PowerPoint: Wo bleibt bloß die Zeit?

Vor eini­ger Zeit ver­öf­fent­lich­te die Made in Office GmbH, ein Her­stel­ler von Office-Erwei­te­run­gen, zusam­men mit der GfK eine Auf­trags­stu­die zur Nut­zung von PowerPoint1. Einer der Haupt­aspek­te der Stu­die war die Fra­ge, womit beim Erstel­len von Prä­sen­ta­tio­nen die Zeit ver­bracht wird – eine für einen Her­stel­ler von Erwei­te­run­gen, die der Pro­duk­ti­vi­täts­stei­ge­rung die­nen sol­len, hoch­in­ter­es­san­te Fra­ge, deren Ant­wort (wenig über­ra­schend) für den Ein­satz der Pro­duk­te des Auf­trag­ge­bers spricht. Betrach­te ich die Stu­die ein­mal ganz nüch­tern und ohne Mar­ke­ting-Inter­es­sen, zei­gen sich m. E. bemer­kens­wer­te Wider­sprü­che – in sich und im Ver­gleich zu ande­ren Untersuchungen:

  • 40 % der Zeit ver­brin­gen die Anwen­der mit dem For­ma­tie­ren von Foli­en. Den­noch sind anschlie­ßend rund drei Vier­tel der Prä­sen­ta­tio­nen nicht cor­po­ra­te-design-kon­form – und das, obwohl mehr als drei Vier­tel der Prä­sen­ta­tio­nen auf Basis bereits vor­han­de­ner Prä­sen­ta­tio­nen erstellt werden​2. Das Über­füh­ren von Foli­en in ein neu­es Design steht aller­dings bei den For­ma­tie­rungs­tä­tig­kei­ten an drit­ter Stel­le. Offen bleibt aber lei­der, ob es hier um Anpas­sun­gen an (womög­lich sehr häu­fig wech­seln­de) neue Design-Vor­ga­ben oder um die Über­nah­me von Foli­en ande­rer Organisationen​3 geht – ange­sichts des hohen Zeit­auf­wands für das For­ma­tie­ren nicht unwahrscheinlich.

Zwei Fünf­tel der Zeit wird mit dem For­ma­tie­ren ver­bracht – obwohl über­wie­gend die Auto­ma­tis­men und Vor­ga­ben von Power­Point ver­wen­det wer­den. Für die­sen auf den ers­ten Blick wider­sprüch­lich erschei­nen­den Sach­ver­halt fal­len mir zwei nahe­lie­gen­de Begrün­dun­gen ein:

  • Betrach­ten wir eine wei­te­re Zahl aus der GfK-Stu­die: Ein Vier­tel aller Anwen­der hat nie eine Power­Point-Schu­lung erhal­ten, mehr als die Hälf­te sind nur „wenig bis mit­tel“ geschult worden7. Dar­über, wie vie­le Anwen­der neben einer (werk­zeug-ori­en­tier­ten) Power­Point-Schu­lung eine (inhalts-ori­en­tier­te) Prä­sen­ta­ti­ons-Schu­lung erhal­ten haben, schweigt sich die Stu­die gänz­lich aus. Dass auf metho­di­scher Sei­te – also bezüg­lich der Prä­sen­ta­ti­onskom­pe­tenz – häu­fig erheb­li­cher Nach­hol­be­darf besteht, zeigt die nicht enden wol­len­de Dis­kus­si­on über „Death by Power­Point“. Dass es auch erschre­ckend gro­ßen Nach­hol­be­darf in Sachen Werk­zeugkom­pe­tenz (also in Bezug auf die rein tech­ni­sche Power­Point-Nut­zung) gibt, sieht man m. E. an dem hohen Zeit­auf­wand für das For­ma­tie­ren der Foli­en – und dar­an, dass die­ser immense Auf­wand den­noch meist nur zum „Ein­heits­brei“ der Power­Point-Defaults führt.
    Je ver­brei­te­ter ein Soft­ware­pro­dukt ist, des­to weni­ger wird nach mei­nem Ein­druck dafür geschult. Die Annah­me, „das kön­ne doch jeder“, ist aller­dings nicht zwin­gend: Nur, weil man in Schu­le, Uni­ver­si­tät oder vor­her­ge­hen­der Tätig­keit damit arbei­ten muss­te, heißt das noch lan­ge nicht, dass man das Werk­zeug wirk­lich beherrscht. Eben­so gut ist es mög­lich, dass man es zuvor in Schu­le, Uni­ver­si­tät und vor­her­ge­hen­der Tätig­keit eben nicht rich­tig beherrscht hat – und es jetzt immer noch nicht beherrscht.
  • Power­Point ist ein wun­der­ba­res Pro­kras­ti­na­ti­ons-Werk­zeug – und Prä­sen­tie­ren oft angst­be­setzt und dem­entspre­chend schon wäh­rend der Vor­be­rei­tung häu­fig Gegen­stand unter­schied­lichs­ter Pro­kras­ti­na­ti­ons-Stra­te­gien. Und so kommt es mög­li­cher­wei­se zu der absur­den Situa­ti­on, dass eine Pro­dukt-Schu­lung eher neue Mög­lich­kei­ten der Pro­kras­ti­na­ti­on auf­zeigt – Stun­de über Stun­de z. B. mit den Fein­hei­ten der Pfad­ani­ma­ti­on oder dem Aus­pro­bie­ren unter­schied­li­cher Smart­Art-Vari­an­ten ver­bracht wird.

Werk­zeug­be­herr­schung ist zwar not­wen­dig, aber kei­nes­falls hin­rei­chend. Bevor man Power­Point auch nur star­tet, soll­te man gutes (und vor allem auch angst­frei­es) Prä­sen­tie­ren ler­nen – dann ist auch viel weni­ger Pro­kras­ti­n­ak­ti­on „nötig“.

Fuß­no­ten:

  1.  Made in Office GmbH, GfK SE: Wie wir beim Arbei­ten mit Power­Point wert­vol­le Zeit ver­geu­den. B2B-Stu­die der GfK im Auf­trag der Made in Office GmbH. Köln: 2015. Down­load nach Regis­trie­rung unter <http://​www​.made​-in​-office​.com/​d​e​/​b​e​r​a​t​u​n​g​/​p​o​w​e​r​p​o​i​nt-studie/> (02.08.2016).
  2.  Eben­da, S. 4.
  3.  Aus einem völ­lig ande­ren Design, also letzt­lich „Fran­ken­stei­ning“, vgl. hier.
  4.  The­mann, Tim: Visu­al Logor­rhea – On the Pre­va­lence of Slideu­ments, Ham­burg: 2014. S. 12. Down­load hier.
  5.  Eben­da, S. 11.
  6.  Eben­da, S. 13.
  7.  Made in Office GmbH, a. a. O., S. 7.

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