ser Serie). Jeden ein­zel­nen Text­ab­schnitt mit einem „bul­let point“ zu ver­se­hen, ist aller­dings mei­nes Erach­tens eben­so wenig sinn­voll: Optisch gewinnt die Folie dadurch in aller Regel nicht (das Gegen­teil ist oft der Fall) – und hält man dies aus Grün­den der Über­sicht­lich­keit für not­wen­dig, ist mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit zu viel Text auf der Folie​11.

Der womög­lich wich­tigs­te Grund, einen „bul­let point“ auf einer Slide zu haben, ist, einen Vor­trag über die Unsin­nig­keit von Slideu­ments zu halten:

Eine kraft­vol­le rhe­to­ri­sche Figur wie bei­spiels­wei­se unten­ste­hen­des berühm­tes Tri­ko­lon in Form von Text zu visua­li­sie­ren, gelingt hin­ge­gen auch ohne Aufzählungszeichen:

Bei der Erstel­lung von Foli­en mit aus­schließ­lich tex­tu­el­lem Inhalt ver­blei­ben vor allem Schrift und Far­be als Gestaltungsmittel:

Die­ser und die vor­he­ri­gen vier Tei­le die­ser Serie han­del­ten vor allem davon, wie Foli­en mei­nes Erach­tens gestal­tet sein soll­ten, um wirk­sam Ihren Vor­trag zu unter­stüt­zen – unter der Vorraus­set­zung, dass Sie die Foli­en so gestal­ten kön­nen und dür­fen, wie Sie es für rich­tig hal­ten. Der 6. Teil die­ser Arti­kel­se­rie beschäf­tigt sich mit Situa­tio­nen, in denen Sie die­sen Spiel­raum nicht haben, in denen Ihnen zum Bei­spiel eine Vor­la­ge oder gar der gesam­te Vor­trag vor­ge­ge­ben sind.

Fuß­no­ten:

  1.  Der sog. 35-mm-„Normalfilm“ mit sei­nem Sei­ten­ver­hält­nis von 4:3 geht auf Wil­liam K. L. Dick­son zurück und nicht wie vie­ler­orts behaup­tet auf sei­nen bezüg­lich der kom­mer­zi­el­len Ver­wert­bar­keit die­ser Erfin­dung eher skep­ti­schen Arbeit­ge­ber Tho­mas Alva Edi­son.
  2.  „Let­ter­boxing“ wür­de übri­gens über­ra­schen­der wei­se etwas völ­lig ande­res bedeuten.
  3.  Vgl. <http://​de​.wiki​pe​dia​.org/​w​i​k​i​/​G​o​l​d​e​n​e​r​_​S​c​h​n​i​t​t​#​B​i​l​d​ende_Kunst>. Dass der Gol­de­ne Schnitt unter mathe­ma­ti­schen Gesichts­punk­ten hoch­in­ter­es­sant ist, ist sicher­lich unstrit­tig – sein mög­li­cher Ein­fluss auf das ästhe­ti­sche Emp­fin­den muss mög­li­cher­wei­se im Bereich des Meta­phy­si­schen ver­or­tet werden.
  4.  Das Default-Sei­ten­ver­hält­nis in Power­Point 2013 ist erst­mals nicht mehr 4:3, son­dern 16:9 – vgl. <http://​office​.micro​soft​.com/​e​n​-​0​0​1​/​p​o​w​e​r​p​o​i​n​t​-​h​e​l​p​/​c​h​a​n​g​e​-​t​h​e​-​s​l​i​d​e​-​s​i​z​e​-​t​o​-​s​t​a​n​d​a​r​d​-​o​r​-​w​i​d​e​s​c​r​e​e​n​-​H​A​1​0​2​8​93534.aspx>.
  5.  Ich befin­de mich damit übri­gens in guter Gesell­schaft: Jan Schul­tink z. B. (<http://​ide​a​trans​plant​.com/​>) emp­fiehlt in sei­nem Buch „Pitch It!“ (Schul­tink, Jan: Pitch It!. <https://​itu​nes​.apple​.com/​u​s​/​b​o​o​k​/​p​i​t​c​h​-​i​t​!​/​i​d​5​8​4​8​2​4855?mt=11>, S. 102) eben­falls die­ses For­mat. Er begrün­det dies u. a. damit, dass im Fal­le des brei­te­ren 16:9‑Formats die Augen des Betrach­ters die kom­plet­te Visua­li­sie­rung nicht auf einen Blick erfas­sen können.
  6.  Die Foto­gra­fie hat eine nicht unähn­li­che Auf­ga­ben­stel­lung: Bei gege­be­nem Sei­ten­ver­hält­nis gege­be­ne Inhal­te sinn­voll platzieren.
  7.  Die­se „Regel“ ist der Grund dafür, dass die meis­ten Kame­ras (sogar die vie­ler Mobil­te­le­fo­ne) ein Drit­tel-Ras­ter in den Sucher ein­blen­den können.
  8.  Für die­je­ni­gen, die sich nicht mehr erin­nern kön­nen oder die gar zu jung sind, um sol­che Gerä­te erlebt zu haben: vgl. <http://​de​.wiki​pe​dia​.org/​w​i​k​i​/​T​a​g​e​s​l​i​c​h​tprojektor>.
  9.  Der Ein­fach­heit hal­ber erstellt man hier­zu zuerst die kom­plet­te Visua­li­sie­rung, kopiert die­se Folie für jeden Ani­ma­ti­ons­schritt und löscht die jeweils noch nicht dar­zu­stel­len­den Elemente.
  10.  Abge­se­hen davon, dass das Risi­ko, von den fast unend­li­chen Mög­lich­kei­ten Power­Points abge­lenkt zu wer­den, sehr groß ist.
  11.  Eine Aus­nah­me mögen hier Glie­de­rungs- bzw. Agen­da-Foli­en sein.
  12.  Eine typi­sche Prä­sen­ta­ti­ons­soft­ware bie­tet Ihnen die­se Mög­lich­keit lei­der nicht – bei Bedarf soll­te man den Text in einer geeig­ne­te­ren Soft­ware (in die­sem Fall Inkscape <http://​inkscape​.org/>) vor­be­rei­ten. An oben­ste­hen­dem Bei­spiel sieht man recht gut, wie es in die­sem Zusam­men­hang um mein gestal­te­ri­sches Talent bestellt ist.
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