Von Wörtern und Tütensuppen – mehr zur Canvas-Methoden-Kritik

In Zei­ten, in denen gern mal nur noch die Über­schrift gele­sen wird – in denen weni­ge Zei­len schon dem einen oder ande­ren „tl;dr“ erschei­nen –, kommt es mehr denn je auf Spra­che und vor allem auf die kon­kre­te Wort­wahl an. Umso mehr erstaunt es mich, dass ich in mei­ner Kri­tik an der (den) Canvas-Methode(n) als „for­mu­lar­haf­tes Tüten­sup­pen­den­ken“ eben die­sen Aspekt sträf­lich ver­nach­läs­sigt habe.

Nicht nur Aus­wahl, Posi­ti­on und Grö­ße der Fel­der beein­flus­sen den „visu­el­len Denk­vor­gang“ m. E. mas­siv, son­dern auch die kon­kre­te Benen­nung – wie mir kürz­lich beim Ver­gleich ver­schie­de­ner Pro­jekt-Can­vas-Vor­la­gen​1 im Anschluss an das PM Camp Ber­lin auf­fiel. Am deut­lichs­ten erkenn­bar erscheint mir das Pro­blem am (Pro­jekt‑)​ Ziel, Ergeb­nis, Zweck oder Nut­zen: Wel­ches die­ser (m. E. seman­tisch sehr unter­schied­li­chen) Wör­ter als Beschrif­tung eines „For­mu­lar­felds“ im Can­vas auf­taucht, dürf­te erheb­li­chen Ein­fluss auf den „visu­el­len Denk­vor­gang“ und das Ergeb­nis haben – und in die­sem Punkt unter­schei­den sich die ver­schie­de­nen Canvas-„Formulare“ zum Teil erheblich:

Ohne die Aus­wahl der „For­mu­lar­fel­der“ bewer­ten zu wol­len: Nicht nur die „For­mu­la­re“, auch Pro­zess und Ergeb­nis der Nut­zung des einen oder ande­ren Can­vas dürf­ten sich auf­grund der jewei­li­gen Wort­wahl erheb­lich unter­schei­den – und gera­de die Fra­ge, ob der Nut­zen eines Pro­jekts expli­zit the­ma­ti­siert wird oder nicht, hat m. E. erheb­li­che Aus­wir­kun­gen auf den Ver­lauf des „visu­el­len Denk­vor­gangs“: Fragt man nicht expli­zit (lies: wört­lich) nach dem Nut­zen, erscheint mir die Gefahr groß, die­sen Aspekt aus den Augen zu verlieren.

Spra­che beein­flusst (wenn nicht gar deter­mi­niert) das Denken​2. Redu­ziert man einen kom­ple­xen Ansatz auf ein For­mu­lar – und mei­ner Erfah­rung nach pas­siert genau das häu­fig, das jewei­li­ge Can­vas wird oft benutzt, ohne bei­spiels­wei­se das dazu­ge­hö­ri­ge Buch gele­sen zu haben –, kommt es umso mehr auf die weni­gen ver­blie­be­nen Wör­ter an. For­mu­lar­haft „vor­ge­fer­tig­tes“ (visu­el­les) Den­ken ist eben nur noch ein „Extrakt“ – und ähn­lich wie im Fal­le der (oft über­ra­schen­den) Bestand­tei­le einer Tüten­sup­pe ist man bei der Ver­wen­dung von vor­ge­fer­tig­ten For­mu­la­ren meist wenig geneigt, sich über die ein­zel­nen Ele­men­te und deren Aus­wahl vie­le Gedan­ken zu machen. Heiß´ Was­ser drauf – fer­tig! So erhält man aller­dings auch nur uni­for­mes „Tüten­sup­pen-Den­ken“. Möch­ten Sie ein Can­vas ver­wen­den: Lesen Sie zuvor das jewei­li­ge „Buch zum Can­vas“. Set­zen Sie sich kri­tisch und auf Ihren spe­zi­fi­schen Anwen­dungs­fall bezo­gen mit der Theo­rie dahin­ter aus­ein­an­der – und pas­sen Sie das For­mu­lar an, sofern es Ihnen sinn­voll erscheint!

Fuß­no­ten:

  1.  Eine Aus­wahl fin­det sich bspw. unter <https://​www​.openpm​.info/​d​i​s​p​l​a​y​/​o​p​e​nPM/Canvas> (11.09.2017).
  2.  Die sog. Sapir-Whorf-Hypo­the­se.

2 Replies to “Von Wörtern und Tütensuppen – mehr zur Canvas-Methoden-Kritik”

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