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Flipchart- und Whiteboard-Fotos entzerren mit GIMP

Tim Themann

Eben­so, wie es zum guten Ton gehört, zu kei­ner Bespre­chung ohne Agen­da (womög­lich ergänzt durch vor­be­rei­ten­des Mate­ri­al) ein­zu­la­den, soll­te kei­ne Bespre­chung undo­ku­men­tiert blei­ben. Aus die­sem Grund ist dem The­ma „Doku­men­tie­ren“ in den „Com­pu­ter­ma­lern“ ein gan­zes Kapi­tel (S. 107 ff.) gewid­met – unter ande­rem mit dem Hin­weis, man sol­le ver­zerr­te Bil­der mög­lichst ver­mei­den. In der Pra­xis ist dies aller­dings häu­fig nicht mög­lich, und so ent­ste­hen – sei es aus Hek­tik oder auf­grund der Raum- oder Beleuch­tungs-Situa­ti­on – womög­lich stark ver­zerr­te Bil­der, die unbe­ar­bei­tet kaum in ein ernst­zu­neh­men­des Foto­pro­to­koll über­nom­men wer­den können:

In hohem Maße ver­zerr­te Flip­chart- oder White­board-Bil­der (oder auch abfo­to­gra­fier­te Doku­men­te wie z. B. Sketch­no­tes) für ein pro­fes­sio­nel­les Foto­pro­to­koll zu ret­ten, ist Gegen­stand die­ses Arti­kels. Damit die­se Anlei­tung wirk­lich für jeder­mann ohne Inves­ti­ti­on in Spe­zi­al-Soft­ware oder ‑Apps umsetz­bar ist, basiert sie auf der frei­en Bild­be­ar­bei­tungs­soft­ware GIMP (<http://​www​.gimp​.org>) – die in vie­len Fäl­len mit ein wenig mehr Hand­ar­beit übri­gens auch bes­se­re Ergeb­nis­se lie­fert als die eine oder ande­re spe­zi­ell für die­sen Zweck vor­ge­se­he­ne App.

Schritt 1 – Perspektivische Verzerrung

Zuerst gilt es, die eigent­li­che per­spek­ti­vi­sche Ver­zer­rung zu kor­ri­gie­ren, die dadurch ent­stan­den ist, dass die Kame­ra (oder meist das Mobil­te­le­fon) nicht exakt über dem Mit­tel­punkt der Zeich­nung posi­tio­niert wer­den konn­te. GIMP bie­tet hier­für das „Perspective“-Werkzeug (dt. „Per­spek­ti­ve“), das in einem qua­si umge­kehrt rech­nen­den Modus („Cor­rec­ti­ve (Back­ward)“, dt. „Kor­ri­gie­rend (Rück­wärts)“) gleich­zei­tig ent­zerrt und geeig­net zuschneidet:
Der Git­ter­rah­men des Werk­zeugs soll­te mög­lichst exakt auf die Ecken des eigent­li­chen (Flipchart‑)​Papiers oder des White­boards posi­tio­niert werden​1: Hier­bei hilft es, die Ansicht ggf. mit der +-Tas­te zu vergrößern:
Der Inhalt des Git­ter­rah­mens wird nach einem Klick auf „Trans­form“ (dt. „Trans­for­ma­ti­on“) in eine recht­ecki­ge Form transformiert …

… und alles „Über­ste­hen­de“ wird abgeschnitten:
Das Pro­blem der per­spek­ti­vi­schen Ver­zer­rung ist nun gelöst. Haben Sie mit einem Objek­tiv foto­gra­fiert, das auch noch stark ver­zeich­net (sind also die Kan­ten Ihres Papiers bau­chig nach außen gebo­gen – gera­de bei den sehr weit­win­ke­li­gen Objek­ti­ven eini­ger Mobil­te­le­fo­ne durch­aus denk­bar), hilft Ihnen übri­gens die­ser Hin­weis weiter.

Schritt 2 – Skalierung und Seitenverhältnis

GIMPs „Perspective“-Werkzeug ent­zerrt die per­spek­ti­vi­sche Ver­zer­rung, indem es das selek­tier­te Tetra­gon in eine recht­ecki­ge Form „rech­net“ – wel­ches Sei­ten­ver­hält­nis dabei ent­steht, ist aller­dings qua­si dem Zufall über­las­sen: GIMP lie­gen dazu kei­ne Infor­ma­tio­nen vor; das Ergeb­nis kann also durch­aus erheb­lich nicht-pro­por­tio­nal ver­zerrt sein (ein Pro­blem, an dem übri­gens vie­le Apps kranken​2):

Soll­ten Ihre Karos (bzw. die Zeich­nung selbst) eini­ger­ma­ßen plau­si­bel ska­liert aus­se­hen, kön­nen Sie auf die­sen Schritt ver­zich­ten. Andern­falls gilt es, das bis­he­ri­ge Ergeb­nis noch in das kor­rek­te Sei­ten­ver­hält­nis zu ska­lie­ren. Die­ses muss man aller­dings erst ein­mal ken­nen – was nicht in jedem Fall tri­vi­al ist:

Auf jeden Fall benö­tigt man für das Ska­lie­ren („Image“ → „Sca­le Image…“ , dt. „Bild“ → „Ska­lie­ren“) den berühmt-berüch­tig­ten Drei­satz; am ein­fachs­ten ist es sicher­lich, den klei­ne­ren der bei­den Wer­te (die klei­ne Sei­te) mit dem Sei­ten­ver­hält­nis (dem Wert des Bruchs, für DIN-Papier z. B. √2:1 ≈ 1,414…) zu mul­ti­pli­zie­ren und das Ergeb­nis in das Feld des grö­ße­ren Wer­tes (der lan­gen Sei­te) einzutragen:

Schritt 3 – Manueller Weißabgleich

In aller Regel foto­gra­fiert man Flip­charts und White­boards im Kunst­licht und unter nur sehr mäßig guten Licht­ver­hält­nis­sen – ein Bespre­chungs­raum ist lei­der kein Foto­stu­dio und in den sel­tens­ten Fäl­len licht­durch­flu­tet. Dem­entspre­chend erscheint das Flip­chart-Papier oder auch das White­board meist nicht weiß, son­dern bes­ten­falls grau und schlech­tes­ten­falls in einem von der jewei­li­gen Beleuch­tung abhän­gen­den Farb­stich. In den meis­ten Fäl­len dürf­te min­des­tens ein auto­ma­ti­scher Weiß­ab­gleich durch GIMP („Colors“ → „Auto“ → „White Balan­ce“, dt. „Far­ben“ → „Auto­ma­tisch“ → „Weiß­ab­gleich“) erfor­der­lich sein. Meist emp­fiehlt es sich, nicht auf den Auto­ma­tis­mus zurück­zu­grei­fen, son­dern manu­ell einen „Weiß­punkt“ aus­zu­su­chen („Colors“ → „Levels“, dt. „Far­ben“ → „Wer­te“); hier­zu nutzt man nach Auf­ruf des Dia­logs die rech­te Pipet­te und selek­tiert einen „durch­schnitt­li­chen“ Hintergrundpunkt:

Bei Bedarf kann man zusätz­lich an den drei drei­ecki­gen Reg­lern unter­halb der „Input Levels“-Anzeige (dt. „Quell­wer­te“) manu­ell Tie­fen auf­hel­len oder Lich­ter abdun­keln. Im Ergeb­nis erhält man ein eini­ger­ma­ßen aus­ge­gli­che­nes Foto des Flipcharts:

Deut­lich ein­fa­cher gestal­tet sich die­ser letz­te Schritt bei Fotos von White­board-Zeich­nun­gen – um die­se zu „säu­bern“ und auf die eigent­li­che Zeich­nung zu redu­zie­ren, gibt es ein her­vor­ra­gen­des GIMP-Script.

Zehn wei­te­re Hin­wei­se zu der Fra­ge, was es neben der Bild­auf­be­rei­tung m. E. bei Foto­pro­to­kol­len – vor allem auch inhalt­lich – zu beach­ten gilt, fin­den Sie übri­gens in die­sem Buch­aus­zug aus den „Com­pu­ter­ma­lern“.

Fuß­no­ten:

  1.  Oder auf extra erstell­te Mar­kie­run­gen, die ein Recht­eck eines bekann­ten Sei­ten­ver­hält­nis­ses bil­den – hilf­reich z. B. im Fal­le von klei­ne­ren Zeich­nun­gen oder Sketch­no­tes und falls das Foto nicht das gan­ze Blatt Papier abdeckt.
  2.  Des­we­gen ist z. B. White­li­nes Link (<http://​white​li​nes​.se/link/>) auf spe­zi­fi­sches Papier mit bekann­tem Sei­ten­ver­hält­nis ausgelegt.
  3.  Die­ses Sei­ten­ver­hält­nis hat den unschlag­ba­ren Vor­teil, sich durch Hal­bie­ren nicht zu ändern.
  4.  Oder womög­lich 2,54 cm = 1″?
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